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»Dienst am Wort«
Herausgeber
Leseprobe 2
17. Sonntag im Jahreskreis
Lesejahr A
Der Traum vom hörenden Herz

Predigt
Zum Text: 1 Kön 3,5.7–12 (1. Lesung)

Wünsch dir was

Salomos Traum – wer träumt nicht davon, bei Gott einen Wunsch frei zu haben. Das ist fast wie im Märchen – »Wünsch dir was!«, sagte die gute Fee. Da sind es meistens drei Wünsche, und selbst die werden jedesmal verspielt, weil die Wünsche immer allzu kurz gedacht sind, zu gierig und zu egoistisch. Gesundheit und Erfolg, Reichtum und Macht, langes Leben oder am besten gleich die Unsterblichkeit? Bei drei Wünschen ist noch etwas Spielraum vorhanden. Salomo hat im Traum bei Gott nur einen Wunsch frei, und er bittet eben nicht um die geläufigen Dinge. Er, der frischgebackene junge König, hat nämlich mächtig Respekt vor seiner großen Verantwortung. In militärischen Dingen muss er klug entscheiden. Er gilt als Statthalter Gottes auf Erden und soll entsprechend gerechte Urteile treffen. Denn auch die Rechtsprechung gehörte zu den Aufgaben des Königs. Im Grunde also Bundeskanzler, Außenminister und oberster Richter in einer Person mit gelegentlichen hohenpriesterlichen Aufgaben. Und das für ein relativ großes Volk.
Es spricht sehr für Salomo, dass er sich etwas wünscht, was nicht nur für ihn selbst gut ist. Er hat bei seinem Wunsch die Menschen im Blick, für die er da sein soll. Er wünscht sich ein hörendes Herz, um Gut und Böse unterscheiden zu können. Ein hörendes Herz – was für ein schönes Bild.

Das Herz ist mehr als ein Organ

Das Herz hat im Altertum eine große Bedeutung. Das Herz ist das Innere des Menschen, auf das Gott sieht. Das Herz ist der Sitz der Seelenkräfte, des Verstandes und der Gefühle. Das Herz ist der innere Antrieb, aus dem heraus man handelt. Das Herz ist das Ich des Menschen und der Ort des Gewissens. Gott schreibt den Menschen sein Gesetz ins Herz. Wenn Salomo also um ein hörendes Herz bittet, dann heißt das: Er möchte ein hörender Mensch sein, nicht nur auf der Ebene des Verstandes, sondern auch auf der Gefühlsebene. Salomo möchte hören können auf Gottes Worte, auf das, was Menschen ihm sagen und was ihre Anliegen sind, und er möchte auf seine innere Stimme hören können, um in seinem Gewissen zu spüren, was richtig ist.

Die Kunst des Hörens

Mit dem Hören ist das so eine Sache. Auf die Worte zu hören, ist das eine. Auf das zu hören, was zwischen den Worten gesagt ist, ist das andere. Es ist ein einfühlsames Zuhören, das neben den Worten auch die Gefühle des Gegenübers wahrnimmt, den Tonfall der Stimme zum Beispiel, in dem Angst, Traurigkeit, Aggression oder Unsicherheit, Verzweiflung oder Schauspielerei sich offenbaren können. Nehme ich die Mimik meines Gegenübers wahr? Welche Sprache sprechen die Augen? Was sagt es mir, wenn jemand von seinem harten Schicksal mit einem ständigen Lächeln im Gesicht erzählt? Auch Gesten können Bände sprechen: Wenn jemand sagt: »Ich sehe das ganz locker, ich bin offen für alles!«, dabei aber die Arme fest vor dem Körper verschränkt, dann ist es eben doch nicht so weit her mit der Lockerheit. Aufmerksames, einfühlsames Zuhören ist eine hohe Kunst.

Die Kunst des Beherzigens

Das Wahrnehmen und Aufnehmen ist der erste Teil des Hörens. Teil zwei besteht darin, das Gehörte auch zu verarbeiten und quasi den roten Faden darin zu finden. Gerade bei unangenehmen Dingen neigen wir Menschen dazu, auf Durchzug zu schalten: zum einen Ohr rein, zum anderen Ohr raus. Und selbst sachliche Kritik lassen wir doch gerne an der Seite vorbeigehen und filtern uns nur das heraus, was wir hören wollen. Wie schwer fiel es Bundeskanzler Schröder damals nach der verlorenen Wahl, die Niederlage zuzugeben, weil er die unangenehme Realität einfach nicht wahrhaben wollte. Aber mit dem Herzen zu hören bedeutet, dass wir das Gehörte an uns heran lassen, es uns zu Herzen nehmen und es dann auch beherzigen.

Gutes oder Böses

Ein solches hörendes Herz wünscht sich Salomo, um das Gute vom Bösen unterscheiden zu können. Gut und Böse liegt oft sehr nahe beieinander. Was für den einen Menschen gut ist, ist für andere zum Schaden. Wenn eine große Firma Tausende Männer und Frauen entlässt, dann bringt das höhere Gewinne für die Aktionäre, aber Armut in Tausende Familien. Wenn jemand Gut und Böse unterscheiden kann, wird er nicht so leicht den eigenen Egoismen unterliegen.

Der Traum zeigt die Richtung

Im Traum ist Gott beeindruckt von der Bitte des Salomo, ihm ein hörendes Herz und die Gabe der Einsicht zu schenken. Gott verspricht ihm ein weises und verständiges Herz.
Salomo wurde tatsächlich für seine Weisheit berühmt, wenngleich nicht alles, was er entschied, wirklich weise war. Im Bibeltext heißt es weiter: »Da erwachte Salomo und merkte, dass es ein Traum war.« Aber Träume zeigen immer etwas von dem, was uns innerlich umtreibt. In Träumen können wir ein inneres Probehandeln auf eine bestimmte Richtung hin erleben. Der Traum vom hörenden Herz muss kein Traum bleiben.

Irene Anic

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