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»Dienst am Wort«
Herausgeber
Leseprobe 3
26. Sonntag im Jahreskreis
Lesejahr B
Kleine Lords

Beitrag zur Lesung

Predigt


Zum Text: Jak 5,1–6 (2. Lesung)

Ein kleiner Junge rettet seinen Großvater

Noch ist es ein bisschen früh, um an Weihnachten zu denken. Aber wenn Sie auch zu denen gehören, die sich an den Feiertagen gern einen Klassiker anschauen, werden Sie den Kleinen Lord kennen. Er gehört zum festen Repertoire der Weihnachtsfilme und zählt sicher zu einem der beliebtesten. Die Handlung ist schnell erzählt. Er alternder englischer Earl, unübertroffen verkörpert von Alec Guinness, sieht sich in der für ihn misslichen Lage, seinen Enkel aus Amerika als Erben auf den Familiensitz zu holen. Dessen Vater hatte er einst verstoßen, da er unstandesgemäß geheiratet hatte. Und so treffen der siebenjährige Cedric und seine Mutter auf dem englischen Schloss ein und bringen das Leben des grantigen Eigenbrötlers gehörig durcheinander. Dem kleinen Cedric gelingt es durch seine liebenswürdige, unkonventionelle und unvoreingenommene Art, das Herz des vereinsamten Großvaters zu erobern und ihn ins Leben zurückzuholen. Ja, unter dem Einfluss seines Enkels weitet sich sein Herz und er unternimmt den ersten Schritt, um längst verloren geglaubte Beziehungen zu Verwandten wiederherzustellen. Schließlich öffnet der Junge dem Großvater die Augen für die Not seiner Pächter, und der alte Earl investiert nicht nur Geld, um die schlimmsten Missstände zu beseitigen, sondern gibt ein großes Fest.

Die Freude des Himmels über jeden, der sich bekehrt


Der kleine Lord ist ein Film fürs Herz. Er hat eine gehörige Portion Schmalz, und für manche mag er so kitschig sein, dass ein Zuckerschock zu befürchten ist. Aber wir mögen Filme wie ihn. Vielleicht brauchen wir sie sogar – weil sie uns eine Geschichte erzählen, die uns glauben lässt, dass Menschen sich zum Guten ändern können. Wenn der alte Earl am Ende sagt, dass dies das fröhlichste Weihnachten ist, das er jemals gefeiert hat, und alle sich mit ihm freuen, dann ist es vielleicht gar nicht so weit hergeholt, an die Freude zu denken, von der Jesus spricht: der Freude im Himmel über jeden Sünder, der sich bekehrt.

Mitleid?

Was aber, wenn kein kleiner Lord aus Amerika in das Leben des alten Herrn gekommen wäre? Wahrscheinlich hätte er sein altes Leben weitergelebt: einsam, vergrämt, geizig, verantwortungslos und gleichgültig gegenüber dem Los seiner Pächter. Hätten wir Mitleid mit ihm gehabt? Vermutlich nicht. Wir mögen Filme, in denen die Bösewichte ihrer gerechten Strafe zugeführt werden. Darin unterscheiden wir uns von Gott. Wenn wir die Worte aus der zweiten Lesung nehmen, klingt es erst einmal nicht danach. Der Jakobusbrief wie auch das Evangelium reden Klartext mit uns: Für die Güter, die wir unseren Schwestern und Brüdern durch unsere Verschwendung vorenthalten, werden wir zur Verantwortung gezogen werden.

Beziehungslosigkeit – von allen Unglücken das schlimmste


Aber zwischen den Zeilen können wir Sorge hören: Sorge um uns. Sorge, dass wir das Leben verfehlen, dass wir irgendwann realisieren, dass wir auf das falsche Pferd gesetzt haben, dass wir materiellen Reichtum über die Beziehungen zu anderen Menschen gestellt haben. Von allen Unglücken, die uns treffen können, scheint dies das Schlimmste zu sein. Denken Sie an den alten Lord, der in seiner Einsamkeit verbitterte. Jesus fasst es schockierend drastisch: Besser ohne Hand, Fuß oder Auge leben, als so an unserer Seele zu verkrüppeln! »Was nützt es einem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt, dabei aber sein Leben einbüßt?« (Mt 16,26).
Das ist eine klare Ansage, aber eine Ansage aus Liebe. Und wir sind eher geneigt, uns etwas sagen zu lassen, wenn wir die Liebe mitschwingen hören. Jemand, der das in unserer Zeit so ernüchternd und erfrischend wie wohl kein zweiter versteht, ist Papst Franziskus. Er schmettert uns Wohlstandschristen mit unserem zerstörerischen Hunger nach dem letzten technologischen und modischen Schnickschnack ein »Das geht doch nicht« nach dem anderen ins Gesicht – und wir mögen ihn trotzdem. Weil wir fühlen: Es geht ihm um die anderen, aber es geht ihm auch um uns.

Jeder/m einen kleinen Lord – jede(r) ein kleiner Lord

Was mir bleibt, ist, uns allen einen kleinen Lord zur rechten Zeit in unserem Leben zu wünschen, der uns auf den Weg der Menschlichkeit zurückbetört, wenn wir uns in Sackgassen der Beziehungslosigkeit zu verlieren drohen. Ein noch größerer Wunsch aber ist es, dass wir den kleinen Lord mit seinem ganzen menschlichen Charme in uns selbst entdecken und darin unserem großen Herrn, Jesus Christus, mit all seinen Möglichkeiten göttlicher Liebe immer ähnlicher werden. Würde ein solcher Adelstitel nicht jedem von uns verdammt gut stehen?

Fürbitten
Im Vertrauen auf die Liebe Gottes zu allen Menschen und auf seine Macht, unsere Herzen zu bewegen, lasst uns beten:

- Für alle, die sich in der Kirche zu Gott bekennen und sein Reich der Liebe und Gerechtigkeit suchen.
(GL 619/5 »Kyrie, eleison«)
- Für alle, die Macht und Einfluss in unserer Gesellschaft haben und in deren Hand es liegt, das Leben vieler leichter zu machen und zum Guten zu beeinflussen.
- Für alle, die Not leiden in den Kriegs- und Krisengebieten unserer Erde und denen das Nötigste zum Leben fehlt.
- Für alle, die unter menschenunwürdigen Bedingungen arbeiten müssen und denen ein gerechter Lohn vorenthalten wird.
- Für alle, die ihr Herz übermäßig an Reichtum hängen und im Streben nach Gewinn und Ansehen ihre Menschlichkeit zu verlieren drohen.
- Für alle, die Einsamkeit erfahren und unter Beziehungslosigkeit leiden.
- Für alle, die unser Leben durch ihre Gegenwart reich gemacht haben und die uns im Tod vorausgegangen sind in die ewige Freude Gottes.

Denn du, allmächtiger Gott, hast ein Ohr für die Klagerufe deines Volkes. Wir loben dich und danken dir durch Christus unseren Herrn. Amen.

Sabine Schratz

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