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»Dienst am Wort«
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Leseprobe 3
Erntedank
Erntedank – mit Rückseiten

Beitrag II

Einführung

Erntedank! Für viele Menschen – vor allem, aber nicht nur in den Städten – mag das heutige Fest nichts mehr mit ihrem Alltag zu tun haben. Es gibt ja jederzeit alles zu kaufen. Wo und wie Früchte und Gemüse gewachsen sind und geerntet wurden, kümmert kaum. Ist das Erntedankfest also nicht mehr als Nostalgie? Sicher nicht! Es erinnert daran, dass nicht alles plan- und machbar ist und es Früchte gibt, die man nicht essen, wohl aber genießen und dafür danken kann und soll. Das Erntedankfest lädt dazu ein, dem geheimnisvollen Geber aller Dinge zu danken für alles, was uns leben lässt und unserem Dasein Sinn und Erfüllung schenkt, und dabei nicht zu vergessen, dass wir eingewoben sind in ein Netz von Geben und Nehmen. Diesen geheimnisvollen Geber nennen wir »Gott«. Nicht immer gehen wir verantwortungsbewusst und weitherzig um mit den Gaben der Erde und unseres Lebens. Darum bitten wir um Gottes Barmherzigkeit und Vergebung:

Kyrie-Ruf

Herr Jesus Christus, du hast guten Samen in uns gelegt und möchtest, dass er reife und Frucht bringe – für uns und unsere Welt.
Herr, erbarme dich.
Du willst, dass alle Menschen Teil haben am Reichtum der Erde, genug, um menschenwürdig leben zu können.
Christus, erbarme dich.
Du hast uns diese Erde anvertraut, damit wir sie nicht nur bebauen und nutzen, sondern auch schützen und sorgfältig und verantwortungsbewusst mit ihr umgehen.
Herr, erbarme dich.

Tagesgebet
Gott,
du wirkst auch heute als geheimnisvolle Kraft in deiner Schöpfung. Schenke uns ein feines Gespür für deine Gegenwart in und hinter allen Dingen und lass uns nie vergessen, dass wir mitverantwortlich sind für die gerechte Verteilung der irdischen Güter und für den Schutz der Natur als Lebensgrundlage auch der kommenden Generationen.
Darum bitten wir durch Jesus Christus, deinen Sohn, der Mensch wurde, um uns deine Liebe und Sorge erfahrbar zu machen und mit dir und der Heiligen Geistkraft lebt und liebt von Ewigkeit zu Ewigkeit.

Liedvorschläge
Gesang zur Eröffnung
GL 467 »Erfreue dich, Himmel«
Antwortgesang mit Ruf vor dem Evangelium
GL 58/1 »Lobe den Herrn meine Seele« mit 58/2 (Psalm 104) und
GL 175/3 »Halleluja«
Gesang zur Gabenbereitung
GL 186 »Was uns die Erde Gutes spendet«
Gesang zur Kommunion
GL 470 »Wenn das Brot, das wir teilen«
Dankhymnus/Schlusslied
GL 468 »Gott gab uns Atem«

Vorüberlegungen

Zum Text: Lk 5,1–11 (Evangelium)


Das Reich Gottes ist eines der Hauptthemen des Lukas-Evangeliums. In Jesus ist es schon mitten unter uns und zeigt sich unter anderem in einer durch Jesus geschenkten Fülle (Brotvermehrung, reicher Fischfang). In Jesus wird die Liebe Gottes sichtbar und erfahrbar. Beide Aspekte klingen in der vorliegenden Perikope an und begründen die Bereitschaft zur Nachfolge. Im Blick auf das Erntedankfest kann sie verstanden werden als Bild für den oft langen und beschwerlichen Lebens-Weg, vom »Nichts« der »leeren Netze« zur Fülle einer reichen Ernte, vom Hören auf Jesu Wort zu vertrauendem Glauben, der Erkenntnis des eigenen Unvermögens und der Bereitschaft zum Leben und Handeln im Sinn und Geist Jesu. In der Predigt versuche ich, den Dank für die Ernte in all ihren Facetten in einen größeren Zusammenhang zu stellen, damit das Erntedankfest nicht zum unfruchtbaren Kreisen um sich selbst verkommt.

Predigt


Könnten Sie sich vorstellen, Erntedank im Winter zu feiern? Eine merkwürdige Idee, denken Sie vielleicht. Was gibt es denn im Winter zu ernten?!

Fruchtbare Erde

Aber werden Gemüse und Obst nicht auch im Winter zum Kauf angeboten – oft sogar billiger als im Sommer und Herbst? Ist nicht immer irgendwo auf der Welt Erntezeit, von der auch wir – dank Globalisierung – profitieren? So abwegig ist es also schon deshalb nicht, Erntedank einmal in einer andern Jahreszeit zu feiern. Es könnte dazu anregen, sich zu fragen, wie, wo, von wem und zu welchen Bedingungen diese Früchte geerntet wurden, und auch an die Millionen von Menschen in den Dürreund Kriegsgebieten dieser Welt zu denken, die nicht wissen, wie sie ihren Hunger stillen sollen. Dankbarkeit, eingeengt auf die eigenen Interessen, das eigene Wohlergehen, ohne den Blick darüber hinaus und dahinter, kann geradezu zynisch sein und ist wohl kaum im Sinn und Geist dessen, der keinen Menschen und kein Volk von seiner Liebe ausschließt. Christlicher Erntedank kann nicht stehen bleiben beim eigenen Ernteerfolg. Er hat so etwas wie eine für viele verborgene Rückseite, die zu großherzigem Teilen, zu Fürbitte, aber auch zur Bitte um Vergebung herausfordert. Ein Erntedankfest ohne reich geschmückte Kirche könnte uns gerade diesen Rückseiten-Aspekt näherbringen.

Frucht der Arbeit

Aber es könnte auch den Blick dafür weiten, dass es vieles zu ernten gibt, was nicht auf Feldern oder in Gärten wächst. Haben wir nicht schon alle erfahren, dass unser Bemühen oder auch die Erziehung unserer Kinder Frucht getragen haben? Meist schreiben wir das aufs eigene Konto und vergessen ganz, auch für die vielen bekannten und unbekannten Menschen und unbeeinflussbaren Faktoren zu danken, die auf irgendeine Art und Weise zu dieser Ernte beigetragen haben. Und auch da gibt es Rückseiten, die nicht vergessen werden sollten. Eine davon ist die traurige Wirklichkeit, dass es viel zu viele Menschen gibt, die von einer befriedigenden Lebensernte nur träumen können.

Und da ist die Tatsache, dass es in jedem Leben auch Zeiten gibt, in denen der Dank sozusagen auf den Lippen gefriert: Zeiten des Misserfolgs, der Enttäuschung, der scheinbaren Sinnlosigkeit – Winterzeiten eben, um bei unserem Bild zu bleiben. Schreien und anklagen möchte man dann, nicht danken! Die Erinnerung an bessere Zeiten verblasst. Für die kleinen Schönheiten und Freuden am Lebens-Wegrand ist man blind. Und doch könnten gerade solche Kleinigkeiten zum Heilmittel für die bedrohte Lebens-Frucht werden. Das Rezept ist ganz einfach: Man nehme sich jeden Abend fünf Minuten Zeit, blicke auf den Tag zurück, erinnere sich an kleine Mutmacher wie etwa ein freundlicher Gruß der Nachbarin, das Lächeln eines Kindes oder das sonnige Wetter, danke dafür und schreibe sie dann auf. Diese Medizin wirkt vielleicht nicht sofort. Aber nach und nach kann sie die depressive Stimmung aufhellen und wandeln in wenigstens leisen Dank und neue Zuversicht.

Die mit Tränen säen …


Eine ganz andere und doch ähnliche Erfahrung klingt im heutigen Evangelium an. Petrus und seine Kollegen erleben eine Art Winterzeit: Die ganze Nacht haben sie sich mit fischen abgemüht – ohne Erfolg! Enttäuscht wollen sie aufgeben. Aber zum Glück sitzt Jesus mit im Boot! Zum Glück vertraut Petrus dessen Wort und wirft – wider alle Berufserfahrung – die Netze nochmals aus. Er erinnert sich an das, was er bisher von diesem Jesus gehört und mit ihm erlebt hat: Sein Wort hat Dämonen ausgetrieben und Kranke geheilt. So wagt er das menschlich gesehen Aussichtslose: »Wenn du es sagst, werde ich die Netze nochmals auswerfen. « Und siehe da: eine Ernte in Fülle! Dass Petrus sich plötzlich klein und unwürdig vorkommt und er – vor allem Dank – ins Stammeln gerät: Wer möchte es ihm verübeln! Aber dann lässt er alles liegen und folgt Jesus nach.

Für uns ist der Weg vom »Nichts« zur »Ernte in Fülle« meist länger als für Petrus und seine Kollegen. Aber Jesus sitzt auch in unserem Lebensboot. Auch uns ermutigt er, im Vertrauen auf sein Wort und im Blick auf sein Leben, Sterben und Auferstehen nie aufzugeben, auch wenn im Moment alles dunkel und aussichtslos zu sein scheint. Der Blick, das Hören auf ihn, zusammen mit der Erinnerung an früher geerntete Lebensfrucht und an die täglichen kleinen Freuden am Lebensweg, können auch für uns heute zur Quelle werden, aus der wir Vertrauen und Mut schöpfen zu einem Neuanfang mitten in winterlichen Zeiten scheinbarer Unfruchtbarkeit. »Die mit Tränen säen, werden mit Jubel ernten«, betet in einem der Psalmen staunend, dankbar und hoffnungsvoll einer, der dies erfahren haben muss (Ps 126,5).

Erntedank im Winter – warum eigentlich nicht? Vorerst aber freuen wir uns am festlichen Ernte-Schmuck in der Kirche und danken dem, der unsere Gärten und Felder so reich gesegnet hat und auch in unserem Leben schon so manche gute Frucht hat wachsen und reifen lassen. Wichtiger als der richtige Zeitpunkt ist doch, dass wir am Erntedankfest nicht nur das Sichtbare und Vordergründige im Blick haben, sondern den Blick weiten für die »Rückseiten« und Hände und Herz öffnen für jene, die weniger als wir zu danken haben.

Fürbitten

Geheimnisvoll liebender Gott, Ursprung und Erfüllung des Lebens. Du weißt, was Menschen zum Leben brauchen, und willst, dass ihr Arbeiten und Mühen Frucht bringt. Weil das auf unserer Erde nicht für alle und überall so ist, wollen wir neben dem Dank das Bitten nicht vergessen:

- Wir danken dir für die Früchte der Erde, die wir auch dieses Jahr wieder ernten durften, und bitten dich: Lass uns dabei jene nicht vergessen, deren Ernte zerstört wurde, die darben und hungern, und gib uns den Mut zu großzügigem Teilen.
- Wir danken dir für die Menschen, die diesen Ernteerfolg möglich gemacht haben, ganz besonders die Landwirte und ihre Helferinnen und Helfer nah und fern, und bitten dich: Schenke uns den Mut, für faire Arbeits- und Lebensbedingungen einzustehen und gerechte Preise zu bezahlen.
- Wir danken dir für die Frucht unserer Arbeit und unseres Mühens im Alltag und bitten dich: Wecke in uns den Sinn für soziale Mitverantwortung und Gerechtigkeit und schenke uns den Mut, nicht nur Eigeninteressen zu verfolgen, sondern zugunsten anderer auch einmal zurückzustecken.
- Wir danken dir für die Menschen, die uns geprägt haben und auf dem Lebensweg mit Liebe, Verständnis und Rat und Tat begleitet haben und noch begleiten, und bitten dich: Lass uns die richtigen Worte und Zeichen finden, um ihnen unsere Dankbarkeit zu zeigen.
- Wir danken dir für die Menschen nah und fern, deren Arbeit und Mühen wir unsere Ernte gestern und heute mitverdanken und die du schon zu dir gerufen hast, und wir bitten dich: Lass sie nun sich freuen an ihrer Lebensernte, die nichts und niemand zerstören kann.

Höre unseren Dank und erhöre unsere Bitten durch Jesus Christus, unseren Bruder und Freund. Amen.

Eva-Maria Zwyer

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