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Die Inhalte
der Zeitschrift
»Dienst am Wort«
Herausgeber
Leseprobe 3
Dritter Sonntag im Jahreskreis
Jesu Antrittsrede – leere Worte?
Lesejahr C
Beitrag zum Evangelium

Einführung


Wir gehen in eine neue Woche und beginnen sie mit der Feier der Eucharistie. Wir tun es bewusst und wir tun es im Glauben, dass uns am Tisch des Herrn Gemeinschaft und am Tisch des Wortes Orientierung geschenkt werden. Wir wollen hinter uns lassen, was uns in der letzten Woche weniger gut gelungen ist, und ausschauen und hören auf den, der uns eine heilvolle Zukunft verheißt. Ihn, Christus den Herrn, begrüßen wir in unserer Mitte.

Kyrie-Ruf
GL 155 »Kyrie, eleison«

Tagesgebet
Gütiger Gott,
du liebst uns Menschen. In deinem Sohn Jesus Christus schenkst du uns dein Heil. Sieh unsere Hoffnung und Sehnsucht, unsere Mühen und Anstrengungen und erneuere unser Herz, damit wir offen und dankbar dein Wort vernehmen und gestärkt durch dein heiliges Mahl zum Segen für unsere Nächsten werden.
Darum bitten wir durch Jesus Christus.

Liedvorschläge
Gesang zur Eröffnung
GL 84 »Morgenglanz der Ewigkeit«
Antwortgesang mit Ruf vor dem Evangelium
GL 365 »Meine Hoffnung und meine Freude« und
GL 175/2 »Halleluja«
Gesang zur Gabenbereitung
GL 188 »Nimm, o Gott, die Gaben, die wir bringen«
Gesang zur Kommunion
GL 474 »Wenn wir das Leben teilen«
Dankhymnus/Schlusslied
GL 405 »Nun danket alle Gott«

Vorüberlegungen

Zum Text: Lk 1,1–4; 4,14–21 (Evangelium)

Die Frage nach der Nähe des Reiches Gottes ist eine der schwierigsten Fragen des Neuen Testaments. In der Theologie gibt es diesbezüglich keine einheitliche Antwort. Dass das Reich Gottes, das alle Schöpfung umfassende Heil, noch nicht da ist, ist offenkundig. Was aber ist dann mit Jesu Kommen schon angebrochen? Nicht selten wird bei der Dialektik von »schon jetzt« und »noch nicht« Zuflucht gesucht, doch sie verfängt nicht, sondern verschleiert das Problem lediglich. Sie wird der Reich-Gottes-Thematik v. a. dann nicht gerecht, wenn ihr ein quantitatives Denken zugrunde gelegt wird, so als ob das Reich Gottes anfanghaft präsent sei und in der Zukunft vollendet werden würde. Proklamiert Jesus ein lediglich mangelhaftes, fragmentarisches, anfängliches Dasein des Reiches Gottes? Dürfen wir das »Jetzt schon« und »Noch nicht« überhaupt innerweltlich denken, also chronologisch, angesiedelt auf ein und derselben Zeitlinie? Handelt es sich bei der Vollgestalt des Reiches Gottes nicht um eine rein transzendente Größe, die nicht verzeitlicht werden darf?

In der Predigt werden solch schwierigen theologischen Fragen nicht thematisiert. Sie stehen aber im Hintergrund, wenn am Ende auf die Messiaserwartung von uns Christen angespielt wird. Sie verbindet uns mit den Juden und diesbezüglich haben wir ihnen nichts voraus.

Predigt

Was wir von Versprechungen halten


Wie viele Regierungsprogramme haben wir im Laufe der Zeit nicht schon gehört, wie viele Wahlkämpfe nicht schon miterlebt! Unterschiedliche Parteien treten gegeneinander an und versprechen uns eine bessere, gar goldene Zukunft. Unsere Erfahrung aber lehrt uns, dass so manches Wahlversprechen nicht allzu wörtlich genommen werden darf. Nach der Wahl sieht nicht selten manches anders aus. Nicht viel anders verhält es sich mit Regierungserklärungen. Ihnen liegen sicherlich gute Absichten zugrunde, doch ihre Umsetzung gelingt oftmals nur bedingt. Die Gründe mögen vielfältig sein. Wer kann schon all die zukünftigen Veränderungen und Herausforderungen vorhersehen? Wer neigt nicht dazu, seine Fähigkeiten und Möglichkeiten zu überschätzen? Und wer unterschätzt nicht immer wieder die listigen Anfeindungen und Offensiven seiner Gegner?

Jesu »Regierungserklärung«

»Der Herr hat mich gesandt, damit ich den Armen eine gute Nachricht bringe, damit ich den Gefangenen die Entlassung verkünde und den Blinden das Augenlicht, damit ich die Zerschlagenen in Freiheit setze und ein Gnadenjahr des Herrn ausrufe.«

Jesus liest in der Synagoge von Nazaret eine Stelle aus dem Buch des Propheten Jesaja vor. An sich nichts Aufregendes. Wie oft hören wir Abschnitte aus der Heiligen Schrift, ohne dass sie uns in helle Aufruhr versetzen. Womöglich erging es den Juden in der Synagoge von Nazaret nicht viel anders. Und doch erlebten sie etwas gänzlich Neues, nämlich die Art, wie Jesus diese Stelle kommentierte: »Heute hat sich das Schriftwort, das ihr eben gehört habt, erfüllt.« Das klingt wie eine Regierungserklärung. Sie steht am Anfang des öffentlichen Wirkens Jesu. Jesus, der in Nazaret alles andere als ein Fremder ist, spricht vom Dasein des Heils, ja, er spricht geradezu von paradiesischen Zuständen. Mehr noch: Er verknüpft diese Ansage mit seiner eigenen Person. Der Grund, dass sich jetzt die Zeit ändert und das verheißene Heil anbricht, ist er selbst; er ist es, der beansprucht, die Heilsprophetie des Jesaja-Buchs im Jetzt und Heute Wirklichkeit werden zu lassen.

Zuspruch in verfahrener Situation

Wovon handelt eigentlich die von Jesus vorgetragene Textstelle? Das Buch, aus dem Jesus vorliest, wird zwar dem Propheten Jesaja zugeschrieben, es geht aber nicht allein auf ihn zurück. Unser Textausschnitt ist nach der Zeit des Exils entstanden. Die Israeliten waren aus der babylonischen Gefangenschaft wieder in ihr Heimatland zurückgekehrt. Die ersehnte Heimkehr nach Israel und in ihre Stadt Jerusalem war ein großes Ereignis, mit dem sich Hoffnungen, Erwartungen, Vorfreude und Wünsche verbanden. Doch bald schon folgte die Enttäuschung, denn die ersten Jahre nach dem Exil waren hart. Ernüchterung stellte sich ein, denn der Wiederaufbau ging nur schleppend voran. Auch die Wiedererrichtung des israelitischen Tempels erwies sich als ein mühseliges Unterfangen, zumal nur recht bescheidene Mittel zur Verfügung standen.

In diese Situation hinein sind die Worte, die Jesus in seiner Heimatsynagoge vorlas, einst gesprochen worden. Es sind Mut machende Worte. Sie wollen trösten, aufrichten und Zuversicht verbreiten. Es gibt keinen Grund zur Resignation, denn so wie Gott einst das Volk aus dem ägyptischen Sklavenhaus herausgeführt und aus der babylonischen Unterdrückung befreit hat, wird er auch jetzt sein Volk nicht im Stich lassen. Die Mühsal wird ein Ende finden und einer Zeit des Heils weichen. Und so wird den Mühseligen und Beladenen, den Armen und Geschundenen Glück und Wohlergehen verheißen. Die Zeiten werden sich ändern, es werden bessere Zeiten anbrechen, denn Gott ist treu. Eine gnadenvolle Zeit wird kommen und ein Jahr des Heils anbrechen.

Jesu Vollmachtsanspruch Diese jahrhundertealte Heilsprophetie bezieht Jesus nun auf sich selbst. Aus der alttestamentlichen Schriftlesung wird so gleichsam eine öffentliche Antrittsrede und aus den Heilsworten das Programm seines öffentlichen Wirkens. Er nimmt für sich in Anspruch, die frohe Botschaft, wie sie vor langer Zeit verheißen wurde, jetzt, heute, in die Tat umzusetzen. »Heute hat sich das Schriftwort, das ihr eben gehört habt, erfüllt.«

Das ist eine Regierungserklärung der besonderen Art. Es werden keine Absichten kundgetan, keine Vorsätze gefasst und keine Projekte angekündigt, kein »ich plane«, »ich beabsichtige« oder »ich erwäge« ist zu vernehmen, sondern eine beinahe unfassbare Feststellung wird getroffen: »Heute hat sich die Heilsprophetie erfüllt.« Anstelle einer Willenserklärung folgt eine unerhörte Behauptung: »Die Zeit des Heils ist da, weil ich da bin.«

Im Kommentar Jesu kommt ein Selbstbewusstsein zum Ausdruck, wie es bei den alttestamentlichen Propheten nicht zu finden ist. Jesus versteht sich nicht als ein Bote Gottes, sondern als Gott-in-Person. Darum sagt er auch nicht: »So spricht der Herr«, sondern: »Ich aber sage euch« – »Ich will, sei rein« – »Ich bin gekommen« – »Ich sende euch« – »Ich sage dir, steh auf« – »Lazarus, komm heraus«. Auch das »Amen«, das sonst als Bestätigung der Rede eines anderen dient, gebraucht Jesus als Einleitung für sein eigenes Wort: »Amen ... ich sage euch«. Der Anspruch, den Jesus erhebt, nämlich mit göttlicher Vollmacht zu handeln, war so eindeutig, dass er niemandem entging – selbst seinen Gegnern nicht. Die einen waren davon angetan und erstaunt: »Hier wird mit Vollmacht eine ganz neue Lehre verkündet«, die anderen empörten sich und fanden es anmaßend: »Dieser lästert Gott.«

Ausstehen der Heilsfülle


Wird im Jetzt und Heute eine Heilswende ausgerufen, Hoffnung nicht nur auf Zukunft hin geweckt, sondern den Lahmen das Gehen, den Blinden das Sehen und den Tauben das Hören zugesprochen, kann das niemanden gleichgültig lassen. Man muss sich positionieren. Das Programm Jesu polarisiert und die Evangelien beschönigen das nicht. Nächsten Sonntag werden wir hören, wie sich die Leute in der Synagoge von Nazaret empören und in Wut geraten. Mit seinem Programm stieß Jesus nicht nur auf Zustimmung; wahrscheinlich blieb die umherziehende Jesusschar sogar überschaubar klein. Vielen galt der Anspruch Jesu als überzogen und nicht wenige empfanden seine Worte als leer.

Aber ging Jesus nicht unbeirrt, entschlossen und machtvoll seinen Weg? Ging er nicht auf die zehn Aussätzigen zu? Hat er nicht die blutflüssige Frau geheilt und dem blinden Bartimäus das Augenlicht wiedergeschenkt? Hat er nicht der Ehebrecherin eine zweite Chance gewährt, dem Gelähmten die Vergebung der Sünden zugesagt, die Tochter des Jaïrus und Lazarus wieder zum Leben erweckt? Sollte den Gegnern Jesu all dies entgangen sein? Wohl kaum, aber das Heil in seiner ganzen Fülle lässt auf sich warten.

Wir glauben an Jesus als den Heiland und Heilsbringer, wir erkennen in ihm den Kyrios, den Herrn, den Sohn Gottes und doch ist uns bewusst, dass das vollendete Heil noch nicht da ist und erst mit dem Wiederkommen Christi offenbar werden wird. Darum bitten wir um das Kommen von Gottes Reich und schließen uns dem Ruf an, mit dem unsere Bibel endet: »Maranata!« – »Komm, Herr Jesus!«

Fürbitten
Angesichts des Leids und Elends in unserer Welt rufen wir zu Christus, der unser Heil und unsere Hoffnung ist:

- Für jene aus unserer Gemeinde, die ihren Glauben überzeugend zu leben versuchen, und für alle, die trotz Fragen und Anfechtungen an dir festhalten möchten.
(GL 181/2 »Christus, erhöre uns«)
- Für jene in unserem Land, die sich für den Frieden und die Würde eines jeden Menschen einsetzen, und für die, die ihre Stimme erheben gegen jede Form von Fremdenfeindlichkeit.
- Für die Menschen in unserer Stadt/unserem Dorf, die enttäuscht und verletzt sind und an ihrem Leben zu verzweifeln drohen.
- Für jene aus unserem Umkreis, die es gut mit uns meinen, die uns immer wieder Mut zusprechen, zu uns halten und denen wir Vieles verdanken.
- Für unsere Verstorbenen, die ihr Leben dir anvertraut und an deine Heilsverheißung geglaubt haben.

Herr Jesus Christus, du hast Blinde sehend, Lahme gehend und Erstarrte lebendig gemacht. Auf deine Heilszusage bauen wir, heute und alle Tage unseres Lebens. Amen.

Christoph Böttigheimer

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