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Die Inhalte
der Zeitschrift
»Dienst am Wort«
Herausgeber
Leseprobe 1
30. Sonntag im Jahreskreis
Worauf es ankommt: Gott, dem Größeren, Raum geben
Lesejahr C
Beitrag zum Evangelium

Einführung

Was wir hierher mitbringen? Ganz gewiss sind in uns ganz unterschiedliche Empfindungen: Dank und Bitte, Freude und Sorgen. Mit allem sind wir beim Herrn willkommen. Wovor wir uns hüten sollten: Dass wir bei Gott unsere Ansprüche anmelden, so nach dem Motto: »Du weißt, wir sind deine Getreuen! Wir sind jetzt wieder hier! Ganz anders als die anderen, die das nicht so ernst nehmen und die es sich heute bequem machen! Jetzt hoffen wir aber auch auf den verdienten Lohn!«

Seien wir selbstkritisch und gestehen wir uns ein, dass solche versteckten, frommen Ansprüche schnell in uns aufwachen können. Stehen wir in Demut zu dem, was an uns dürftig und schwach ist. Treten wir so vor den Herrn und sprechen zu ihm mit den Worten aus dem Buch der Psalmen.

Kyrie-Ruf

»Wende dein Ohr mir zu, erhöre mich, Herr! Denn ich bin arm und gebeugt.«
Herr, erbarme dich.

»Beschütze mich, denn ich bin dir ergeben, Herr! Hilf deinem Knecht auf, der dir vertraut.«
Christus, erbarme dich.

»Vernimm mein Beten, Herr! Achte auf mein lautes Flehen.«
Herr, erbarme dich.

Tagesgebet

Gott, der du uns Barmherzigkeit schenkst.
Du hast uns deinen Sohn gesandt, dass er uns herausführe aus der Gefangenschaft
in Angst und Schuld.
Lass uns durch ihn zu der befreienden und frohmachenden Erfahrung finden, dass wir deine Kinder sind. Mach uns bereit für dein Entgegenkommen im Wort und im Gastmahl der Liebe.
Darum bitten wir durch Christus, unseren Herrn.

Liedvorschläge

Gesang zur Eröffnung
GL 143 »Mein ganzes Herz erhebet dich«

Antwortgesang mit Ruf vor dem Evangelium
GL 651/3 »Ich suchte den Herrn« mit Versen aus 651/4 (Psalm 34) und GL 175/6 »Halleluja« mit Vers

Gesang zur Gabenbereitung
GL 184 »Herr, wir bringen in Brot und Wein«

Gesang zur Kommunion
GL 387 »Gott ist gegenwärtig«

Dankhymnus/Schlusslied
GL 543 »Wohl denen, die da wandeln« oder GL 854 (Diözesanteil Freiburg und Rottenburg-Stuttgart) »Größer als alle Bedrängnis«

Vorüberlegungen

Zum Text: Lk 18,9–14 (Evangelium)

In dieser Geschichte Jesu stehen sich ein Pharisäer und ein Zöllner wie Kontrahenten vor Gott gegenüber. Es ist eine Entscheidungssituation. Nach dem Urteil Jesu ist es der Zöllner, der am Ende von Gott gerechtfertigt wird – paradoxerweise der, der doch als Schuldiger dasteht. Der Zöllner wird auf seine Fehler nicht festgenagelt; ihm wird zu Gute gerechnet, dass er zu seiner Schuld steht und sich dem souveränen Handeln Gottes vorbehaltlos überlässt.
In der Hinführung zu dieser Geschichte wird schon deutlich, dass hier nicht an zwei individuelle Personen gedacht ist; dass vielmehr zwei typische Verhaltensweisen einander gegenübergestellt werden.
Entscheidend ist nicht die Moralität des Einen oder das moralische Defizit des Anderen. Entscheidend ist das Verhältnis zu Gott: Der Zöllner lässt Gott Gott sein; er lässt ihn Herrn sein. Er erscheint vor Gott ohne Anspruch, ohne Aufweis der eigenen Tugenden. Er bleibt offen für Gottes Gnade. Er weiß sich angewiesen. Er hofft auf Gnade. Das macht ihn frei und rechtfertigt ihn. Und darin wird er auch zu einem Bundesgenossen Jesu Christi, der – dem Vater gehorsam – in letzter Entschiedenheit seinen Weg nach Jerusalem aufnimmt.

Predigt

Kirche vor Entscheidungen


Wir stecken mit unserer Kirche derzeit in einer Stunde der Entscheidung. Das ist spannungsvoll. Das löst Angst aus.
Zeiten der Entscheidung gab es immer wieder im Laufe der Kirchengeschichte. Aber uns Heutigen kommt die derzeitige Situation schon dramatisch vor: Die Menge der Missbrauchsfälle verschlägt einem die Sprache; die Unfähigkeit der Verantwortlichen, zügig Klärung zu schaffen, hat etwas Lähmendes an sich; kirchliche Strukturen wirken lebensfeindlich; die Kirchenbindung geht dramatisch verloren.
Sicher: Die Kirche scheint verstanden zu haben, dass etwas geschehen muss: In Deutschland sind wir mit unserer Kirche auf einem synodalen Weg. Und die Gesamtkirche ist zu einer umfassenden Weltsynode aufgerufen. Nicht wenige plädieren dafür, dass mit einem neuen Konzil wichtige Weichenstellungen getroffen werden. Doch gleichzeitig meldet sich die Angst: Wo führt das alles hin? Werden wir unsere Heimat verlieren?

Jesus auf Konfrontationskurs


Mir ist aufgefallen, dass Jesus, wie ihn uns das Lukasevangelium vorstellt, gar keine Scheu hat, Gegensätze zu formulieren und zu Entscheidungen herauszufordern. Er zeigt Kontur; er provoziert. In den Abschnitten aus dem Lukasevangelium, die wir an diesen Sonntagen beim Gottesdienst hören, wird das deutlich: Jesus lobt das Verhalten eines Samariters und das ist für treue Israeliten bitter, die doch gern auf die Samariter herabschauen. Jesus verteidigt eine arme Witwe gegen den übergriffigen Richter. Jesus schützt die Kinder vor seinen eigenen Jüngern, die den Kleinen den Zugang zu ihm verweigern wollen. Und er konfrontiert einen betuchten Jüngling mit der Forderung, seine Güter wegzugeben, wenn er zu ihm gehören will.

Das ungleiche Paar


Und so stellt er uns heute vor das ungleiche Paar des Pharisäers und des Zöllners. Er spitzt das in seiner Erzählung richtig dramatisch zu. Und es lohnt sich für uns, uns in die beiden Gestalten einzufühlen:

Zuerst tritt da der Pharisäer, der geachtete Fromme und Gelehrte auf. Er steht hin! Vorne hin! Selbstbewusst! Er betet lange. Aber sein Gebet ist kein echter Dialog, sondern eher ein Monolog. Viermal kommt in seinen Gebetssätzen das Wort »Ich« vor. Dass er Dank sagt, ist nur eine Floskel. Im Grund kreist er um das eigene Ich. Hauptsache: Das Licht fällt auf ihn. Und das gelingt ihm am besten, indem er sich mit Anderen vergleicht. Sein Urteil ist unbarmherzig. Im Grund braucht er um nichts zubitten. Denn er hat sich das, was sein Leben ausmacht, ja im Grunde verdient. Er fühlt sich im Recht, wenn er Gott all seine frommen Werke aufzählt! Was bleibt da Gott anderes übrig, als ihm den zustehenden Lohn auszuzahlen. Gott ist im Grunde nur sein Erfüllungsgehilfe. Gott dient nur zur Bestätigung des eigenen Ichs. Der Auftritt hat zwar einen frommen Anstrich. Aber für Gott ist eigentlich kein Raum.

Schauen wir auf die zweite Gestalt: den Zöllner. Er stellt sich nicht großartig hin. Er hält sich zurück. Er wagt nicht, die Augen zu erheben. Schon die äußere Haltung sagt alles: sein Demutszeichen, das Klopfen an die eigene Brust. Der Zöllner weiß um die Brüche in seinem Leben. Er spürt die eigene Zerrissenheit. In ihm ist die Sehnsucht, davon befreit zu werden. Er leiht sich für sein tiefstes Empfinden Worte aus dem Psalm 51: »Gott sei mir Sünder gnädig!« Sein Gebet ist nur kurz! Ohne Beschönigung überlässt er sich der Gegenwart Gottes. Er vertraut einfach, dass er stets zu ihm kommen kann, auch aus den tiefsten Verwicklungen des Lebens. Er lässt Gott wirklich groß sein.

Schon an der Art, wie Jesus die beiden Beter schildert, ist ablesbar, wie das Urteil Jesu aussieht. Sein entscheidendes Kriterium ist: Wer ist bereit, seinem Weg zu folgen, dem Weg des letzten Vertrauens auf den Vater, dem Weg der vorbehaltlosen Offenheit für seinen Willen? Und das ist gewiss nicht der, der auf seine privilegierte Stellung und auf seine Glaubensleistung pocht, der glaubt, Gott im Griff zu haben! Es ist vielmehr der, der sich Gott überlässt, in Demut. Der offen ist für ihn, der sich ihm zur Verfügung stellt; der für Gott als dem Größeren bereit ist, für alle Überraschungen offen.

Worauf es für uns ankommt


Die Erzählung fordert heraus. Schon die Kirche, in all ihren Einrichtungen, Strukturen und Ämtern! An die Kirche richtet sich die Frage: Schaffst du wirklich Raum für Gott, wie es dein Auftrag ist? Lässt du ihn groß sein? Oder machst du dich selbst groß durch dein selbstgerechtes Auftreten und deinen Absolutheitsanspruch? Bist du eine hörende und gehorsame Kirche – auch eine, die zu ihren Mängeln und Fehlern steht? Wie steht es um deine Bereitschaft zur Wandlung und Erneuerung?

Aber dann sind wir auch selbst dran. Klar ist: Wir sind nicht Pharisäer oder Zöllner in Reinkultur. Wir sind nicht zuzuordnen nach dem Muster Schwarz/Weiß, Gut/Böse. Aber die Frage steht da: Wie viel Pharisäer ist in dir? Wie viel Zöllner? Wie stehst du vor Gott? Wie verändert sich dein Leben, wenn du Gott ganz ernst nimmst: in seiner Großzügigkeit, in seiner liebevollen Zuwendung, in seiner unbedingten Vergebungsbereitschaft? Wie gehst du damit um, dass Gott so ganz andere Maßstäbe hat: dass er Ja sagt, wo wir Nein sagen? Dass er Nähe schenkt, wo wir uns zurückziehen? Stehst du zu dir in deinen Schwächen und Fehlern? Können die Menschen in deiner Umgebung an dir etwas ablesen von der Größe, die du Gott in deinem Leben einräumst?

In einer Zeit der Entscheidung für unsere Weltkirche und die Kirche in unserem Land stehen wir! Und immer auch in einer Zeit der Klärung unseres Gottesglaubens und unserer persönlichen Lebenshaltung!

Jesus Christus fordert uns heute heraus mit seinem Gleichnis. Als er es damals vortrug, hatte er sich auf den Weg nach Jerusalem gemacht. Das war eine klare Weichenstellung seines Lebens. Ob er in uns entschiedene Gefolgsleute findet?

Fürbitten

Herr Gott, nicht aus eigener Kraft leben wir. Was uns trägt und beflügelt, ist deine Gnade. Und so bitten wir:

– Für unsere Kirche: Um die Führung deines Geistes in allen Weichenstellungen dieser Zeit.
– Für die Frauen und Männer im Leitungsdienst der Kirche: Um den Mut aufzubrechen und auch neue Wege zu wagen.
– Für alle Glieder des Gottesvolkes: Um ein Herz, das bereit ist, auf deine Stimme zu hören.
– Für die Großen in der Welt: Um Demut und Bereitschaft, dem Wohl der Kleinen und Schwachen zu dienen.
– Für uns alle: Um Entschiedenheit bei der Bewahrung der Schöpfung und einen achtsamen Umgang mit all unseren Mitgeschöpfen.

Gott, nimm von uns, was uns abhält von dir. Gib uns alles, was uns zu dir hinführt. Durch Christus, unseren Herrn. Amen.

Wolfgang Schrenk

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