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»Dienst am Wort«
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Leseprobe 1
22. Sonntag im Jahreskreis
Über die Ehre und die Ehrenplätze
Lesejahr C

Beitrag zum Evangelium

Einführung

Nach welchen Kriterien haben Sie sich heute Ihren Platz hier im Gottesdienstraum ausgewählt? Ist Ihre Platzwahl bewusst geschehen oder haben Sie einfach einen Platz genommen, der frei war oder auf welchem Sie auch sonst gerne sitzen?
Vielleicht hat auch die Frage, wie nahe oder wie weit entfernt Sie heute vom Altarraum sein möchten, diese Entscheidung beeinflusst. Viele Gründe kann es geben, wie ich zu meinem Platz komme – ob im Gottesdienst, bei einem Fest oder in einer Gruppe, die sich versammelt.
Das heutige Evangelium erzählt von einem Mahl, bei welchem die Gäste sich die Ehrenplätze aussuchen. Jesus beobachtet dies und nimmt es zum Anlass, ein Gleichnis zu erzählen.

Kyrie-Ruf

Herr Jesus Christus, du lädst uns heute ein, an deinem Tisch Platz zu nehmen.
Kyrie eleison.

Herr Jesus Christus, der Tisch des Wortes (und des Brotes) ist reich gedeckt und lädt uns zur Gemeinschaft mit dir und untereinander ein.
Christe eleison.

Herr Jesus Christus, du sorgst dafür, dass an deinem Tisch für alle Platz ist.
Kyrie eleison.

Tagesgebet

Großer Gott,
durch deinen Sohn hast du uns neu gezeigt, was miteinander Mahl halten bedeutet.
Öffne uns für dieses Mahl, indem wir das Geheimnis von Tod und Auferstehung deines Sohnes feiern.
Durch Christus unseren Bruder und Herrn, der in der Einheit des Heiligen Geistes mit dir lebt und herrscht in alle Ewigkeit.

Liedvorschläge

Gesang zur Eröffnung
GL 82 »Behutsam leise nimmst du fort«

Antwortgesang mit Ruf vor dem Evangelium
GL 458 »Selig seid ihr, wenn ihr einfach lebt« und GL 175/2 »Halleluja« mit Vers aus dem Lektionar

Gesang zur Gabenbereitung
GL 477,1–3 »Gott ruft sein Volk zusammen«

Gesang zur Kommunion
GL 474,1.4 »Wenn wir das Leben teilen wie das täglich Brot«

Dankhymnus
GL 484,1.3–5 »Dank sei dir, Vater, für das ewge Leben«

Schlusslied
GL 451 »Komm, Herr, segne uns«

Vorüberlegungen


Zum Text: Lk 14,1.7–14 (Evangelium)

Der Evangelist Lukas achtet im Verlauf seines Evangeliums immer wieder auf die Gefahr der Gier nach Ehrenplätzen. Bereits in Kapitel Lk 11,43 hat er die Pharisäer diesbezüglich kritisiert und in Lk 20 warnt er die Jünger vor den Schriftgelehrten, welche die ersten Plätze in der Synagoge und die Plätze zu Tisch lieben. Er nimmt zwar die Frage der Zebedäussöhne nach den Plätzen zur Rechten und zur Linken Jesu (Mk 10,35–40) nicht in sein Evangelium auf, zitiert aber Sätze, welche das Verlangen nach Größe (Lk 9,46–48 und Lk 22,24–27) und die eigennützige Liebe (Lk 6) kritisieren. Konsequent geht es von Beginn des Evangeliums darum zu zeigen, dass Gott ein Gott der Armen, Ausgegrenzten und Schwachen ist und in seinem Reich die Verhältnisse umgekehrt werden (vgl. Magnifikat). Unter dieser Perspektive ist auch das heutige Evangelium zu lesen.

Das zentrale Wort Jesu ist Lk 14,11: »Denn wer sich erhöht, wird erniedrigt werden, und wer sich erniedrigt, wird erhöht werden.« Dieses Logion begegnet wieder im Gleichnis vom Pharisäer und Zöllner (Lk 18). Interessanterweise wird es hier wie dort in Kontexten formuliert, in welchen Hochmut und eine gewisse Eitelkeit im Spiel ist. Ehre wird uns allein durch Gott zuteil und die Gefahr einer öffentlichen Beschämung dient als Stilmittel, um zu zeigen, was das Schielen auf die Ehrenplätze zur Folge haben kann.

Predigt


Warum muss ich mich immer klein machen?

»Wissen Sie, mir ist der Glaube in meinem Leben sehr wichtig. Dennoch stört es mich, dass meine religiöse Erziehung dazu geführt hat, dass ich mir nichts zutraue und mich grundsätzlich klein und schlecht fühle. Bei meinen Eltern hieß es immer: Nehmt euch zurück, macht euch klein – treu dem Wort: Wer sich selbst erhöht, wird erniedrigt werden, und wer sich erniedrigt, wird erhöht werden. Mein ganzes Leben bin ich damit beschäftigt, ein gutes und gesundes Selbstvertrauen aufzubauen.« Diese Aussage einer älteren Frau, deren noch manche hinzuzufügen wären, beschreibt eine fatale Wirkungsgeschichte, welche ein Satz aus dem heutigen Evangelium in der Vergangenheit hatte. »Denn wer sich selbst erhöht, wird erniedrigt werden, wer sich aber erniedrigt, wird erhöht werden.«

Dieses Wort Jesu wurde meist aus dem Zusammenhang gerissen und als moralisch-ethische Handlungsanweisung an alle Menschen verstanden. Diese wurde nicht selten dazu benutzt, Menschen klein und unfrei zu halten und auch Macht auszuüben. Meist wurde es von den Mächtigen in Religion, Kirche und Staat Untergebenen verkündet, was diese klein und oft auch ruhig hielt. Das Wort Jesu begegnet weiter beim Gleichnis vom Pharisäer und Zöllner, in welchem Jesus ebenfalls einer bestimmten Menschengruppe etwas ins Stammbuch schreiben will.

Ehrenplätze können blind und überheblich machen

Und dann möchte ich ein bekanntes Bild neben diese Aussage stellen, welches den meisten Menschen bestens vertraut ist: Bei einer Veranstaltung, zum Beispiel einem Essen, tauchen die Ehrengäste auf, welche beim Betreten des Raumes nicht nach rechts oder links schauen und auf dem Weg zu ihren Plätzen alle anderen übersehen. Hauptsache – so gewinnt man den Eindruck – sie erhalten den für sie reservierten und freigehaltenen Platz. Ehrenplätze, so scheint es, stehen ihnen aufgrund ihres eigenen Standes und gesellschaftlichen Ranges, ihrer Leistung oder des eigenen Verdienstes zu und werden als selbstverständlich angesehen.

An wen richtet sich das Jesuswort und das Gleichnis?

Das Wort und das Gleichnis Jesu des heutigen Evangeliums wird erzählt, als Jesus sieht, wie bei einem Festmahl die Gäste nach den besten Plätzen schielen. Mit seiner Ermahnung will er die Gefahr, die bei diesen Menschen in diesem Moment besteht, benennen und ihnen dafür eine wichtige »Gegenanweisung« geben.
Jesu Wort von der Erniedrigung wird also gerade nicht an Menschen gesprochen, welche sich klein oder schwach, hilflos oder gedemütigt fühlen, sondern denen gesagt, die nach der »Erhöhung« schielen. Natürlich kann auch das jeder von uns sein. Keiner ist davor gefeit.

Wer es gewohnt ist, Ehrenplätze einzunehmen, und nichts anderes kennt oder je kannte, wird schnell blind für Menschen, die ausgestoßen, ausgegrenzt und am Rande der Gesellschaft stehen. Häufig fehlen das Bewusstsein und die Sensibilität für diejenigen, welche finanziell oder bildungsmäßig nicht mithalten können. Ehre kann hochmütig und eingebildet, überheblich und arrogant machen.
Nicht selten gewinnt man dabei den Eindruck, als sei Ehre etwas Selbsterarbeitetes oder Menschen hätten ein Recht auf solch eine ehrenhafte Behandlung. Das treffen wir in allen Bereichen des öffentlichen Lebens, der Wirtschaft und auch der Kirche an.

Jesu Aufforderung schützt vor Beschämung


Zunächst hat die Anweisung Jesu, sich nicht die Ehrenplätze auszusuchen, sondern weiter unten am Tisch Platz zu nehmen, einen ganz realen Grund: Es soll verhindert werden, dass man öffentlich beschämt wird. Vor anderen beschämt zu werden, ist sicherlich etwas vom Schwierigsten und emotional Eindrücklichsten, was uns Menschen passieren kann. Wem fallen nicht solche Szenen aus der eigenen Biografie ein, wo zum Beispiel ein Mitschüler vor der ganzen Klasse beschämt wurde. Die damit verbundenen Gefühle hinterlassen nicht selten tiefe Spuren.

In unserem Fall kann das nur dann geschehen, weil die Gäste selbst dazu einen Anlass bieten. Für Jesus ist dieser gegeben, wenn sie sich ihres besonderen Platzes oder Ehrenplatzes zu sicher wähnen und nicht im Blick haben, dass es möglicherweise noch Gäste gibt, denen bessere Plätze zustehen als ihnen.

Bei Gott und in seinem Reich werden die Maßstäbe umgekehrt


Doch damit nicht genug: Nun folgt die eigentliche Spitze Jesu in seinem Gleichnis:
Er ermahnt die Gastgeber, diejenigen Menschen zu einem Gastmahl einzuladen, welche es ihnen nicht vergelten können. Das stößt vor den Kopf. Auch uns. Wer von uns lädt nicht selbstverständlich Verwandte und Freunde, Menschen, die es gut mit mir meinen, zu seinen Festen ein? Jesus fordert, nicht diejenigen einzuladen, von welchen wir auch wieder eingeladen werden, sondern die, die am Rande der Gesellschaft stehen und dazu gar nicht die Möglichkeit haben.

Eine herausfordernde und radikalisierende Mahnung, die ganz im Kontext des gesamten Lukasevangeliums zu lesen ist. Lukas beginnt seine Weihnachtsgeschichte bereits damit, dass Gott nicht in einem ihm angemessenen Ort zur Welt kommt, sondern im Stall. Die ersten Adressaten, denen diese frohe Botschaft verkündet wird, sind dann die Hirten von Betlehem und nicht die Könige und Oberen der jüdischen Religion. Und im Magnificat singt Maria von der Erniedrigung der Mächtigen und der Erhöhung der Niedrigen. Jesu Gleichnis, oder besser seine Parabel, ist in dieser Reihe zu lesen.

Eine Anweisung an die frühen christlichen Gemeinden

Das verkündete Evangelium ist keinesfalls nur ein Ausblick, wie es dann einmal zukünftig und im Himmelreich sein wird. Es wurde bereits bei seiner Entstehung als konkrete Mahnung für die christlichen Gemeinden geschrieben, wie sie miteinander umgehen sollten. Es gibt Historiker, die uns darauf hinweisen, dass sich das Christentum im römischen Reich gerade deshalb durchsetzen konnte, weil es eine Religion für alle war und in ihr Standesunterschiede nachrangig waren. Dass die ersten Gemeinden selbst in der Gefahr standen, dies zu vergessen oder sich um die Ehrenplätze zu streiten, mag uns trösten, wenn wir sehen, was sich heute an manchen Orten in der Kirche abspielt. Es gehört zum Besonderen des Christlichen, dass es sich um die Armen und Benachteiligten kümmert und sich für sie einsetzt. Wo diese Dimension fehlt, fehlt ein Grundzug christlicher Botschaft.

Was schützt uns vor Hochmut?

Zum Schluss bleibt die Frage: Was ist im Sinne Jesu zu tun, dass Ehre und Ruhm und die damit verbundenen Vorteile nicht zu einer falschen Haltung führen?

Zum einen tun wir als Christinnen und Christen gut daran, uns immer wieder zu erinnern, dass wir vor Gott alle gleich sind und dass unsere unvergängliche Ehre ihre Quelle allein in Gott hat.

Um dies zu erleben, braucht es Anlässe und Formen, in welchen auf besondere Ehren bewusst verzichtet wird. Menschen in besonderen Positionen können hier Zeichen setzten, indem sie bei gegebenem Anlass ihren Ehrenplatz verlassen oder mit Hand anlegen, sich unters Volk mischen und Ähnliches. Papst Franziskus ist dies nach seinem Amtsantritt bei der Wahl seiner Wohnung mehr als eindrücklich gelungen. Gerade für die christliche Gemeinde und den Umgang untereinander sollte deutlich werden, dass »bei uns« andere Gesetze gelten. Jesus wird nicht müde, die »Kämpfe um die Ehrenplätze« in den eigenen Reihen zurückzuweisen. Immer wieder weist er diese menschlich verständlichen Regungen zurecht und erinnert uns, dass es zuerst um das Reich Gottes geht. Fragen, wie zum Beispiel, wer neben ihm im Himmelreich sitzen darf, sind dabei nebensächlich.

Zum anderen können wir als Christinnen und Christen unsere Ehre darin sehen, den religiös und gesellschaftlich Ehrlosen Würde und Ansehen zu verschaffen. Damit wären wir wieder bei der einfachen Frau des Anfangs: Ihr sollte nicht länger gepredigt werden, dass sie sich klein zu machen hat, sondern sie könnte erfahren, dass sie von den Mächtigen und Hohen angesehen und geehrt wird. Irenäus von Lyon hat den Satz geprägt: »Die Ehre Gottes ist der lebendige Mensch.« Da, wo wir uns dafür einsetzen, dass alle Menschen lebendig werden können, gerade die Schwachen und Schwerbelasteten unserer Zeit, werden Ehrenplätze keine Rolle mehr spielen.

Fürbitten


Gott, bei dir ist die Quelle des Lebens. Deine Ehre ist der lebendige Mensch. Vertrauensvoll bitten wir dich:

- Wir beten für alle Menschen, die in Kirche, Politik und Gesellschaft wichtige Funktionen und Positionen haben: Lass sie ihre Macht und ihre Privilegien zum Wohl der Menschen einsetzen.
- Wir beten für alle Menschen, denen ihre Ehre genommen wurde und welche ihre Würde verloren haben: Gib du ihnen Ansehen und das Gefühl, wertvoll und geliebt zu sein.
- Wir beten für uns persönlich: Lass uns begreifen, was es heißt, dass du allein uns Ehre schenkst, und hilf, dass wir uns zuerst und mit ganzer Kraft für das Reich Gottes einsetzen.
- Wir beten für die Kirche: Schenke ihr deinen Geist, aus welchem sie sich den Armen, Ausgegrenzten und Verachteten unserer Zeit zuwenden kann.

Gott, aus Liebe wendest du dich uns zu. Besonders sichtbar ist diese Zuwendung in der Nähe Jesu zu den Menschen am Rande geworden. Seinem Beispiel folgen wir. Schenke uns dazu den Mut und die Kraft durch Christus, unseren Bruder und Herrn.
Amen.


Birgit Bronner

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