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Die Inhalte
der Zeitschrift
»Dienst am Wort«
Herausgeber
Leseprobe 2
Dritter Sonntag im Jahreskreis
Nachfolge – den Augenblick auf Gott hin öffnen
Lesejahr A
Beitrag zum Evangelium

Einführung

Wachsen, sammeln, aufbauen, größer werden – das sind nicht unbedingt Perspektiven, die uns in unseren Gemeinden und in unserer Kirche hier in Deutschland beschäftigen. Da geht es viel öfter um reduzieren, konzentrieren, abbauen, weniger werden.
Vielfach wird heute Christsein in unseren Breiten mit Verlust und nicht mit Gewinn, mit Abschied und nicht mit Aufbruch in Verbindung gebracht. Übrigens eine Erfahrung, die auch Jesus und seinen ersten Jüngern auf ihrem gemeinsamen Weg letztlich nicht erspart geblieben ist.
Das Evangelium heute führt uns dagegen zunächst in eine ganz andere Wirklichkeit. Quasi im Vorbeigehen gewinnt Jesus Menschen für sich und seine Sache. Damit wird der Ort des Wirkens, wird Galiläa zum Synonym für Aufbruch, Erfolg, Lebensquell, Frühling.
Wir stehen unter der Zusage dessen, der uns verspricht, auf allen Strecken unseres Lebens uns zu begleiten und in allem Auf und ab bei uns zu
sein. Rufen wir:

Kyrie-Ruf

Jesus Christus, du ewiges Wort des Vaters, der du treu bist in deiner Liebe.
Herr, erbarme dich unser.

Jesus Christus, du fleischgewordenes Wort des Vaters, der du verletzbar bist in deiner Liebe.
Christus, erbarme dich unser.

Jesus Christus, du ausgesprochenes Wort des Vaters, der du alles wagst für deine Liebe.
Herr, erbarme dich unser.

Tagesgebet

Barmherziger Gott,
dein Sohn Jesus ist dein Wort an uns. In seinen Taten sprichst du selbst
dich aus, trittst du in unser Leben hinein.
Hilf uns, auf dem Weg des Glaubens und der Nachfolge weiterzugehen, und lass uns selbst Zeuginnen und Zeugen deines Evangeliums werden.
Darum bitten wir durch Jesus Christus.

Liedvorschläge

Gesang zur Eröffnung
GL 147,1–3 »Herr Jesu Christ, dich zu uns wend«

Antwortgesang mit Ruf vor dem Evangelium
GL 456,1.3–4 »Herr, du bist mein Leben« und GL 175/6 »Halleluja«

Gesang zur Gabenbereitung
GL 358,1–3 »Ich will dich lieben, meine Stärke«

Gesang zur Kommunion
GL 498,1–2.4 »Das Heil der Welt«

Schlusslied
GL 325 »Bleibe bei uns, du Wandrer durch die Zeit«

Vorüberlegungen

Zum Text: Mt 4,12–23 (Evangelium)
Es scheint auf den ersten Blick beinah paradox zu sein: unsere Zeit ist von atemberaubender Schnelligkeit geprägt. Auf der anderen Seite ist echte Spontaneität gerade immer schwieriger. In der lebendigen Begegnung und Beziehung genauso, wie in der Planung und Perspektive des Lebens. Und doch ist immer der Augenblick Ort und Moment von Gotteserfahrung.

Predigt

Spontaneität versus Planungssicherheit

Das ist bei mir selten geworden: Es klingelt, ich öffne die Haustüre und vor mir stehen unangemeldet Freunde und rufen: »Überraschung!« So etwas kommt selten vor.
Heute wird alles abgesprochen: mit SMS oder WhatsApp – tausendmal kommuniziert. Es wird angekündigt und gemeldet, wenn man losfährt, dass man unterwegs ist, dass wahrscheinlich in fünf Minuten die Ankunft bevorsteht …
Da gibt es heute kaum noch Überraschungen. Und die Erfahrungen seit Beginn der Corona-Pandemie haben ihr Übriges dazu getan. Oder wann haben Sie das letzte Mal irgendetwas völlig spontan unternommen,
einfach, weil Sie Lust dazu hatten? Wann haben Sie das letzte Mal spontan jemanden eingeladen – oder einfach so jemanden besucht?
Manchmal habe ich den Eindruck, dass ›man‹ das heute auch gar nicht mehr machen kann, dass es beinahe unschicklich ist.
Und ich gebe zu: ich selber plane auch viel lieber im Voraus, bereite mich und alles gerne vor. Ich möchte lieber wissen, was mich erwartet.
Trotzdem bewundere ich auch Menschen, die einfach loslegen, die nicht umständlich planen und organisieren, die schlichtweg machen.

Spontan zu leben bleibt vielleicht eher jüngeren Menschen vorbehalten. Menschen, die noch nicht mit so vielen Verpflichtungen und Verantwortungen unterwegs sind. Die noch nicht so viele Aufgaben im Beruf haben, nicht so viel Verantwortung für die Familie, Verpflichtungen im Verein oder im Ehrenamt tragen. Denn das bindet und nimmt uns oft auch ganz praktisch die Zeit und die Möglichkeit, spontan zu sein. Wir können nicht einfach alles stehen und liegen lassen. Wir sind viel zu sehr durchorganisiert und haben schlechterdings keine Zeit für Überraschendes und Spontanes.
Und wenn dann tatsächlich einmal gute Freunde unangekündigt vor der Tür stehen – dann löst das vielleicht eher Stress oder gar Panik aus.
Die Angst, den Plan nicht zu schaffen, überwiegt die Freude über eine unerwartete Begegnung mit lieben Menschen.

Ruf zur Nachfolge versus ›Alltagsgeschirr‹

Wenn ich mir vor diesem Gedanken das heutige Evangelium anschaue, dann kann ich nur staunen, ja ich bin sogar regelrecht geplättet: Mitten in ihren Aufgaben, mitten aus ihrem Job heraus mit großer Verantwortung für ihre Familien, mit großen Verpflichtungen gegenüber anderen also, werden hier vier Menschen von Jesus angesprochen und lassen alles stehen und liegen. Sie folgen auf ein Wort hin, das quasi im Vorbeigehen ausgesprochen wird, einem Fremden nach und lassen alles stehen und liegen.
Bei aller Bewunderung für solche Spontaneität und diesen Wagemut: Ich würde Panik bekommen, wenn Petrus und Andreas meine Söhne, meine Verwandten, Freunde oder Kollegen wären. Da ist doch keinerlei Sicherheit, da ist keine Perspektive, kein Ziel, sondern nur ein Mann, der sie ruft. Ein Mann, von dem die vier sicher schon gehört hatten, der wohl im Gerede war und ein Thema im ganzen Land. Einer, der für Aufmerksamkeit sorgte mit seiner radikalen und für viele faszinierenden Botschaft. Er verkündete: Kehrt um! Denn das Himmelreich ist nahe.
Und jetzt das: Dieser Kerl ruft: »Kommt her, mir nach! Ich werde euch zu Menschenfischern machen.« Und sofort folgen die vier ihm. Sie verlassen die Boote, den Vater, ihre Aufgaben und Verantwortungen; sie lassen ihren Alltag einfach hinter sich. Alles auf ein vages Wort hin – auf das Wort: Kommt her.

Komm her – jetzt! Komm her – mir nach! Nur das – und es geschieht sofort! Keine Verhandlungen, kein Nachfragen, kein Aufschieben, kein »Vielleicht«, kein »unter Umständen«, kein »man müsste mal«; nur ein Ja – und los! Unfassbar. Faszinierend, aber irgendwie auch beängstigend.

Begegnung versus ›Blase‹


Und doch – so etwas gibt es tatsächlich. Auch mir fallen dazu ein paar Menschen ein, die ich in meinem Leben getroffen habe und die mir mit solchem Handeln in Erinnerung geblieben sind. Sie wurden mit einer überraschenden Frage konfrontiert – und haben spontan »Ja« gesagt und dieses Ja auch durch getragen:
Eine Frau, die drei Kinder hatte und selbstverständlich ›Ja‹ sagte, als der junge Witwer aus der Nachbarschaft sie fragte, ob seine zwei Kinder vorübergehend bei ihr zu Mittag essen dürften. Ja hat sie gesagt – und es
waren 5 an ihrem Tisch. Vorübergehend hieß dann übrigens sechs Jahre …
Oder ein Freund, der Arzt wurde, aus sehr behüteten Verhältnissen kam und das Angebot bekam, ein freiwilliges Jahr in Afrika als Mediziner zu machen. Er sagte spontan Ja – und das Jahr hat sein Leben und seine Einstellung nachhaltig geprägt. Heute ist er etablierter Professor an einer großen Klinik und verbringt jedes Jahr Zeit in den Kriegs- und Krisengebieten dieser Welt, um bei »Ärzte ohne Grenzen« mitzuarbeiten.
Oder in Corona-Zeiten: Nachbarn, die man bisher nur auf der Straße im Vorbeigehen gegrüßt hatte und die in den Wochen mit Quarantäne plötzlich ihre Hilfe anboten. Die nachfragten, ob irgendetwas fehlt oder besorgt werden müsste. Und die das dann auch getan haben. Ganz einfach – ganz spontan. Nie werde ich die leckere Suppe vergessen, die vor meiner Tür stand.
Und dann vor knapp einem Jahr: hundert- und tausendfach in unserem Land – in unserer Stadt, in unserer Gemeinde: Ja, ich helfe und bin da, wenn Menschen als Kriegsflüchtlinge aus der geschundenen Ukraine
zu uns kommen, wenn sie in Not sind und Hilfe brauchen. Da wurden Zimmer und Wohnungen angeboten, da nahmen Kitas und Schulen Kinder
auf, da haben Betriebe Arbeit angeboten. Wie viele runde Tische, Kleiderkammern, Begegnungsorte, Pfarrgemeinden, Hilfstransporte, Unterstützungseinrichtungen leben von diesem spontanen und dann auch durch getragenen »Ja«.

Eindimensional versus Transzendenz

Und anders herum: Wie viele Menschen leben davon, dass andere Ja sagen, ihr Lebensnetz zur Seite legen – und etwas unternehmen und machen, was mit dem Himmelreich zu tun hat: Hingabe, Dienst, Fürsorge,
Liebe um der Menschen und um Gottes willen.
Vielleicht ist es das gewesen, was die vier im Evangelium angesprochen hat – und auf den Weg der Nachfolge führte. Bei Jesus dürften sie gespürt haben, dass es hier um mehr geht als um die Pflichten und Verantwortungen des Alltags. In den Worten und Taten Jesu geht der Himmel auf, da wird die Nähe und Gegenwart Gottes mit Händen greifbar. In seiner Zuwendung zum Armen und Kranken, in seiner Liebe und Gewaltlosigkeit, in seiner Geduld und Versöhnung.
Es geht immer um ein »Mehr« – um ein »Größeres«. Und dieses »Größer-Werden« geschieht darin, dass Grenzen übersprungen werden – dass spontan und frei und überraschend ein Schritt gemacht wird – dass »Jetzt« einer vor der Tür steht, dass »Jetzt« in einer Begegnung etwas ganz Wesentliches und Großes geschieht.
An diesem Punkt spüre ich, dass ich hoffnungsfroh werde. Hoffnungsfroh, dass ich es schaffe, eine Grenze zu überwinden und dem Leben, dem was ›jetzt‹ wichtig ist, Raum zu schaffen.
Und auch hoffnungsfroh, dass es gerade in diesem ›Jetzt‹, in dieser Zeit, in unsrer Gegenwart Momente, Augenblicke und Möglichkeiten gibt, das ›Reich Gottes‹ zu erleben und damit SEINE Gegenwart in unserer Mitte und in unserem Leben.

Fürbitten

Gott, unser Vater, Liebhaber und Vollender des Lebens. Wir bitten dich:

– Für alle, die ihr Leben dem Evangelium geweiht haben. Lass sie als deine Töchter und Söhne Botschafter des Friedens sein.
– Für alle, die Verantwortung in der Welt tragen und über Wohl und Wehe anderer Menschen entscheiden. Lass sie nicht Opfer von Hochmut und falscher Macht werden.
– Für alle Menschen, die Opfer von Krieg, Gewalt, Terror und Missbrauch sind. Lass sie nicht verloren gehen.
– Für alle, die sich für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung einsetzen. Lass sie unverkrampft und lauter ihren Überzeugungen folgen.
– Für unsere Verstorbenen: Lass sie bei dir ihre Vollendung finden.

Gott, unser Vater, der du die Niedrigen erhöhst, erhöre uns, nimm uns und unsere Bitten an, durch Christus, unseren Herrn. Amen.

Christian Böckmann

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