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»Dienst am Wort«
Herausgeber
Leseprobe 3
19. Sonntag im Jahreskreis
Wie handelt Gott in unserer konkreten Geschichte?
Lesejahr C
Beitrag zur Lesung

Einführung


Wenn wir uns zur Feier der Eucharistie treffen, fühlen wir uns auch verbunden mit unseren älteren Geschwistern im Glauben, den Juden. In der Lesung hören wir von deren Urerfahrung der Befreiung durch Gott, vom Auszug aus Ägypten. Die Sehnsucht nach Befreiung ist auch 2000 Jahre, nachdem der heutige Lesungstext geschrieben wurde, ein großes Thema. Feiern wir diesen Gottesdienst als Erinnerung an Leben, Tod und Auferstehung Jesu Christi, seine große Befreiungstat.

Vorüberlegungen

Zum Text: Weish 19,6–9 (1. Lesung)

Der Lesungstext erinnert an die Nacht vor der Befreiung der Israeliten aus der Knechtschaft in Ägypten. Diese Geschichte, so wichtig sie als Teil der Heilsgeschichte Gottes mit uns Menschen ist, geht vermutlich den heutigen Zuhörenden nicht sehr nahe. Auch dürften die Mitfeiernden des Gottesdienstes keine Gotteserfahrung mitbringen, in der sie von Feinden befreit wurden und gleichzeitig diese Feinde von Gott vernichtet wurden. Die Gottesbilder haben sich seit 2000 Jahren erheblich geändert. Gleichwohl aber dürfte es für die Zuhörer eine wichtige und naheliegende Frage sein, ob und wie Gott in diese Welt eingreift. Ob er etwas mit der Pandemie zu tun hat oder wie Gott der Bösartigkeit von Menschen gegenübersteht. Solche Fragen stehen im Zentrum meiner Predigt. Die Antwort findet sich für uns weniger in der Exodusgeschichte als vielmehr in der Inkarnation Gottes, der sich in menschlicher Gestalt uns zugewandt hat.

Predigt

Das befreiende Handeln Gottes und die Geschichte des Volkes gehören zusammen

Der Lesungstext aus dem Buch der Weisheit stammt aus dem Jahrhundert vor Christi Geburt. Das Buch der Weisheit ist das jüngste der alttestamentlichen Bücher. Der Hinweis auf »die Nacht der Befreiung« am Beginn des Textes spielt auf die Nachtwache der Israeliten unmittelbar vor dem Auszug aus Ägypten an bzw. vor dem Pessach Fest. Das Buch Weisheit hat diese Befreiungstat Gottes für Israel im Blick, nämlich den Auszug aus Ägypten. Es ist die zentrale Befreiungsgeschichte der jüdischen Religion. Der Glaube der Israeliten war von der Grundüberzeugung getragen, dass Gott angesichts der Erfahrungen von Unterdrückung und Fremdbestimmtheit die Gerechten retten, die Ungerechten, Gottlosen und Unterdrücker jedoch bestrafen wird. Es wird erinnert an ein Handeln Gottes, das Rettung der Gerechten auf der einen Seite und Untergang der Feinde auf der anderen Seite bedeutete. Die Plagen an den Ägyptern werden den Wohltaten am Volk Gottes gegenübergestellt. Beides wird dem Handeln Gottes zugeschrieben. Die Geschichten vom Befreiungshandeln Gottes sind dem Weisheitsbuch besonders wichtig. Die Nacht der Befreiung wurde vorher angekündigt, damit sich das Volk vorbereiten und sich wachsam auf die Befreiung einstellen konnte. Die Vorbereitung bestand wohl vor allem darin, Gott Opfer darzubringen, sein Gesetz zu halten und ihn zu lobpreisen. Soweit die Botschaft des Weisheitsbuches, wie sie vermutlich von den Zuhörern damals gehört wurde.

Wo und wie greift Gott heute ein?

Was löst die Erinnerung an die Befreiungstat Gottes bei uns aus ungefähr 2000 Jahre später? Welche Vorstellung von einem Eingreifen in die menschliche Geschichte haben wir? Steht etwa sein Eingreifen unmittelbar bevor so wie damals bei den Israeliten? Was haben wir zu erwarten? Auf welches Heilswirken Gottes bereiten wir uns vor? Welche Befreiung erwarten wir von Gott?

Zunächst ist einfach festzustellen, dass das alttestamentliche Volk seine politische und menschliche Geschichte ganz eng mit dem Handeln Gottes verknüpfte. Gott befreite sie von den Unterdrückern. Er sorgte dafür, dass die Feinde vernichtet wurden. Er garantierte sozusagen das Wohlergehen und das Überleben des Volkes. Wir können das bewundernd und vielleicht auch etwas traurig zur Kenntnis nehmen. Traurig, weil uns diese enge Verknüpfung zwischen dem heilsamen Wirken Gottes und unserer alltäglich erlebbaren Geschichte abhandengekommen ist. Man könnte fast neidisch werden, wenn man liest, dass das Volk von Gott die Befreiung erwarten konnte und gleichzeitig die Vernichtung der Feinde. Wo ist für uns die Verbindung zwischen den Heils-Zusagen Gottes und den konkreten Vorgängen unserer Geschichte? Um einige Beispiele zu nennen: Wo ist der Zusammenhang zwischen unserem Gottesglauben und der befürchteten Klimakatastrophe? Was hat Gott mit der Corona-Pandemie zu tun? Was erwarten wir von Gott angesichts verheerender Kriege, besonders dem in der Ukraine? Gibt es so etwas wie eidliche Zusagen Gottes, von denen das Buch der Weisheit spricht? Manchmal habe ich die Befürchtung, dass uns die Erwartung an ein Wirken Gottes überhaupt abhandenkam. Zumindest können wir nicht mehr so von Gott reden wie der Schreiber des Weisheitsbuches. Die Vorstellung eines konkret eingreifenden Gottes, der befreit und die Feinde vernichtet, scheint in der Gegenwart keinen Platz mehr zu haben.

Jesus Christus ist die Antwort

Die Antwort auf all diese Fragen liegt bei einem, von dem der Schreiber des Weisheitsbuches noch nichts wusste, bestenfalls etwas ahnte. Jesus Christus als der Mensch gewordene Gott scheint mir die plausible Antwort zu sein auf die Frage nach dem Eingreifen Gottes in der Welt. Indem Gott Mensch wurde, hat er sich uns Menschen zugewandt und damit konkret in die Welt eingegriffen. In dem Menschen Jesus wandte sich Gott denen zu, die Befreiung am meisten brauchen, den Kleinen, Schwachen, den Unterdrückten und Rechtlosen, den Armen. Und mit dem Menschen Jesus Christus fing das an, was die Bibel Reich Gottes oder Gottesherrschaft nennt. Damit begann die Veränderung der Welt, die Gott selbst vollenden wird. Das ist seine Zusage, auf die wir eine Hoffnung gründen weit über unsere begrenzten Möglichkeiten hinaus. Wir sind in der Nachfolge dieses Jesus aufgefordert, schon jetzt nach unseren Möglichkeiten zur Veränderung beizutragen.

Fürbitten
Zu dir, Gott, dem Befreier des Volkes Israel und dem Vater Jesu Christi, rufen wir heute stellvertretend für alle Menschen, die sich nach Befreiung sehnen:

– Wir denken an Unzählige, die unter Hunger und Armut leiden. Aus der Tiefe rufen wir zu dir: (Herr, erhöre unsere Klage.)
– Wir denken an die Opfer zahlreicher Kriege, die derzeit auf unserer Erde wüten. Aus der Tiefe rufen wir zu dir:
– Wir denken an Menschen, die von anderen ausgenutzt und ausgebeutet werden. Aus der Tiefe rufen wir zu dir:
– Wir denken an die Millionen, die auf der Flucht sind vor Gewalt oder auch vor klimatischer Veränderung, die ihnen das tägliche Brot raubt. Aus der Tiefe rufen wir zu dir:
– Wir denken an die, die sich nach Befreiung von inneren Zwängen sehnen. Aus der Tiefe rufen wir zu dir:

Herr, unser Gott, wir hoffen auf dich, weil du ein Gott der Liebe bist. Amen.

Josef Birk

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