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»Dienst am Wort«
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Leseprobe 3
Fünfter Sonntag im Jahreskreis
Vereinnahmt von Gott, frei den Glauben miteinander leben
Lesejahr B
Beitrag zur Lesung

Einführung


Wovon lassen wir uns vereinnahmen im beruflichen oder privaten Bereich? Was wirkt so stark auf uns, dass wir alles drangeben und sogar manches aufgeben, um genau da den Kern der Sache zu erreichen? Paulus lässt sich die Frage gefallen, was ihn am Evangelium so gefangen nimmt, dass er nichts mehr haben will als die Möglichkeit, Menschen an das nahe heranzubringen, was ihn zum Leben mit Christus gebracht hat.

Predigt

Zum Text: 1 Kor 9,16–19.22–23 (2. Lesung)

Entlohnung und Wertschätzung ade? Haben Sie heute die Schlagzeilen im Online-Ticker gelesen: Synodaler Weg begrüßt den Wegfall der Kirchensteuer, um wieder evangeliumsgemäß verkünden zu können. Großes Umschulungsprogramm für Hauptberufliche geplant. ZdK ruft alle in der Kirche engagierten Menschen auf, auf Anerkennung und Wertschätzung zu verzichten. [Kurze Stille] So eine Schlagzeile passte wunderbar zur heutigen Lesung – oder zweifeln Sie an der Verwirklichung? [kurze Stille]

Wenn eine solche Nachricht in den Alltag platzen würde, würde ich sehr ambivalent damit umgehen. Als Beschäftigte/r bei der Kirche wäre es irgendwie irritierend und Existenzängste würden sich wohl aufdrängen, wie es denn nun weitergehen soll. Als freiwillig Engagierte(r) würde ich wahrscheinlich Wut in mir spüren, weil es mit der Wertschätzungskultur in der Kirche ja längst noch nicht zum Besten bestellt ist.

Diese Gefühle brächten mich sicher dem Empfinden der Christen im antiken Korinth näher, die sich mit den Aussagen des Paulus konfrontiert sahen. Wie kann das gehen, dass einer für den Glauben arbeitet, aber wie viele andere Lohn schroff zurückweist? Kann man dem trauen, dass einer nicht doch eigennützige verborgene Interessen verfolgt?

Kann so ein radikaler Weg, wie ihn Paulus aufzeigt, überhaupt richtig sein? Wer seine Aufgaben gut und professionell macht, der hat den angemessenen Lohn, Anerkennung und Wertschätzung verdient. Und wenige Verse vorher gesteht Paulus ja grundsätzlich auch ein, dass es so ist. Geht es bei dieser Position nur um etwas, was diesen Apostel betrifft? Müssen wir das etwa gar nicht auf uns übertragen, was er sagt, weil es doch um apostolisches Wirken geht?

Evangeliums begründet frei und anders handeln

Wäre es so, könnte ich einfach hier enden. Vielleicht könnten wir uns wieder beruhigt dem Verlauf unseres Glaubens zuwenden, wie er so normal vor sich geht. Ich will es mir aber nicht zu einfach machen. Deshalb frage ich nach bei Paulus, warum er so anders handelt. Der Grund seiner schroff platzierten Antwort auf die korinthische Gemeinde dürfte in einer grundsätzlicheren Wahrnehmung des Evangeliums liegen. Dann bin ich als Christ(in) heute nicht mehr außen vorgelassen. Jetzt bin ich nicht nur eingeladen, sondern auch gefordert, mein Leben und Handeln aus dem Glauben zu befragen.

Paulus nennt Gründe für sein andersartiges Verhalten. Worte wie Zwang, Wehe, Sklavendienst tauchen auf und irritieren mich. Macht Glaube, macht das Evangelium etwa unfrei, werde ich dazu gezwungen? Steht das nicht im Widerspruch dazu, dass Paulus an anderer Stelle sagt, dass wir frei sind durch das Evangelium und den Glauben an den auferstandenen Herrn Jesus Christus? Durch Christus ist eine Beziehung der Freiheit erst möglich geworden. Wir sind befreit. Befreit zu einem Andershandeln, wie wir es nicht gewohnt sind. Diese Beziehung zu Gott führt mich nicht zur Beliebigkeit und nicht zum Glauben nach Lust und Laune und wie es gerade passt. In dieser Beziehung lasse ich mich sprichwörtlich gern gefangen nehmen und wie ein Sklave mich vom Herrn, von Jesus Christus leiten und schicken, wohin es notwendig ist. Wenn ich mich von Gott befreit erfahre, dann erlebe ich nicht nur die umfassende Freiheit: Ich lebe diese Freiheit, indem in meinem Leben und Glauben genau das wahrnehmbar zur Gestalt und sichtbar wird, was mein Leben jetzt bestimmt: Jesus Christus. ›Wovon bist du eingenommen, wovon lässt du dich begeistert gefangen nehmen?‹, müsste die Frage heißen. Bin ich vereinnahmt von den Zwängen dieser Welt, vom Ansehen, vom Mitmachen oder Mittreibenlassen bei dem, was ›man‹ so tut? Oder lasse ich mich total einnehmen vom befreienden Gott? In dieser befreiten Beziehung erlebe ich mehr und mehr, dass ich gar nicht mehr anders handeln und leben will, weil ich nun wirklich so frei bin. Aus dem Freisein durch Gott so frei den Glauben leben, dass nichts anderes denkbar ist – so, als ob es ein Zwang wäre.

Aus meiner Beziehung zu Gott leben heißt auch: Die befreiende und frohmachende Botschaft habe ich weder zu verantworten noch nach meinem Geschmack anzupassen. Die Botschaft des Evangeliums prägt mich durch und durch. Die frohe Botschaft durchformt mein Leben mit einer völligen anderen Beziehung zu Gott. Auf diese Weise lasse ich mich von Jesus Christus vereinnahmen. Mein Leben kann gar nicht mehr anders gestaltet werden als aus dem Geist des Evangeliums.

In der Beziehung zu anderen heißt das: Es ist nicht mein privates Glauben, weshalb andere Menschen daran Interesse finden sollten. Glauben verweist immer auf Gott selbst, darauf, was er aus dem Leben eines Menschen konkret werden und wachsen lässt. Deshalb bin auch nicht ich zu belohnen, wenn ich glaubend lebe. Glauben zu können aus der Beziehung zu Gott ist der Lohn. Auch dann, wenn ich mit anderen den Weg des Glaubens teile.

Angepasster Glaube? Eine geistliche Herausforderung


Aus dieser anderen Perspektive ergibt sich für Paulus noch eine besondere Verhaltensweise. Er wird den Schwachen ein Schwacher, um die Schwachen zu gewinnen. Paulus erinnert mit dem Stichwort an eine konkrete Situation in Korinth, in der religiös sehr sensible Menschen auf das Verhalten anderer Christen beim Essen von Opferfleisch irritiert reagieren. Jene korinthische Christen, die die Irritation auslösen, reagieren damit, die Sensiblen als schwach zu bezeichnen. Was Paulus anspricht, ist aber nicht auf den konkreten Fall zu reduzieren. Für mich wird eine grundlegende geistliche Haltung darin deutlich. Nicht das Evangelium wird an politische, wirtschaftliche oder gesellschaftliche Bedingungen angepasst, um es irritationslos und geschmeidig den Leuten zu verkaufen. Als Glaubender bin ich Zeuge des an mir sich wirksam erweisenden Evangeliums. Und ich bin darin ein Original, ganz ursprünglich auf meinen Ruf durch Gott geprägt und zum Leben des Glaubens begeistert. Jede und jeder andere Glaubende ist auf ihre und seine Weise ebenso ein Original des Evangeliums. Wenn ich wie Paulus ›allen alles werde‹, um jemand dafür zu gewinnen, sich vom Evangelium her sein Leben bestimmen zu lassen, dann nicht so, dass bloß Kopien entstehen.

Allen alles werden heißt in geistlicher Betrachtung: Ich gehe auf den anderen zu, suche empfindsam zu verstehen, was sein Leben bestimmt, und einfühlsam zu sein, wohin sein Streben, seine Sehnsucht gehen will. Ich gehe mit diesem Gott suchenden Menschen eine gemeinsame Wegstrecke des Lebens und Glaubens: Wo lässt sich die Andockstelle für das Evangelium entdecken? Welche Schritte sind für diese Person notwendig, damit sie die Zusage Gottes bejahen kann? Gemeinsam entdecken wir dabei, dass es die Geistkraft Gottes ist, die passgenau den Glauben wachsen lässt, aus dem Verheißung, Trost und Gewissheit das Leben für Gott einnehmen lassen.

Lohn und Anerkennung dafür, dass Glauben möglich wird, brauchen wir als lebendige Zeugen des Glaubens nicht voneinander. Im Glauben die befreiende Botschaft in meinen persönlichen Erfahrungen hautnah zu spüren, das ist mir schlechthin Ausdruck, dass ich durch Gott selbst wertgeschätzt bin.

Fürbitten
Herr, deine Botschaft macht uns frei, frei auch, auf die Nöte der anderen zu schauen und dich um Hilfe zu bitten:

- Für unsere Welt bitten wir: dass aus der Kraft des Evangeliums Versöhnung, Frieden und Gerechtigkeit wachsen können.
(GL 645/3 »Sende aus deinen Geist und das Antlitz der Erde wird neu«)
- Für uns Christen bitten wir: Hilf uns durch deinen Geist, dass wir nicht gefangen bleiben in unseren begrenzten Vorstellungen von dir und wie Glauben gehen kann.
- Für die sinnsuchenden Menschen bitten wir: dass sie Wegbegleiterinnen finden, die sich einfühlsam mit auf den Weg begeben, damit dein Geist in ihnen den Glauben gründen undvollenden kann.
- Für Kinder und Jugendliche bitten wir: dass sie sich nicht vereinnahmen lassen von extremistischen Gedanken.
- Für die verstorbenen Menschen bitten wir: dass du sie ganz annimmst mit deiner Güte und Barmherzigkeit.

Du, Herr, bist unsere Zuversicht, was sonst sollen wir hoffen. Dich loben und preisen wir für deine Zuwendung und Hilfe alle Tage unseres Lebens. Amen.

Christoph Schmitt

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