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Die Inhalte
der Zeitschrift
»Dienst am Wort«
Herausgeber
Leseprobe 1
30. Sonntag im Jahreskreis
Gegensätze liebevoll überbrücken
Lesejahr A
Beitrag zum Evangelium

Einführung

Wahrscheinlich ist die größte Herausforderung der nächsten Jahrzehnte in Welt und Kirche, die entstandenen Spaltungen sowohl innerhalb der Gesellschaft als auch innerhalb kirchlicher Positionen in eine gegenseitige Verbindung zu bringen. An Themen wie beispielsweise der Migration scheiden sich nicht nur die unterschiedlichen Positionen, sondern sie werden auch hoch emotional bis hasserfüllt verhandelt. Aber auch innerhalb der Kirche stehen sich konservative und veränderungsbereite Positionen scheinbar unüberwindlich gegenüber. Gegenseitige Schuldvorwürfe werden ebenfalls in emotionaler und sich absprechender Rechtgläubigkeit betrieben. Es ist und wird eine große Bedeutung haben, ob es gelingt, Brücken zwischen traditionellen und weltlichen Orientierungen zu bauen.
Öffnen wir uns zu Beginn des Gottesdienstes für die Anliegen der Menschen und für die Begegnung mit Gott und bitten ihn um Versöhnung.

Kyrie-Ruf

Herr, Jesus Christus, dein Geist öffnet Herzen.
Herr, erbarme dich.

Herr, Jesus Christus, dein Geist führt zusammen.
Christus, erbarme dich.

Herr, Jesus Christus, dein Geist baut Brücken.
Herr, erbarme dich.

Gebet

Gott.
Du bist Liebe
ungeliebte
Sei geliebt in mir.
Du bist Liebe
feurige
Brenne in mir.
Du bist Liebe
gesuchte
Lass Dich finden in mir.
Du bist Liebe
zärtliche
Wirke in mir.1

Tagesgebet

Messbuch – 30. Sonntag im Jahreskreis

Liedvorschläge

Gesang zur Eröffnung
GL 142 »Zu dir, o Gott, erheben wir« oder
GL 148 »Komm her, freu dich mit uns«

Antwortgesang mit Ruf vor dem Evangelium
GL 425 »Solang es Menschen gibt auf Erden« und GL 454 »Geht in alle Welt, Halleluja«

Gesang zur Gabenbereitung
GL 442 »Wo die Güte und die Liebe wohnt, dort nur wohnt der Herr«

Gesang zur Kommunion
GL 414 »Herr, unser Herr, wie bist du zugegen«

Dankhymnus/Schlusslied
GL 464 »Gott liebt diese Welt« oder
GL 831 (Diözesanteil Freiburg und Rottenburg-Stuttgart) »Wäre Gesanges voll unser Mund«

Vorüberlegungen
Zum Text: Mt 22,34–40 (Evangelium)

Das uns sehr geläufige Doppelgebot der Liebe steht bei Matthäus in einem gewissen polemischen Kontext. Ausgangspunkt ist die Frage des Gesetzeslehrers, der Jesus offensichtlich eine Testfrage stellen möchte. Matthäus setzt in der Antwort Jesu das sogenannte »Höre Israel«, eines der Hauptgebote des Judentums, das täglich dreimal gebetet wird, vom Gebot der Nächstenliebe ab. Oft wurde in einem Teil der christlichen Auslegungsgeschichte die Nächstenliebe aus ihrem jüdischen Kontext herausgelöst. Die Parallelstelle bei Markus ermöglicht jedoch auch eine andere Interpretation. Markus stellt den Schriftgelehrten neutraler dar. Er stellt Jesus die Frage nach dem ersten Gebot. Anders als bei Matthäus wird nicht der Gegensatz zwischen Jesus und dem Mann, sondern das Gemeinsame betont.

Denn an dieser Stelle ist wichtig, darauf hinzuweisen, dass die Nächstenliebe zusammen mit der Gottesliebe nicht nur die Essenz des Christentums, sondern aller großen Religionen ist. Daher lädt die Bibelstelle ein, nach Wegen zu suchen, wie dieser scheinbare Gegensatz und ein vermeintlicher Vorteil des Christentums in eine gemeinsame Verbindungslinie kommen können. Denn die Verbindung zwischen Gottesliebe und Nächstenliebe, zwischen Verkündigung (Martyrie) und Dienst am Menschen (Diakonie) sind auch innerhalb des Christentums nicht immer eindeutig in einem gleichwertigen Verhältnis. Dass hingegen das eine nicht ohne das andere sein kann und ansonsten seinen Sinn verliert, dafür kann gerade der provokative Rahmen dieser beiden Gebote bei Matthäus sensibilisieren.

Predigt

Immer mehr Menschen lassen sich tätowieren und tragen ein Tattoo unter der Haut. Es sind oft einschlägige Momente, in denen es um das Leben als Ganzes geht, die Menschen veranlassen, sich ein Tattoo stechen zu lassen. Die Motive bilden etwas ab, was Bedeutung hat. Was ihnen wichtig ist, wollen sie nicht verlieren und nicht vergessen. Sie wollen es auf ewig unter der Haut tragen: eine Weisheit, einen Menschen, eine Haltung.

Haben auch Sie einen Spruch, eine Weisheit, ein Bild, den/die/das Sie in Ihr Stammbuch schreiben oder gar tätowieren lassen würden? Was ist Ihnen wichtig?

Mein Spruch wäre der franziskanische Gruß: pace e bene – Friede und alles Gute. Gerade in den momentan an vielen Orten friedlosen Zeiten, geprägt von Hass und Intoleranzen, bekommt für mich der Gruß nochmals eine ganz besondere Relevanz und Bedeutung.

Das Wichtige kann auch fanatisch werden


Wenn das persönlich Wichtige jedoch exklusiv und in seiner Absolutheit noch emotional kombiniert wird, dann kippt das Bedeutsame in Fanatismus. So faszinierend es zunächst wirkt, wenn jemand alles auf eine Kappe setzt, so beängstigend und bedrohlich wird es, wenn es daneben nichts anderes mehr gibt. Menschen werden dann schnell radikal oder fundamentalistisch im Fußball, in der Religion oder im persönlichen Einsatz. Eine solche Einseitigkeit macht mir Angst, weil es keinen Platz mehr für anderes gibt. Die Wirklichkeit wird nur in Gegensätzen wahrgenommen: entweder gut oder schlecht, entweder schwarz oder weiß, entweder oder … Die Welt ist aber meist komplexer als schwarz oder weiß. Manchmal ist eine Mischung aus dem einen und anderen gefordert und manchmal erfordert die Situation ein Abweichen von radikalen Prinzipien. Es braucht eine Verbindung, eine Brücke zwischen den Gegensätzen schwarz und weiß, zwischen Religion und Säkularität, zwischen Kirche und Welt.

Jesus baut eine Brücke zwischen Gegensätzen

Jesus baut im Evangelium eine Brücke zwischen sich scheinbar ausschließenden Gegensätzen, zwischen Gott und Mensch, zwischen Mensch und Mensch. Zunächst wird Jesus auch gefragt, was ihm das Wichtigste ist. Auf diese Frage antwortet er jedoch in einer verbindenden Weise: Er setzt bei der Glaubenstradition, beim Glaubensbekenntnis der Juden an, dem »Höre Israel«. Ausgehend davon schafft er eine Verbindung, eine Brücke zur Nächsten- und Selbstliebe. Gottes- und Menschenliebe stehen somit gleichberechtigt nebeneinander – sie sind nicht gleich, aber gleichwertig und gleich wichtig.

Jesus führt mit der Brücke zwischen Gottes- und Menschenliebe aus der Enge der Frage heraus, aus dem Entweder-oder. Er stellt sich auf den Boden der Tradition und blickt von dort aus auf den Menschen. Es gelingt ihm so, beides miteinander zu verknüpfen, ohne das eine oder das andere aufzulösen. Mit dieser Brücke kann er verdeutlichen: Wenn mir Gott im Menschen begegnet, dann kann ich Gott nicht ohne den Menschen lieben. Und wenn sich in jedem Menschen die Großartigkeit Gottes zeigt, dann führt die Menschenliebe immer auch zur Gottesliebe.

Meist gibt es noch eine Kehrseite

Gerade bei den wichtigen Dingen des Lebens gibt es meist eine Kehrseite der Medaille, die hilft, nicht einseitig oder fanatisch zu werden. Ich lebe beispielsweise von guten Freunden, brauche aber auch Zeit für mich allein. Ich sitze am Schreibtisch in meinem Büro, brauche aber auch Bewegung und Abwechslung. Ich vertraue auf Gott, habe aber auch selbst Verantwortung für mein Leben. Diese Reihe könnte man fortsetzen. Sie zeigt, dass es oft diese Spannungsverhältnisse gibt, die nicht aufgelöst werden dürfen. Die Kunst liegt darin, das eine mit dem anderen zu verbinden – Brücken zu bauen.

Denn die Angst ist oft groß, das eine zu verlieren, wenn ich mich auch auf das andere einlasse. Manche befürchten, ihren Glauben zu verlieren, wenn sie sich auf die Welt und ihre Fragen einlassen oder gar in den Dialog mit anderen Religionen treten.

Es braucht Brücken und sie müssen liebevoll sein. Dazu ist es gut, zu wissen, was mein Boden ist, auf dem ich stehe, wo vielleicht auch mein Ausgangspunkt ist, von dem aus ich denke und von dem aus ich handle. Es ist dann eine Brücke, die Verbindung schafft aus der Motivation der Liebe, nicht um den anderen zu gewinnen oder über ihn zu verfügen, sondern mit ihm in Verbindung zu treten: Verbindung zwischen mir und Gott, Verbindung zwischen mir und Menschen, Verbindung zwischen meinem Hobby und meinem Beruf.

Tattoos als Verbindungszeichen

Die Tattoos vom Anfang schaffen auch Verbindung. Sie sind eine Erinnerungs-Brücke zwischen etwas Wichtigem und der Gegenwart. Sie erinnern in der Gegenwart an etwas Wichtiges aus der Vergangenheit. Damit Gegensätze in einen gegenseitigen Bezug kommen, können also Zeichen hilfreich sein, die eine Verbindung ermöglichen zwischen Altem und Neuem, zwischen Fremdem und Vertrautem. Manchmal ist es ein gemeinsames Gebet, vielleicht auch ein gemeinsames Essen oder ein gemeinsamer Spaziergang. Ob aus dieser gemeinsamen Erfahrung ein Tattoo entsteht, bleibt eine persönliche Entscheidung. Es könnte jedenfalls ein liebevolles Verbindungszeichen sein.

Fürbitten


Herr, unser Gott, wir kommen inmitten einer gespaltenen Welt und Kirche vor dich und bitten um deinen Geist:

– Wir sind verbunden mit vertriebenen und bedrohten Menschen, die auf der Flucht sind, in Lagern kampieren oder im Meer ertrinken.
(Herr, sende deinen Geist.)
– Wir sind verbunden mit kranken Menschen in Krankenhäusern, Hospizen und Altenheimen.
– Wir sind verbunden mit den jungen Menschen, die nach Orientierung suchen und Angst vor der Zukunft haben.
– Wir sind verbunden mit ausgetretenen Menschen aus der Kirche, für die weiter ein Platz sein soll.

Lebendiger Gott, auf deine Lebenskraft vertrauen wir und bitten um deine Liebe und deinen Geist, durch Christus, unseren Bruder und Herrn. Amen.



1 Anton Rotzetter, Gott, der mich atmen lässt. Gebete des Lebens, Freiburg 2001, 195.

Bernd Hillebrand

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