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»Dienst am Wort«
Herausgeber
Leseprobe 2
Dritter Sonntag der Osterzeit
Wer ehrlich zu seinen Sünden steht, hat einen großartigen Fürsprecher
Lesejahr B
Beitrag zur Lesung

Einführung

Unser Herr Jesus Christus, der zu dieser Feier einlädt, heißt Sie willkommen mit allem, was Sie aus der vergangenen Woche mitbringen: Freudvolles, Leidvolles, Gelungenes, aber auch Fehler und Schwächen. Mit allen hellen und dunklen Seiten sind wir hier willkommen. Im Lesungstext sind vor allem die dunklen, sündhaften Seiten angesprochen, die wir nicht zu verdrängen brauchen. Rufen wir den Herrn, der zugleich unser Fürsprecher beim Vater ist, um sein Erbarmen.

Vorüberlegungen


Zum Text: 1 Joh 2,1–5a (2. Lesung)


Im Zentrum der Predigt sollen die zwei Begriffe »Sünde« und »Sühne« stehen. Ich konzentriere mich auf diese zwei Wörter, weil sie meiner Meinung nach viel zu selten Gegenstand der Verkündigung und außerdem schwer verständlich sind. Das trifft vor allem auf den Begriff »Sühne« zu, der in unserem Verständnis in erster Linie mit Strafe in Verbindung gebracht wird, was am biblischen Verständnis vollkommen vorbeigeht, zumindest aber missverständlich ist. Hintergrund für die in der Predigt gebrauchte Definition des Begriffs »Sühne« ist das Buch »Abschied vom Opfertod. Das Christentum neu denken« von Meinrad Limbeck, Grünewaldverlag, Ostfildern 4/2013.

Predigt

Sünde: ein verkommenes Wort

Wann haben Sie zum letzten Mal das Wort Sünde benutzt oder von anderen gehört? Es ist ein eher seltenes Wort, das altertümlich und verstaubt daherkommt. Wenn überhaupt, wird es ernsthaft im Zusammenhang mit Umwelt benutzt. Da wird von Umweltsünden oder Umweltsündern gesprochen. Oder im Zusammenhang mit Essen, wo man bisweilen davon redet, dass man »gesündigt« hat, wenn man z. B. zu viele Süßigkeiten gegessen hat. Ansonsten finden wir das Wort noch in ironisch-humorvollen Zusammenhängen im Sinne von »Wir sind alle kleine Sünderlein«. Darüber hinaus kommt es im religiös-kirchlichen Bereich eher selten vor, in unserer säkularen Umgebung sowieso nicht. Das hat viele Gründe. Einer liegt sicher darin, dass die Gläubigen sich aus der alten neurotischen Sündenkultur befreit haben, in der man sich in erster Linie als Sünder und erst nachrangig als geliebtes Kind Gottes sah. Auch gibt es Gott sei Dank den engen Zusammenhang nicht mehr zwischen Sündenregister, moralischem Normenkatalog und Beichtpraxis. Vielleicht ist die Vorsicht, von Sünden zu sprechen, auch darin begründet, dass man den Begriff viel zu lange dazu missbrauchte, den Menschen ein schlechtes Gewissen zu machen.

Zu seinen Sünden stehen ist Teil der Würde eines Christen


Nun mutet uns die heutige Lesung aus dem ersten Johannesbrief dieses Wort Sünde wieder einmal zu, indem er gleichzeitig betont, dass Christus die Sühne für unsere Sünden, ja, sogar für die Sünden der ganzen Welt ist. Der erste Johannesbrief, der gegen Ende des ersten Jahrhunderts nach Christus geschrieben wurde, wendet sich an Gemeinden, in denen offensichtlich manche Mitglieder behaupten, völlig ohne Sünde zu leben. Wer das behauptet, so der Verfasser, geht in die Irre. Der Brief geht davon aus, dass auch Christen sündigen. Sünde meint eine Verfehlung gegen die Weisungen des Herrn. Und diese Weisungen gipfeln bekanntlich in der Liebe zu Gott und zum Nächsten. Sünde meint also ein Verhalten, das die Beziehung zu Gott und zum andern stört oder gar zerstört.

Nun gibt es unter uns wahrscheinlich niemanden, der behauptet, dass Christen ganz ohne Sünden sind oder sein sollen. Viel häufiger scheint mir eine Haltung zu sein, die Sünde und Schuld verharmlost im Sinne von: »Wir sind halt allemal kleine oder größere Sünder.« Sünden fangen nach diesem verharmlosenden Verständnis erst bei Kapitalverbrechen an, wenn man zum Beispiel jemanden umgebracht hat. Ein ehrlicher Umgang mit Sünde und Schuld stellt sich dem Fehlverhalten auch im alltäglichen Bereich und verharmlost es nicht. Wer seine Fehler abtut, verharmlost oder verdrängt, der nimmt sich selbst nicht ernst. Ein ehrlicher Umgang mit Sünde und Schuld macht uns nicht klein, ohnmächtig, freudlos oder gar depressiv, wie es häufig genug in der Vergangenheit war. Fehlverhalten vor sich selbst und anderen gegenüber einzugestehen, trägt nicht zur Erniedrigung bei, sondern gehört zu unserer Würde als Mensch. Wer sich seinen Fehlern, seinen selbstverschuldeten Brüchen und seinen Unzulänglichkeiten stellt, wird dadurch fähig zur Umkehr. Zu unserer Größe als Mensch gehört nicht, ohne Verfehlungen durchs Leben zu gehen, sondern aufrecht zu Verfehlungen zu stehen und der Einsicht in unser Fehlverhalten nicht auszuweichen. Nur dann ist ein menschenwürdiger Umgang mit Sünde und Schuld möglich.

Sünder haben einen großartigen Fürsprecher an ihrer Seite

Der Johannesbrief will uns diesen ehrlichen Umgang mit Sünde erleichtern, indem er uns in Aussicht stellt: Ihr braucht euch mit euren Sünden nicht zu verstecken. Ihr könnt erhobenen Hauptes dazu stehen; denn ihr habt einen Fürsprecher bei Gott, keinen geringeren als Jesus Christus. Er hat die Konsequenzen von menschlichem Fehlverhalten bis ins Extreme durchlitten. Der entscheidende Satz aus dem Petrusbrief lautet: Er ist die Sühne für unsere Sünden, aber nicht nur für unsere Sünden, sondern auch für die ganze Welt. Das Wort Sühne ist nicht gerade Teil unserer Alltagssprache, inzwischen eher ein Fremdwort. Dabei geht es biblisch gesehen nicht um Strafen für unsere Sünden. Es geht vielmehr darum, dass wir die verheerenden Folgen, die sündhaftes Verhalten mit sich bringt, nicht mehr bis ins letzte ausbaden müssen. Wovor der Sünder sich fürchten muss, ist aus biblischer Sicht nicht die Strafe Gottes. Fürchten muss er sich vielmehr vor den heillosen und manchmal weitreichenden Folgen seines Tuns. Sühne meint hier: Der Sohn Gottes hat mit seinem gesamten Wirken, mit seinem Leben, Leiden und Sterben die heillosen Folgen von menschlichem Fehlverhalten erfahren und auf sich genommen. Das ist mit dem biblischen Wort von der Sühne für unsere Sünden gemeint.

Ziel: Befreiung von den unheilvollen Folgen der Sünden

Seither ist eindeutig geklärt: Gott ist nicht der unerbittliche strafende Richter, sondern der Vater, der sich um den Sünder sorgt. Dieses Bild von Gott, der den umkehrenden Sünder bedingungslos annimmt, kennen wir ja aus dem wunderbaren Gleichnis vom barmherzigen Vater. So wie der verlorene Sohn bei seiner Umkehr von den Folgen seines Handelns befreit wurde, so gilt das genauso für uns. Dieses Bild von Gott als barmherzigen Vater hat der Johannesbrief als Hintergrund, wenn er uns dazu auffordert, ehrlich und mit erhobenem Haupt mit den unfertigen und fehlerhaften Seiten unseres Lebens umzugehen. Ziel eines christlichen Umgangs mit den Sünden ist nie die Bestrafung oder gar die Vernichtung des Sünders, sondern die Befreiung von den unheilvollen Konsequenzen seines Handelns.

Fürbitten
Herr Jesus Christus, unser Fürsprecher beim Vater, zu dir kommen wir mit unseren Bitten:

- Für alle, die nicht die Kraft haben, Fehler und Schwächen einzugestehen.
- Für alle, die die Folgen ihres Handelns nicht abschätzen können.
- Für alle, die unter der Uneinsichtigkeit ihrer Mitmenschen leiden.
- Für uns selber: um die Kraft, ehrlich mit unseren Fehlern und Schwächen umzugehen.
- Für alle, die unter den Folgen ihres Handelns leiden: Lass sie deine Barmherzigkeit spüren.

Herr Jesus Christus, du hast uns die Barmherzigkeit des Vaters offenbart. Dafür danken wir dir und preisen dich. Amen.

Josef Birk

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