archivierte Ausgabe 3/2024 |
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Leseprobe 2 |
Vierter Sonntag der Osterzeit |
Jesus – kein Sonnenkönig |
Lesejahr B |
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Beitrag zur Lesung
Einführung
Der vierte Sonntag der Osterzeit ist Jesus, dem guten Hirten gewidmet. Das Hirtenbild ist aber getrübt von zahlreichen Erfahrungen des Machtmissbrauchs, übrigens nicht erst durch die Hirten der Kirche. Bereits im Alten Testament übernimmt Gott die Hirtenaufgabe selbst, nachdem die Anführer Israels nur für sich selbst anstatt für ihr Volk gesorgt haben (Ez 34). Der gute Hirte unterscheidet sich von den schlechten dadurch, dass er seine Schafe nicht ausbeutet, sondern sich für sie einsetzt. Dafür steht Jesus mit seinem ganzen Leben und Sterben.
Predigt
Zum Text: Apg 4,8–12 (1. Lesung)
Im Namen Jesu Christi
Die Apostel Petrus und Johannes wissen ganz genau, wo es langgeht, und sie halten nicht damit hinter dem Berg. Sie hatten an der sogenannten Schönen Pforte des Jerusalemer Tempels einen gelähmten Mann geheilt. Als es daraufhin zu einem Volksauflauf kam, weil alle sich über die plötzliche Genesung des Mannes wunderten, erklärten sie, dass der Glaube an Jesus dieses Wunder bewirkt habe. Und auch jetzt, als sie im Hohen Rat gefragt werden, »mit welcher Kraft oder in welchem Namen« (Apg 4,7) sie die überraschende Heilung fertiggebracht hätten, bleiben sie die Antwort nicht schuldig: »Im Namen Jesu Christi, des Nazoräers […]. Durch ihn steht dieser Mann gesund vor euch.« Sie gehen sogar noch weiter: Nicht nur diesem Mann hat Jesus geholfen; es gibt überhaupt gar keinen anderen, durch den ein Mensch Heil finden könnte, als Jesus Christus allein. »Denn es ist uns Menschen kein anderer Name unter dem Himmel gegeben, durch den wir gerettet werden sollen.«
»Ich bin die Kirche!«
Für uns, die wir uns Christen nennen, ist die Auskunft der Apostel weder überraschend noch verstörend. Denn darin besteht ja unser Glaube, dass wir auf Jesu Hilfe vertrauen, für uns und für alle Menschen. Und dennoch müsste uns so ein Satz endlich einmal durch Mark und Bein gehen. Denn wir können ihn nicht mehr naiv hören und weitersagen. Zu viel ist geschehen; zu viel Böses ist auch von denen getan worden, die angeblich im Namen Jesu nur das Beste für die Menschen wollten. Anstatt Jesus in die Mitte zu stellen, haben sich die Diener der Kirche zu oft an seinen Platz gesetzt. Die Apostel vertraten den Grundsatz: »Außer in Jesus kein Heil.« Im Laufe der Kirchengeschichte ist daraus geworden: »Außerhalb der Kirche kein Heil.« Das ist nicht das Gleiche. Hier liegt vielmehr eine fatale Verwechslung vor. Auf die Spitze trieb es im 19. Jahrhundert Papst Pius IX., der sogar ausgerufen haben soll: »Ich, ich bin die Tradition, ich, ich bin die Kirche!«1 Der Nachfolger des Petrus – ein Sonnenkönig? Dagegen steht die Haltung Jesu, der von sich selbst sagt: »Ich bin unter euch wie der, der bedient« (Lk 22,27).
Eine gute Tat an einem kranken Menschen
Worauf soll man sich noch verlassen, wem soll man eigentlich noch trauen, wenn selbst diejenigen, die Jesu Botschaft der Nächstenliebe in Wort und Tat verkünden sollen, oft so von sich selbst eingenommen sind? Das Beispiel der Apostel weist den Weg: Sie verhelfen einem Menschen, der aufgrund seiner körperlichen Beeinträchtigung sein Leben bisher nur durch Bettelei fristen konnte, zu einem völligen Neuanfang. Sie nehmen dabei sogar Nachteile für sich selbst in Kauf. Sie verkünden die frohe Botschaft nicht nur, sondern sie bezeugen sie durch glaubhafte Taten. Sie stellen Jesus in die Mitte, der von sich selbst gesagt hat: »Wer nicht mit mir ist, ist gegen mich« (Lk 11,23). Das bedeutet ja keineswegs, dass alle Menschen Christen werden müssten. Denn mit Jesus sind alle, die wie er zum Dienst an den Menschen bereit sind, ob sie getauft sind oder nicht. Deshalb darf die Kirche nicht die Menschen für sich vereinnahmen. Vielmehr muss ihr genügen, was Jesus schon zu den Aposteln sagte: »Wer nicht gegen euch ist, ist für euch« (Lk 9,50). Wer danach lebt, wird frei, die gute Tat immer und überall anzuerkennen, innerhalb und außerhalb der Kirche.
Fürbitten
Gott, du hast uns deinen Sohn gesandt als Zeichen der Hoffnung für alle Menschen. Im Namen Jesu bitten wir dich:
– Für alle Menschen, die mit schweren körperlichen oder seelischen Beeinträchtigungen zurechtkommen müssen und deshalb mancherlei Ausgrenzung erfahren. (Gib ihnen Kraft und Zuversicht.) – Für alle Menschen, die mit Sorge und Angst in die Zukunft blicken und die sich ohnmächtig fühlen angesichts der Krisen unserer Zeit. – Für alle Menschen, die in den Kriegsgebieten dieser Welt um das nackte Überleben kämpfen, und für alle, die Wege zu einem gerechten Frieden suchen. – Für alle Menschen, die mit Jesus an einer Welt der Liebe zu Gott und zum Nächsten bauen und die vielfach entmutigt werden.
Gott, du hast alles erschaffen, und du führst alles zum Ziel. Sieh auf deine Welt und alle deine Kreaturen. Erlöse sie von allem Bösen, und lass uns in deinem Frieden leben durch Christus, unseren Herrn. Amen.
Anmerkungen: 1 Vgl. Hubert Wolf, Der Unfehlbare. Pius IX. und die Erfindung des Katholizismus im 19. Jahrhundert. Biographie, München 32020, 13.
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Wilfried Eisele |
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