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der Zeitschrift
»Dienst am Wort«
Herausgeber
Leseprobe 3
Dritter Fastensonntag
Früchte, statt Feigenblätter!
Lesejahr C
Beitrag zum Evangelium

Einführung und Kyrie-Ruf

Sonntag ist Sonntag, auch in der Fastenzeit. Wir sind angehalten, die Herausforderung des Evangeliums in unserem Alltag umzusetzen – durch Verzicht, durch Gebet, durch Solidarität. Vielleicht ist uns etwasvon unseren Fasten-Vorsätzen gelungen, vielleicht auch nicht. Am Sonntag werden wir entlastet – Christus ist mit uns. Heute dürfen wir feiern. Wir brauchen das Versagen vor uns, vor IHM, voreinander nicht zu verstecken und wir dürfen uns darüber freuen, wenn uns etwas gelungen ist. Wenden wir uns Christus zu im Anruf seines Erbarmens:

Herr, Jesus Christus, du vergibst uns und ermöglichst Vergebung.
Herr, erbarme dich unser.
Du siehst uns und ermöglichst Wahrhaftigkeit.
Christus, erbarme dich unser.
Du forderst uns und ermöglichst Erneuerung.
Herr, erbarme dich unser.

Tagesgebet
Messbuch – Dritter Fastensonntag oder Tagesgebete zur Auswahl Nr. 33

Liedvorschläge
Gesang zur Eröffnung
GL 434 »Noch ehe die Sonne am Himmel stand«
Antwortpsalm mit Ruf vor dem Evangelium
GL 79/1 Der Name des Herrn ist erhaben« mit GL 57,1–2.3–4.6–7.8+11
(Psalm 103) und GL 176/4 »Ruhm und Preis und Ehre«
Gesang zur Gabenbereitung
GL 474 »Wenn wir das Leben teilen wie das täglich Brot«
Gesang zur Kommunion
GL 281 »Also sprach beim Abendmahle«
Dankhymnus/Schlusslied
GL 491 »Ich bin getauft und Gott geweiht«

Vorüberlegungen


Zum Text: Lk 13,1–9 (Evangelium)

Jesus war vermutlich ein Liebhaber von Feigen und Feigenbäumen. Er sucht am Feigenbaum nach Früchten und verflucht den Baum, als er keine findet (Mk 11,12–14). Er nimmt den Feigenbaum als Boten des nahenden Sommers (Mk 13,28–32). Er erzählt das Gleichnis vom Feigenbaum, seinem Besitzer und dem Gärtner (Lk 13,5–9). Im Johannesevangelium nimmt er seinen späteren Jünger Natanael erstmals unter dem Feigenbaum wahr (Joh 1,48). Der Feigenbaum steht für Süße und Fülle. Darum ist es so schlimm, wenn er keine Früchte trägt.
Unter dem Bild des Feigenbaums – Feigenblätter und Feigenfrüchte – versuche ich, Kirche und Gemeinde zu reflektieren. Wenn man als Priester, Gemeindeleiter, Hauptamtliche/r über Kirche nachdenkt, kommt man leicht in Gefahr, über die anderen, die Oberen, zu reden und Forderungen zu stellen, anstatt die eigenen Möglichkeiten auszuloten. Wir Prediger und Predigerinnen sind Teil des Systems und müssen unseren eigenen Beitrag zu Erneuerung und Veränderung in die Waagschale werfen und versuchen, dahingehend unsere Zuhörerinnen und Zuhörer zu motivieren. Die Predigt ist ein Versuch dazu.

Predigt


Nichts als Feigenblätter

Mit einem Feigenblatt haben Adam und Eva ihre Scham bedeckt, nachdem sie die verbotene Frucht gegessen hatten. Der Apfel vom Baum der Erkenntnis hat ihnen die Augen geöffnet. Sie erkannten, dass sie nackt waren und sie schämten sich. Das Feigenblatt sollte die Sünde verdecken, die sie ihrem Herrn und Schöpfer gegenüber begangen hatten. Das Feigenblatt sollte sie auch schützen vor den begehrlichen Blick des anderen. Der Schurz aus Feigenblättern war nach biblischer Überlieferung der hilflose Versuch, die Blöße zu bedecken und das Vergehen zu bemänteln. Der Schöpfer sah das nutzlose Feigenblatt und erkannte sofort den Bruch des Vertrauens. Das Feigenblatt konnte das Geschehen nicht ungeschehen machen und die Blöße des Menschen nicht verdecken. Wo das Vertrauen gebrochen ist, hilft kein Feigenblatt. Es macht das Ganze nur noch schlimmer.
Das fünffingrige Feigenblatt ist wirklich schön anzusehen. Es ist größer als ein Handteller, glänzend und weiß gerippt. Im späten Mittelalter wurde es gemalt, vornehmlich um die Nacktheit des Menschen abzumildern und obszöne Blicke zu verhindern. In unsere Sprache ist das Feigenblatt eingegangen als Symbol für das sinnlose Bemühen, ein Vergehen zu verharmlosen, die nackten Tatsachen abzumildern oder einen offensichtlichen Skandal zu bemänteln. Es steht für den sinnlosen Versuch, die Wahrheit zu verschleiern und vertuschen.
Jesus mochte die Feigenbäume gern. Nicht nur als Gleichnis. Er suchte am Feigenbaum nach Früchten. In seinem Zorn verflucht er den Baum, der ihm keine Frucht spendet. Und der Baum war am nächsten Morgen verdorrt. Seine Jünger waren über den Fluch erschrocken!
Kein Mensch pflanzt den Feigenbaum wegen seiner Blätter. Er wird gepflanzt wegen der süßen und üppigen Fülle seiner Früchte.
Ich wende das heute erzählte Gleichnis vom unfruchtbaren Feigenbaum auf uns als Kirche und Gemeinde an. Jesus erzählt das Gleichnis seinen Jüngern ja nicht als Gute-Nacht-Geschichte, sondern als herausfordernde Mahnung. Kirche, die sich vor allem mit Feigenblättern tarnt? Oder Kirche, die den Menschen Nahrhaftes, Süßes und Frisches wie die Feigen bereit hält? Kirche der Feigenblätter? Kirche der Früchte?

Blößen
  • Geldgierige und reiche Kirche – sagen viele – getarnt mit dem Feigenblatt der Caritas.
  • Kirche der Mächtigen und der Machtstrukturen – sagen viele – getarnt mit dem Feigenblatt der Demut.
  • Männerkirche – sagen vor allem und zu Recht die Frauen – getarnt mit der Spiritualisierung des Weiblichen in der Marienverehrung und getarnt mit den Frauen im Kirchendienst. Man gibt ihnen Dienste, aber keine Ämter!
  • Kirche von oben – sagen auch die Insider – getarnt mit ein paar demokratischen Einsprengseln in den hierarchischen Abläufen.
  • Kirche des Missbrauchs – wir haben es schmerzlich erfahren – vertuscht mit dem Feigenblatt des Verschweigens und beschönigt mit dem Feigenblatt der Barmherzigkeit.
  • Kirche und Gemeinden, sie sich selbst genügen – sagt man auch manchmal von uns – getarnt mit freundlichen Einladungen an die sogenannten Fernstehenden.
  • Kirche, die meint, Gnade gewähren und verweigern zu können – in völliger Unkenntnis davon, dass Gott der Gnädige heißt.
  • Kirche, die sich auf den Geist Gottes beruft und gar nicht merkt, wie geistlos sie ist; die sich tarnt mit herablassenden Urteilen über Menschen,die Inspiration anderswo suchen und finden.
  • Kirche, die meint, sich nicht irren zu können und sich als sakrosankt fühlt – der vielversprochene Dialogprozess war und ist nichts als ein Feigenblatt.
Früchte

Nichts als Feigenblätter! Man kann sie durchschauen und benennen. Es ist schon ein Stückchen Umkehr gewonnen, wenn wir die Blößen und die Feigenblätter wahrhaftig wahrnehmen und beschreiben können. Aber der Feigenbaum, der nur Blätter treibt und keine Früchte trägt, wird gefällt.»Was soll er dem Boden seine Kraft nehmen« – fragt der Weinbergbesitzer, der den Feigenbaum seit drei Jahren betrachtet. Mit Vernunft und Sachverstand zieht er die richtige Konsequenz: »Hau ihn um!« Da tritt im Gleichnis der Weingärtner auf. Er sieht den fruchtlosen Baum ganz genauso wie der Besitzer. Er legt Fürsprache ein für den Baum und hat Ideen, dem Baum vielleicht doch noch zu Früchten zu verhelfen: »Ich will den Boden um ihn herum aufgraben und düngen. Vielleicht trägt er doch noch Früchte.«
Wer gräbt? Wer düngt? Wer wässert? Wer wartet? Es ist leicht, die Feigenblätter zu entlarven. Wer verhilft mit seinen eigenen Ideen und Möglichkeiten dem Baum zu Früchten?
Im Gleichnis ist die eindringliche Bitte für den Baum gepaart mit der Bereitschaft, selbst etwas zu unternehmen.
  • Es ist wahr, dass es in Kirche und Gemeinde viel zu oft ums Geld geht. Aber Engagement ist nicht mit Geld zu bezahlen und die Leidenschaft für Glauben und gemeindliches Leben kann man nicht mit Geld entlohnen. Fangen wir endlich an, die Menschen mit Engagement und Leidenschaft wichtiger zu nehmen als Geld.
  • Es ist wahr, dass man als lebendige Gemeinde und als einzelnes Gemeindeglied ohnmächtig ist gegenüber einem beharrlichen Apparat. Ohnmacht ist nicht fruchtbar, aber wenn die Ohnmächtigen sich zusammentun, hat das schon Wirkung.
  • Es ist wahr, dass wir eine Männerkirche sind – aber wir lassen es uns auch gefallen!
  • Wir haben gewählte Gremien. Wir können zeigen, dass wir auch wer sind und was zu sagen haben!
  • Wir wissen um den Missbrauchsskandal und wir wissen auch, dass seine Vertuschung und Verharmlosung mit der fehlenden Gewaltenteilung und den demokratischen Kontrollmechanismen zusammenhängen. Werden wir nicht müde, sie einzufordern!
  • Seien wir selbst gnädig in unseren Urteilen und seien wir ehrlich genug, das Gnädigsein nicht zu verwechseln mit dem bequemen Weg, einander vor der Wahrheit zu verschonen.
  • Achten wir die vielen, die der Kirche entfremdet sind oder mit ihr gebrochen haben und ihre Inspiration aus anderen Quellen beziehen. Gotterfahrene Menschen sind nie rechthaberisch! Sie wissen, dass Gottes Gnade gerade dann wirkt, wenn man nicht Recht haben muss.
  • Stärken wir das Bewusstsein beieinander, dass wir mit Christus auf dem Weg sind und noch nicht am Ziel und dass wir Fehler machen dürfen! Und kratzen wir an denen, die meinen, sie seien unter dem Deckmantel der Weihe über alle und alles erhaben.
Das Risiko der Gnade

Der Weingärtner im Gleichnis setzt seine Geduld gegen die Enttäuschung des Besitzers.
Es ist sehr viel Enttäuschung in unserer Kirche. Und ich wundere mich nicht mehr, dass die Enttäuschten weggehen. Wir müssen viel Geduld aufbringen, wenn Früchte wachsen sollen. Aber verleiten wir uns selbst nicht dazu, die Dinge auf die lange Bank zu schieben! Auch die Geduld hat eine Kehrseite, man nennt sie Aussitzen. Davon gibt es viel in unserer Kirche!
Der Weingärtner im Gleichnis setzt auf Fürsorge und Gnade, aber er weiß, dass beides, die Fürsorge und die Gnade, ein Risiko bergen. Garantierte Früchte gibt es nicht. Stattdessen die ehrliche Ansage: Wenn nichts hilft, dann hau den Baum um!

Umkehr


Jesus erzählt das Gleichnis vom unfruchtbaren Feigenbaum, nachdem er zweimal eindringlich zur Umkehr aufgerufen hat. Leute kommen zu ihm und erzählen vom Massaker, das Pilatus im Tempel angerichtet hat. Aber sie erzählen es nicht ohne Absicht. Sie hätten gerne die Bestätigung Jesu, dass die Massakrierten wohl große Sünder gewesen sein mussten.
Jesus übergeht das Bedürfnis nach Erklärung und warnt: Bekehrt euch, das alles kann euch auch passieren. Er selbst weiß um die achtzehn Opfer, die beim Einsturz des Turms von Schiloach ihr Leben verloren haben. Nicht weil sie größere Sünder waren als die Davongekommenen! Es gibt keine Erklärung, sondern nur die Aufforderung: Kehrt euch dem lebendigen Gott zu.
Wer von einem Schicksalsschlag getroffen wird, braucht am wenigsten Erklärungen. Er braucht Mitgefühl. Und das unbeirrbare und gläubige Zeugnis für Gott. Dazu sind wir Gemeinde. Wir sollen die Geschichten der Menschen nicht erklären und deuten, wir müssen sie vor Gott tragen. Wir können die Fragen stehen lassen. Wir wissen keine Antworten, aber kennen einen Adressaten. Aus den schlimmen Geschichten der Menschen sollen Gebete werden – inständige und solidarische Gebete, so geschieht Hinkehr zu Gott und Umkehr aus den Verstrickungen in uns selbst.

Fürbitten

Herr, Jesus Christus, wir nennen dich Mittler, Fürsprecher und Freund. Freundschaftlich bitten wir dich:

- Für die Menschen, die um einer besseren Zukunft willen in unser Land geflüchtet sind; und für die Flüchtlinge an den Grenzen Europas.
(Christus, höre uns. – Christus, erhöre uns.)
- Für Mitbürger, deren politisches Bewusstsein von Fremdenhass und Nationalismus geprägt ist.
- Für Eltern, Erzieherinnen und Lehrer; für alle, die im Bildungsbereich arbeiten und auf die Lernfähigkeit des Menschen setzen.
- Für die Opfer des Missbrauchs in unserer Kirche, deren Persönlichkeit verwundet und deren Glaube zerstört wurde.
- Für die vielen Männer und wenigen Frauen, die ein Leitungsamt in unserer Kirche innehaben und von denen Schritte der Erneuerung erwartet werden.
- Für die Gläubigen in den Gemeinden, die sich als Kirche am Ort verstehen und die engagiert und hoffnungsvoll das Evangelium bezeugen.

Herr, Jesus Christus, du hörst unser Beten und siehst unser Mühen. Du führst zum Ziel, wo uns die Kraft ausgeht. Dir sei Lob und Ehre in Ewigkeit. Amen.


Gebet für die Woche

Der Text »Das Beten der Kirche II« ist dem Zyklus »Hymnen an die Kirche« von Gertrud von le Fort entnommen. Das im Text angesprochene »Du« ist die Kirche, Sprecherin ist die menschliche Seele. Der hymnische Text widersteht unserem Empfinden von Kirche, aber sprachmächtig beschreibt er Wesen und Aufgabe der Kirche: die Geschichten der Menschen, sie selbst und die Welt vor Gott zu stellen.

WENN die Städte noch auf ihrem Fieberbett schlafen
     und die dumpfen Dörfer im Brodem der Felder versinken,
Wenn die Tiere sich noch nicht regen
     und die Einsamkeit des Herrn auf der Welt lagert,
Dann erhebst du deine Stimme in den Schatten,
     wie der Geist sich erhebt in der blinden Materie.
Du schüttelst die Traumheit von deinen Gliedern
      und ringest im Dunklen mit dem Grauen der Stunde.
Denn die Sünden der Nacht sind wie giftige Dünste,
     und der Schlaf der Wesen ist wie Todesschwere:
Es weiß niemand, ob es wieder Tag wird.
Aber du entzündest deine Seele,
     dass sie der Morgenröte voraneilt wie ein Strahl der Hoffnung.
Du fällst vor den Herrn nieder, bevor der Tau fällt.
Du jubelst dein Herz zu ihm auf, ehe die Lerchen steigen,
     du jubelst alle Furcht hinweg im Preise deines Schöpfers.
Du wäschst das Angesicht der Erde in deinen Liedern,
     du badest es in deinem Gebet, bis es ganz rein ist,
Du wendest es dem Herrn zu wie ein neues Antlitz!
Und der Herr bricht aus seiner Einsamkeit
     und empfängt dich mit Armen des Lichtes -
     da erwacht alle Welt in seiner Gnade.
(zit. n. Gertrud von le Fort, Hymnen an die Kirche, 22. Aufl. München 1990 S. 29)

Anton Seeberger

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