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der Zeitschrift
»Dienst am Wort«
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Leseprobe 3
18. Sonntag im Jahreskreis
Lesejahr B
Was das Leben reich macht

Beitrag zum Evangelium

Einführung
Wir sind zur Feier des Herrentags versammelt. Ein großer Theologe des 20. Jahrhunderts pflegte zu sagen: Das Wesen des Christentums ist »Zusammen Mahl halten« – weil der Herr selbst sich im heiligen Zeichen den Seinen zur Speise gibt: dass sie leben von dem, was er sagt, was er tat und wie er war. Jetzt ist wieder solche Mahl-Zeit. Grüßen wir den, der uns dazu eingeladen hat.

Kyrie-Ruf
Herr, du willst uns Speise sein, um mit uns schon auf Erden ein Leib und Geist zu werden.
Kyrie eleison.
Du wahres Himmelbrot, vom Vater uns gegeben, wer dich isst, der wird leben.
Christe eleison.
O Licht vom ewgen Licht, du lebst in uns verborgen, bis und erhelle Morgen der Herrlichkeit anbricht.
Kyrie eleison.
(Nach GL 538)

Tagesgebet
Gott, unser Heil,
im österlichen Geheimnis schenkst du uns unvergängliches Leben. Darum verkünden wir den Tod und die Auferstehung deines Sohnes.
Lass uns Tag für Tag erfahren, dass wir zum Leben befreit sind.
Darum bitten wir durch Jesus Christus, unsern Herrn.

Liedvorschläge

Gesang zur Eröffnung
GL 549 »O Herz des Königs aller Welt«
Antwortgesang mit Halleluja-Ruf
GL 718/1 »Der Herr ist mein Hirte« mit 718/2 (Psalm 23) und
GL 530/2 »Halleluja«
Gesang zur Gabenbereitung
GL 490 »Was uns die Erde Gutes spendet«
Gesang zur Kommunion
GL 493 »Lob sei dem Herrn«
Dankhymnus
GL 494 »Gott sei gelobet«
Schlusslied
GL 546,1.5–7 »Gottheit tief verborgen«

Vorüberlegungen

Zum Text: Joh 6,24–35 (Evangelium)

Als vor etlichen Jahren die weltberühmte Wieskirch in Oberbayern restauriert wurde, haben Fachleute die Kirche auch mit neuesten technischen Mitteln vermessen und dabei eine verblüffende Entdeckung gemacht: Oben im Deckengemälde des Hauptschiffes sitzt der auferstandene und verklärte Christus auf einem Regenbogen und deutet mit der Hand auf seine Seitenwunde. Und millimetergenau an dieser Stelle des geöffneten Herzens Christi hat das ganze Bauwerk mit seinem so komplizierten Rokoko-Grundriss seinen geometrischen Mittelpunkt. Die Künstler haben damit auf einzigartige Weise versinnbildet, wofür den Theologen kaum ein dickes Lehrbuch reicht, um es in rechte Worte zu bringen: Sie haben sichtbar gemacht, dass sich der christliche Glaube, seine Sicht von Welt und Zeit und Leben auf geradezu atemberaubend radikale und einfache Weise in Jesus und auf Jesus konzentriert.
Nur wer von dieser Konzentration auf das Wesentliche etwas wahrnimmt, wer sie mitvollzieht, vermag etwas zu verstehen von der Wahrheit jener steilen »Ich bin«-Worte Jesu aus dem Johannesevangelium, in denen mehr als irgendwo sonst das Geheimnis des Herrn aufleuchtet. Am meisten gilt das wohl von dem Wort »Ich bin das Brot des Lebens«, in dem ausweislich der Anspielung auf das Manna-Wunder des Exodus viele Jahrhunderte der Glaubensgeschichte Israels zusammenlaufen.

Predigt

Kairos

Ein Bettler ging von Tür zur Tür die Dorfstraße entlang – so erzählt ein indisches Märchen. Da erschien in der Ferne wie ein Traum ein goldener Wagen. Der König saß darin. Hoffnung stieg in dem Bettler auf. Es gab bestimmt Almosen, ohne dass man darum bat, und Reichtümer, die in den Sand gestreut wurden. Der Wagen hielt genau dort, wo der Bettler stand. Der König stieg aus, sein Blick fiel auf den Mann. Der fühlte schon das Glück seines Lebens ganz nah. Da streckte der König seine rechte Hand aus und sagte: Was hast du mir zu schenken?
Der Bettler wusste einen Moment lang nicht, wie ihm geschah. Verlegen stand er da, und schließlich nahm er aus seinem Beutel ein winziges Reiskorn und gab es dem König. Am Abend als er heimkam und seinen Beutel ausleerte, da war das Erstaunen des Bettlers groß. Denn er fand zwischen all dem Plunder das kleine Korn wieder – zu Gold verwandelt. Und er weinte bitter, dass er nicht den Mut gefunden hatte, dem König alles zu geben.

Trug des Plausiblen

Des Bettlers Trachten kannte nur dies eine – dass die Not aufhöre. Das führt ihn von Tür zu Tür. Denn er ist sich gewiss, dass die Not abnimmt, wenn er mehr hat. Als er dem König begegnet, an jenem großen Tag seines Lebens, da traut er auch dieser Gewissheit. Er weiß sich dem Traum seines Lebens ganz nah: durch ganz viel Besitz ganz die Not zu besiegen. Aber genau dies – dass er auf die alte Gewissheit setzt und dem seltsamen König nur ein kleines Reiskorn abzugeben bereit ist –, das hat ihn arm gemacht. Traurig erkennt er am Abend, worin sein Glück bestanden hätte. Ist es also nicht damit getan, die Bedürfnisse des Lebens auf kürzestem Weg zu stillen, um glücklich zu werden? Kann etwas anderes uns befreien von der Not und wirklich reich machen?

Zu wenig erwartet

Die Antwort darauf ist schwer – weil doch das Tun des Bettlers so offenkundig auf der Hand zu liegen scheint. Auch denen, die die Brotvermehrung Jesu miterleben durften, dünkte das so. Er hatte ihren Hunger gestillt. Und weil das so bleiben soll – deshalb suchen sie ihn. Suchen also um Dienst ihrer Lebensbedürfnisse. Was bringt er mir? So nähern sie sich ihm. Aber genau dem Zugriff dieser Frage, dem verweigert sich Jesus. Daran entzündet sich ein Dialog, der uns klarmachen kann, worum es Jesus im Eigentlichen geht und wer er selber ist.
Als nämlich die Leute Jesus wiederfinden, in der stillen Hoffnung, wieder gesättigt zu werden, da hält er ihnen entgegen, dass die Brotvermehrung nicht einfach nur ihres Hungers wegen geschah, sondern dass sie ein Zeichen war – also etwas, was uns am Leitfaden der gelebten Erfahrung an etwas anderes, Unanschauliches verweist. So wie ich das Brot unbedingt brauche für mein irdisches Leben, genauso brauche ich auch etwas unbedingt für mein ewiges Leben, dafür, dass mein gelebtes Leben einmal vor Gott bestehen kann und bei ihm als gültig verewigt wird – das sagt Jesus den Leuten und uns in unmissverständlicher Klarheit. Und noch eines fügt er hinzu: Der Menschensohn, also der Heilsbringer Gottes, wird dieses unbedingt Notwendige, diese andere Speise geben. Um sie müht euch, wenn ihr wirklich – und das heißt: wenn ihr ewig leben wollt!
Die Leute sind dafür durchaus aufgeschlossen. Sie anerkennen, dass das, was ihr Leben verewigen kann, von Gott kommen muss. Und doch bleibt ihr Denken auch hier noch ganz weltlich, jener Gewissheit des Bettlers verhaftet: Was müssen wir tun, fragen sie, um die Werke Gottes zu vollbringen, also jenes ewige Leben zu gewinnen?
Jesu Antwort darauf fällt zweifach anders aus als erwartet. Er redet nicht von Werken Gottes, sondern vom Werk Gottes. Eines allein braucht es. Und dieses Werk besteht darin, dass sie an ihn glauben. Sie müssen nichts machen und leisten, um das ewige Leben zu erhalten, sie brauchen zuerst einmal nur ihm zu glauben. Alle anderen Werke erhalten erst von diesem einen Werk des Glaubens her ihren Sinn und ihre Geltung. Luther hat das so gesagt: In diesem Werk des Glaubens müssen alle Werke getan werden und ihren Gutheiß gleich wie ein Leben von ihm empfangen. Erst wenn der Glaube – ausgesprochen oder unausgesprochen – unser Tun beseelt, werden unsere Taten menschlich und entsprechen sie Gott.
Diese Antwort Jesu bringt die Leute aus dem Tritt. Der Dialog zwischen ihnen und dem Herrn gerät im Handumdrehen zur Auseinandersetzung. Weil ihnen unglaublich scheint, dass sie für das ewige Leben nichts leisten müssen, sondern »nur« glauben – deshalb bezweifeln sie Jesu Antwort. Sie fordern daher von ihm ein Zeichen, dass er wirklich Recht habe. Sie wollen also nichts anderes, als den Sprung des Glaubens, den Jesus als das Erste und Unumgängliche des ewigen Lebens behauptet, nochmals durch ein Beweismittel unterlaufen. Und sie sagen auch gleich dazu, wie sie sich das vorstellen: Sie erinnern Jesus an das Manna in der Wüste, damals auf dem Weg in die Freiheit. Dass dieses Wunder einmal von neuem geschieht; dass also Gott für alle überreich sorgen wird, das gehörte von Anfang an zu den Traumbildern der Israeliten vom kommenden Reich des Heils und der Gerechtigkeit. Und eben das erwarten sie jetzt von Jesus, wenn er denn wirklich der vollmächtige Heilbringer Gottes ist. Denn so und nicht anders muss es geschehen.
Jesus jedoch korrigiert diese Erwartung radikal: Nicht Mose hat euch das wahre Brot vom Himmel gegeben, sondern mein Vater tut das. Im Grunde stehen die Leute durch Jesu Antwort vor der gleichen Alternative wie damals das Volk auf dem Zug durch die Wüste: ob es leben will von der Gabe Gottes oder ob es sich an die Vergangenheit klammern und die Zukunft nur in festgelegten Bildern denken will. Damals hatten sie sich an die Fleischtöpfe Ägyptens zurückgesehnt und Gott misstraut, der sie doch mit Manna nährte. Jetzt sehnen sie sich nach dem Manna zurück und misstrauen Jesus mit seinem Ruf zum Glauben, mit dem er ihnen doch ewiges Leben eröffnen will. Aber: Die Vergangenheit ist niemals der Maßstab für das zukünftige Handeln Gottes. Wer dies dennoch behauptet, versucht nichts anderes, als über Gott selbst zu verfügen. Das ist Jesu aufrüttelnde Predigt angesichts der Erwartungen und Vorurteile, die sich auf ihn als Heilsbringer richten.
Diese Predigt haben sich die Christen und die Kirchen zu Herzen zu nehmen. Auch heute. Denn Gott ist größer als unser Erkennen und Erfahren und unsere Phantasie zusammen – vor allem wenn es um unser Heil geht. Vor allem die, die in der Kirche das Sagen haben, täten gut daran, sich dies ins Stammbuch zu schreiben. Dann bräuchten sie nicht oft ängstlich und eng zu sein. Misstrauen in das Neue ist keine Kategorie des Glaubens. Entschlossenheit zur Zukunft gehört zutiefst und notwendig zu jener Gabe Gottes, die unser ewiges Leben hervorbringt. Und das ist deshalb so, weil die Zukunft für jeden Gläubigen immer eine Zu-Kunft von Gott her ist.
Selbst das noch akzeptieren Jesu Zuhörer im ersten Augenblick. Das Evangelium erzählt ja, wie sie bitten: Herr, gib uns immer dieses Brot. Allerdings halten sie dieses Zukünftige, Neue, von Gott her Kommende immer noch für etwas, für ein Ding, das sich mit Händen greifen lässt. Da korrigiert sie Jesus noch einmal – freilich so, dass ihnen die Sprache wegbleibt –, um gleich darauf in entschiedener Abwehr, ja Entrüstung wieder hervorzubrechen, wie wir am nächsten Sonntag hören werden. Denn er entgegnet ihnen auf ihre Brotbitte: Ich bin das Brot des Lebens. Nicht etwas, sondern ich, wie ich leibe und lebe, bin das, was Gott euch schenkt, damit ihr das ewige Leben gewinnt. Ich bin so wichtig für euch wie das tägliche Brot. Ihr nehmt mich auf, ich nähre euch, wenn ihr zu mir kommt und an mich glaubt. Dann werdet ihr nicht mehr hungern und Durst haben – das meint: Ihr müsst euer Leben nicht mehr von außen erhalten. Es bleibt aus sich bestehen. Eure Todverfallenheit hat ein Ende, wenn ihr euch mir anvertraut. Ich bin das Brot des Lebens – das ist eines jener geschliffenen Jesus-Worte, die keine Auslegung mehr vertragen, weil sie für sich selbst sprechen. Es lässt sich nur noch staunend annehmen. Oder entschieden ablehnen.

Erfahrene Bewahrheitung

Ich bin das Brot des Lebens – ein solches Herrenwort ist so ziemlich das Schwierigste, was einem Prediger unterkommen kann. Denn da gibt es nichts mehr zu deuten. Man kann es nur noch weitergeben und dabei beglaubigen, wenigstens mit Fragmenten selbst erfahrenen geglückten Lebens. Und das natürlich in dem Glauben, dass dieses Gelingen der Lebensgemeinschaft mit Jesus Christus entstammt und so auch einen Vorschein des Endgültigen schenkt. Das alles ist schwer, weil über diese innersten Dinge mehr geschwiegen denn geredet werden muss. Annehmen oder ablehnen des Wortes bleiben unhintergehbar das Erste. Und wenn Sie das Wort annehmen, verbindet sich mit ihm eine entsprechende Lebenspraxis, indem Sie von Jesus zehren, weil Sie leben wie er.
Wenn Sie sich darauf einlassen; wenn Sie Abschied nehmen von den selbstentworfenen Heilsträumen; wenn Sie Ihr Lebensglück nicht mehr im Mehr-Haben zu finden hoffen wie der Bettler; wenn Sie stattdessen glaubend ein Stück von sich selbst drangeben, dann werden Sie dieses Verschenkte eines Tages verwandelt wiederfinden – kostbar geworden, sodass es Ihr Leben reich macht. Und wer einmal ein Goldkorn gefunden hat unter all seinem Plunder und dann noch eins und noch eins, der fasst dann vielleicht eines Tages den Mut, glaubend alles dranzugeben, um sich ganz verwandelt aus Gottes Händen zurückzuerhalten – reich gemacht, weil ganz Mensch geworden nach dem Maßstab Gottes.
Wenn das einer an sich geschehen lässt, dann leuchtet das schon während seines irdischen Daseins still auf in den Zeichen der Liebe, die sein Leben durchziehen. Und nach dem Tod wird dem, der sein Lebtag von Jesus Christus gelebt hat, das Leben in seiner ganzen, und das heißt: österlichen Fülle geschenkt – das Leben der Auferstehung, das keinen Tod mehr kennt. So überreich will Gott unsere tiefinnerste Sehnsucht nach ewigem Leben erfüllen. So kühn sein, diese Verheißung als Lebensziel zu wählen, und nicht zufriedengeben mit weniger – das hieße: das Christsein ernst zu nehmen.

Fürbitten
Lasst uns beten zu Jesus Christus, der uns Brot zum Leben sein will:

- Für die Kirche, dass sie froh und würdig immer neu die heiligen Geheimnisse feiere.
- Für die getrennte Christenheit: dass sie im Glauben und am Tisch des Herrn zur Einheit finde.
- Für alle, die mutlos und traurig geworden sind, weil ihnen Vertrautes zerbrochen ist: dass sie wieder Kraft und Hoffnung finden.
- Für alle Verstorbenen: dass sie in der Herrlichkeit des Himmels das nie mehr endende Osterfest feiern dürfen.

Herr, das heilige Zeichen deiner Liebe und Nähe, das wir jetzt feiern, festige unsern Glauben, stärke unsere Hoffnung und mache unsere Liebe erfinderisch. Darum bitten wir jetzt und jeden Tag. Amen.

Klaus E. Müller

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