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»Dienst am Wort«
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Leseprobe 2
Pfingstsonntag
Der Geist wider die Angst
Lesejahr A – B – C
Beitrag zum Evangelium

Einführung


Pfingsten feiern wir: zwei Tage lang, weil nach fünfzig Tagen Osterzeit das Heilsgeschehen Gottes mit uns Menschen seinen Höhepunkt, seine Vollendung in der liturgischen Feier erreicht.
Jesus Christus sendet den Geist Gottes, den lebendigen Beistand für die Zeit der Kirche. Nach Tod und Auferstehung, nach Himmelfahrt und Geistsendung des Herrn trägt die Kirche die Gegenwart Gottes durch die Zeit: in der Verkündigung der frohen Botschaft, in der Feier der Sakramente und in der tätigen Liebe.
Unsere Kirche braucht dazu den Heiligen Geist, der sie zur Kirche macht; sie muss um den Heiligen Geist Gottes beten und auf ihn vertrauen, um Kirche zu sein und zu bleiben durch diese Zeit: mit dem Gottesgeist, dem Geist der Weisheit und Einsicht, dem Geist des Rates, der Stärke und der Erkenntnis, dem Geist der Frömmigkeit und der Gottesfurcht. Er ist uns verheißen! Wir preisen Gott dafür und bitten um seinen Geist für jeden und jede von uns und unsere ganze Kirche: Komm, Schöpfer Geist, mache uns neu und deine Kirche in der Zeit.

Kyrie-Ruf
Jesus Christus, du trittst in unsere Mitte.
Herr, erbarme dich.
Du sagst uns deinen Frieden zu.
Christus, erbarme dich.
Du schenkst uns deinen Geist.
Herr, erbarme dich.
Oder:
GL 165 »Send uns deines Geistes Kraft«

Tagesgebet

Gott, Schöpfer der Welt,
in deinem Heiligen Geist
bist du wie Sturm und Feuer
und verwandelst die Herzen der Menschen.
Wir bitten dich:
Komm auch zu uns. Vertreibe Zweifel und Angst.
Du bist die Kraft, die Grenzen überwindet
und Menschen zusammenführt.
Schenk uns Begeisterung,
mit der wir andere anstecken können
zu deinem Lob.
Darum bitten wir durch Jesus Christus.
(Vgl. Evangelischer Oberkirchenrat, Stuttgart (Hg.), Gottesdienstbuch für die Evangelische Landeskirche in Württemberg. Erster Teil: Predigtgottesdienst und Abendmahlsgottesdienst. Stuttgart 2004, 156)

Vorüberlegungen

Zum Text: Joh 20,19–23 (Evangelium)


»[…] als die Jünger aus Furcht […] bei verschlossenen Türen beisammen waren« (Joh 20,19). Befürchtungen, Sorgen, Beklemmung, Furcht, Angst: Vielleicht treffen keine anderen Begriffe vorder- oder hintergründig so sehr die Stimmungs- und Seelenlage unserer Tage. Und vielleicht sind auch die Antwortversuche unserer Zeit mit den verschlossenen Türen treffend umschrieben: sich abwenden, zumachen, abschließen, abschotten.
Die Ostererzählung des vierten Evangelisten zeigt die Angst der Jünger, durch die sie ohne Jesu geraten sind: »Die Sprache der Erzählung zeigt ›Angst und Verschlossenheit‹ an, sowie deren Überwindung durch den Auferstandenen. Auf der Ebene solcher Sprachsymbolik darf man formulieren: Mögen auch Angst und Verschlossenheit noch so groß sein, der Auferstandene hat die Fähigkeit, durch verschlossene Türen zu dringen […]. Auf diese Weise kommt der Auferstandene immer wieder in eine ›verschlossene Welt‹, um sie durch seine Wirksamkeit zu einer ›offenen Welt‹ zu machen.« (Blank, J., Das Evangelium nach Johannes. 3. Teil (= Geistliche Schriftlesung 4/3). Düsseldorf 1977, 176.)
Beides kann in der Pfingstpredigt aufgegriffen werden, die verbreitete Angst und Verschlossenheit wie die Öffnung der Welt gegen die »Heidenangst« durch die Osterbotschaft.

Predigt

Sie hatten sich alle an einem Ort zusammengefunden, …


die Jünger damals zu Pfingsten, und sie hatten aus Furcht oder Angst die Türen fest verriegelt.
Das kann man wohl von uns nicht sagen! Am Pfingsttag befinden sich heutige Jünger an verschiedensten Orten, schwärmen aus, die freien Tage zu nutzen und das schönere Wetter anderswo. Kurzurlaub oder Ausflug ist für viele angesagt. Von verriegelten Türen also keine Spur. Im Unterschied zu jenen Jüngerinnen und Jüngern damals sind wir Christen heute frei und unerschrocken. Vor wem sollten wir uns fürchten. Angst wie sie? Nein, das haben wir nicht!

Doch wenn ich mich selbst genauer anschaue, …


bin ich mir da nicht so sicher: Da fällt mir das ungute Gefühl ein vor anspruchsvollen Aufgaben: Werde ich den Erwartungen gewachsen sein? Die weichen Knie bei der Priesterweihe kommen mir wieder in den Sinn, der flaue Magen beim Antritt meiner ersten Stelle und auch meiner jetzigen Verantwortung. Ich denke an die Tränen der Angst und Sorge um vertraute Menschen und an die bange Frage nach der Zukunft meines Bruders im Rollstuhl. Ich spüre die Not an Krankenbetten und die unendlich lang werdenden bangen Minuten mit einem Sterbenden. Das Herzklopfen, die zugeschnürte Kehle, das alles ist ganz und gar nicht so fern.

Und damit bin ich sicher nicht allein

Unter der sichtbaren Oberfläche von Geselligkeit und Lachen verstecken sich nicht selten Unsicherheit, Ängstlichkeit, Heidenangst.
Was empfindet jener 50-Jährige, der sich zum dritten Mal bewerben und vorstellen muss? Was empfindet jene Frau, die sich bei einem Elternabend zum ersten Mal zu Wort meldet? Was empfindet jener Jugendliche, der zur Ausbildung von zuhause weg muss, in eine fremde Umgebung? Werde ich den Vorstellungen gerecht? Finde ich das rechte Wort? Werde ich zurechtkommen, Freunde finden? Und was verspüren seine Eltern? Wird unser Kind seinen Weg gehen? Ganz alltägliche Situationen und banges Fragen, Sorge, Angst.
Wo so viel von Freiheit und Ungebundenheit, von Karriere und Lebenslust geredet und gezeigt wird, da scheint unter der Decke umso mehr die Kehrseite zu bedrängen.
Angst, meine Schwachstellen zu zeigen, weil die Anforderungen so hoch sind; Angst, vor den anderen nicht bestehen, nicht mithalten zu können, ausgelacht zu werden, zu verlieren und das alles auch schon erlebt zu haben: Das sind Wurzeln für Mutlosigkeit und hängende Schultern und nicht selten auch für Alkohol und Tabletten und in Schulden führendes Über-seine-Verhältnisse-Leben. Und nicht zuletzt für steigende Patientenzahlen in unseren psychiatrischen Zentren.
Und wie geht es einer Frau oder einem Mann, bei deren Vorsorgeuntersuchung der schlimme Verdacht von Krebs aufkommt? Ängstliches Warten auf das Ergebnis, drückende Sorge um die Familie, vielleicht erschütternde Gewissheit und Todesangst.

Nein, Angsthasen sind wir alle nicht, …


… solche Angst ist echt und nicht als bloße Ängstlichkeit abzutun oder mit einem Trostpflästerchen zu überkleben. Jeder von uns kennt seine Angst und seine Not darin und braucht sich damit nicht zu schämen. Sie ragt in unser Leben herein wie bei den Jüngern und Jüngerinnen damals, trotz aller Offenheit und Ferienstimmung und Fröhlichkeit. Auch bei uns kann sie mächtig werden, uns den Schlaf rauben, gefangen nehmen und niederdrücken. Gerade in dieser aus dem Lot geratenen Welt und Zeit.

Bei den Jüngern damals …

… kam der Auferstandene durch die verriegelten Türen mitten in die ängstliche Runde. Er versucht nicht, ihnen die Furcht auszureden oder kleinzureden. Das hilft nicht. Er zeigt ihnen, dass er um ihre Angst weiß, indem er ihnen die Zeichen seiner eigenen Angst zeigt, seine Wunden. Sie sind Male seiner Angst der Verlassenheit, seiner Angst um seine Freunde, seiner Angst vor den Schmerzen und dem Tod. Aber er zeigt sie ihnen als Auferstandener! Und dadurch werden sie auch Zeichen der Hoffnung: Leben ist stärker als der Tod, Liebe mächtiger als der Hass. Zukunft ist weiter als unsere Vorstellung und Glaube tragfähiger als die angstmachende Wirklichkeit.

Unsere Angst kann uns niemand ausreden


Und nichts kann uns vor den Situationen der Angst bewahren, kein Kraut ist dagegen gewachsen und kein Wohlstand schützt davor. Angst gehört zu unserem Leben. Aber wir können uns in unserer Angst Mut machen lassen von dem auferstandenen Christus. Er haucht seinen Geist in diese Welt. Und damit ist sein Wunsch »Friede euch!« (Joh 20,21) nicht billige Trostformel, sondern kraftvolle Verheißung. Er haucht den Geist in diese Welt, den Mutmacher, der den Muff unserer Angst lüftet, der gegen den kalten Angstschweiß und den zugeschnürten Hals und das bange Herzklopfen frische Hoffnung weht, der die Leichentücher aufflattern lässt.

Der Geist Gottes ist da


Uns ins angstbleiche Gesicht gehaucht und ins bange Herz. Er ist da, der Geist Gottes, der den Vater mit dem Sohn verbindet, der Gott zu uns Menschen treibt, der ihn unser Leben teilen lässt, ihn auferweckt und lebendig macht. Er ist da der Geist Gottes: Hoffnungskraft gegen die Zukunftsangst und Glaubenskraft wider die Heidenangst.
Er kann uns ermutigen, dass wir in unseren Ängsten nicht davonlaufen und uns in den Sorgen nicht einigeln, sondern öffnen und anderen anvertrauen, sie um Nähe, um Rat fragen. Er kann uns ermutigen, dass wir uns in unseren Unsicherheiten nicht verkriechen, sondern uns mutig weitertasten, dass wir festgefahrene Beziehungen nicht aufgeben, uns vielmehr Neuanfänge zutrauen, dass wir uns in der Trauer nicht verhärten, sondern weinend Hoffnung schöpfen, dass wir uns in Schuld nicht verstecken, sondern um Vergebung bitten.
Und der Geist Gottes kann uns ermutigen, anderen in ihrer Angst zu helfen. Zu überwinden, was Angst verursacht. Oder, wo es nicht in unserer Macht liegt, wenigstens ein offenes Ohr zu bieten, Verständnis zu zeigen, die Schulter hinzuhalten, an der sich ein Mensch ausweinen kann. Der Gottesgeist kann uns bewegen, nicht nur Stärke gelten zu lassen, sondern auch Schwäche: Dass ein Vater einen Fehler zugibt, kann einem Kind mehr Lebensmut machen, als wenn er nur den starken Max mimt.
Und der Gottesgeist kann uns Mut machen, über unsere Möglichkeiten hinaus auf Gott und seine Möglichkeiten mit uns zu vertrauen und dieses Vertrauen zu zeigen: Wenn eine Mutter ihrer Tochter glaubensmutig vertraut, kann das mehr stützen und zusammenhalten, als wenn sie ihr nur ihre Sorgen vorhält.

Der Geist Gottes, dessen Zeichen das Feuer ist, …

… will uns Mut machen, unseren Glauben zu bezeugen, Rechenschaft zu geben vom Grund der Hoffnung, die in uns ist. Bescheiden und ehrfürchtig (vgl. 1 Petr 3,15–16), den Menschen und Gott gegenüber, und gleichzeitig mutig, als begeisterte Menschen, als entflammte Menschen, deren Glaube andere zum Interesse anstecken, deren Funke überspringen kann. Christen, die mutig hoffen, Christen, die mutig lieben und mutig glauben, sprechen mehr Glaubenssuchende und Glaubensskeptiker an als jene, die vom Mehltau der Resignation gefangen über den Glaubensverlust unserer Zeit klagen oder sich hinter die verschlossenen Türen, in die geschlossenen Reihen eines christlichen Ghettos zurückziehen, um ihren klein gewordenen Glauben ängstlich zu bewahren. Glaube gewinnt Kraft im Hinausgehen, im mutigen Zugehen auf andere: Der Heilige Geist redet durch uns, wenn wir uns den Herausforderungen stellen (vgl. Mt 10,19; Mk 13,11).

Jesus tritt durch die Verriegelungen …

… in die Runde der Verängstigten, er tritt in unsere Mitte, haucht uns seinen Geist ein. Beten wir um seine Kraft. Lassen wir ihm Spielraum, dass er seine Macht entfalten kann. Man muss die Segel in den Wind setzen, damit sich das Schiff bewegt. Öffnen wir uns wie ein Segel für den frischen Wind des Heiligen Geistes. Drehen wir unser Leben in seinen kraftvollen und leisen Wind, dass er in unsere ängstliche Seele hineinweht und uns bewegen kann. Beten wir um seinen Rat, um seine Weisheit und Einsicht, dass er uns die Riegel der Angst öffnet und aufleben, frei atmen lässt.

Warum ich an Pfingsten über die Angst rede?

Gibt es nichts Schöneres? Ich rede darüber, weil sie einfach da ist, und ja, es gibt Schöneres: den Hoffnungsträger, den Mutmacher für uns und alle um uns herum, den Geist Gottes und seine Zukunft. Mit ihm können wir mutig leben: Gott lebt mit seinem Geist mit uns, öffnet uns seine Zukunft. Das mitten in der Angst und Bedrohtheit zu erkennen und zu glauben und zu feiern, ist Pfingsten: Komm, Schöpfer Geist, wider die Angst und Mutlosigkeit, belebe uns, mache uns neu und deine Kirche.

Liedvorschläge
Gesang zur Eröffnung
GL 348 »Nun bitten wir den Heiligen Geist«
Antwortgesang mit Ruf vor dem Evangelium
GL 645/3 »Sende aus deinen Geist« mit 645/4 (Psalm 104) und
GL 175/4 »Halleluja«
Gesang zur Gabenbereitung
GL 349 »Komm, o Tröster, Heilger Geist«
Gesang zur Kommunion
GL 211 »Wir rühmen dich, König der Herrlichkeit«
Dankhymnus/Schlusslied
GL 347 »Der Geist des Herrn erfüllt das All«

Fürbitten
Barmherziger Gott, wir sind auf deinen heiligen Beistand angewiesen mitten in dieser Welt. Wir hoffen, dass du uns nicht allein lässt:

- Sende deinen Geist der Demut in unsere Kirchen, damit wir trotz allem Trennenden das geschwisterliche Miteinander suchen: Ein Herr, ein Glaube, eine Taufe.
(GL 346 »Atme in uns, Heiliger Geist«)
- Sende deinen Geist der Gottesfrucht in unsere Welt, damit wir dich erkennen in den Werken deiner Schöpfung und im Antlitz der Menschen und Ehrfurcht und Achtung üben.
- Sende deinen Geist der Liebe über die Menschen, die einander in Partnerschaft und Familie treu verbunden sein und bleiben wollen, damit ihnen die Liebe nicht ausgeht.
- Sende deinen Geist der Stärke über die kranken und alten Menschen, die an ihren Gebrechen leiden, damit sie nicht ungeduldig werden, unbarmherzig und verzweifelt.
- Sende deinen Geist des Mutes über alle jungen Menschen, damit sie zuversichtlich, aufrecht und offen in dieser Welt leben können, die so viele Ängste birgt.
- Sende deinen Geist der Ehrfurcht und Frömmigkeit über uns alle, damit wir unser Leben als Geschenk achten und leben in Heiligkeit vor dir.
- Sende deinen Geist, der lebendig macht, unseren Verstorbenen, damit sie auferweckt leben in deiner Herrlichkeit.

Guter Gott, stärke uns mit deinem Geist, damit wir unterscheiden können, was dem Leben dient und uns in der Nähe zu dir und den Menschen hält. Gepriesen bist du in Ewigkeit. Amen.

Clemens Stroppel

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