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der Zeitschrift
»Dienst am Wort«
Herausgeber
Einführung
Liebe Leserinnen und Leser,

»Es ist mir peinlich, katholisch zu sein« – sagt eine engagierte Frau aus der Gemeinde. Sie ist noch dabei. Aber sie ringt mit sich, ob und wie lange sie dieser Kirche, in der sie als Frau zweitrangig ist, noch angehören kann und will. Und einer der Lektoren spricht nach dem Gottesdienst von seiner inneren Zerrissenheit. Er will seine katholische Frömmigkeit, seine Freude an der Liturgie und seine Leidenschaft für das Evangelium leben, aber will sich nicht mit dem »System« identifizieren und noch weniger identifizieren lassen. Das Verbot der Segnung von gleichgeschlechtlichen Paaren nimmt ihm wieder etwas von der Luft, die er im Evangelium findet! Als Mann der Kunst- und Literaturszene ist er oft im Kontakt mit Männern, die um eine authentische Lebensgestalt mit ihrem gleichgeschlechtlichen Gefährten ringen. In sich zerrissen trägt er als Kirchenmitglied die Institution mit ihrer Geschichte, mit den Problemen und Skandalen der Gegenwart mit. Wie lange noch? Ich will die beiden in Kirche und Gemeinde halten, zumal sie wichtige Träger des Gemeindelebens sind. Aber gegen das, was das System in der öffentlichen Wahrnehmung produziert, komme ich und kommen wir als Gemeinde nicht an.

Ich habe keine Perspektive in der aktuellen Situation. Ich kann auch die Erwartung nicht nähren, dass sich das System zeitnah ändert. Ich teile eine Reihe von kirchlichen Lehrmeinungen und moralischen Direktiven nicht mehr. Ich fürchte, dass der Synodale Weg dasselbe Ergebnis zeitigt wie der Dialogprozess, nämlich keins! Ich habe meinen Beruf mit den hoffnungsvollen Aufbrüchen der Würzburger Synode begonnen. Sie hat schöne, aber vergebliche Dokumente vorgelegt.

Und dennoch: Die Sakramente sind mir heilig, sie feiern zu dürfen in der Gemeinde, erlebe ich als erfüllendes Privileg. Ich vertiefe mich mit Leidenschaft und Gewinn in das, was kirchlich erfahren und gedacht wurde. Der sonntägliche Gottesdienst mit der Gemeinde ist mir heilig. Das Evangelium verkünden zu dürfen, ist mir Aufgabe und Gnade zugleich.

Seelsorger zu sein, mit der Botschaft Jesu im Kopf und im Herzen, bedeutet für mich einen unglaublichen Reichtum an Erkenntnis – die Gebrochenheit von Leben und Glauben erkennen zu dürfen und zu sehen, wie das Leben unter Gottes Augen immer wieder eine Möglichkeit findet und Türen sich öffnen, die ich mir hätte nicht ausdenken können. Der priesterliche Auftrag gefällt mir – ich habe mich dafür persönlich entschieden und bin dafür kirchlich beauftragt.

Ich habe keine Lösung, wie die Zerrissenheit in mir und in anderen Menschen unserer Kirche überwunden werden könnte: Kämpfen – gegen wen? Warten – wie lange noch? Emigrieren – wohin? Verteidigen – mit welchen Argumenten? Sich verweigern – das trifft die Verkehrten! Sich zusammentun – ja, ganz sicher und viel miteinander reden im Bewusstsein: Wir sind lebendige Kirche! Ich halte die Zerrissenheit aus – um des Evangeliums willen, um Christi willen, um der vielen Menschen willen, die als Christen mit auf dem Weg sind. Ich bete für diejenigen, denen die Kraft ausgeht, ihre eigene Zerrissenheit auszuhalten, und die es leid werden, die hämische Frage aus ihrer engsten Umgebung beantworten zu müssen: »Was, du gehörst immer noch dazu?« Ich gehöre dazu, vom Evangelium ganz erfüllt und vom System entsetzlich ermüdet.
Anton Seeberger

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