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Die Inhalte
der Zeitschrift
»Dienst am Wort«
Herausgeber
Leseprobe 3
Sechster Sonntag der Osterzeit
Lesejahr B

»Wer nicht liebt, hat Gott nicht erkannt«

Beitrag zum Evangelium

Einführung

Ich begrüße Sie, liebe Gemeinde, sehr herzlich zum Sonntagsgottesdienst. Vielleicht sind Sie erstaunt über diesen Liebesgruß zu Beginn. In den biblischen Texten dieses Sonntags ist von der Liebe Gottes die Rede:»Wer nicht liebt, hat Gott nicht erkannt«. Und Jesus fordert: »Bleibt in meiner Liebe.« Ich möchte heute diese nicht leicht zu verstehende Botschaft mit Ihnen bedenken. Dass Gottes Liebe zu uns kein leeres Wort bleibt, sondern im Heute erfahrbar wird, das wünsche ich uns allen. Im Namen Gottes, der uns Vater und Mutter ist, der uns in Jesus Christus seine Liebe geschenkt hat, und der im Heiligen Geist uns durch dieses Leben geleitet, beginnen wir unseren Gottesdienst und bitten:

Kyrie-Ruf
Herr, Jesus Christus, du rufst Menschen, dir zu folgen und machst sie zu deinen Boten.
Herr, erbarme dich.
Du gibst ihnen Mut, dich zu bekennen und allen Menschen deine Liebe zu bringen.
Christus, erbarme dich.
Du rufst uns, dir zu folgen mit dem Auftrag: Liebt einander.
Herr, erbarme dich.
Gott, der allmächtige, schenke uns in allem Versagen Vergebung. Er
schenke uns im Wort und im Mahl Gemeinschaft mit Jesus Christus unserem
Herrn.

Tagesgebet
Gott,
du hast allen Menschen deine Nähe zugesagt.
Lass uns in dieser Feier spüren, dass du an jedem Einzelnen von uns Gefallen
hast und dass wir immer in deiner Liebe bleiben.
Darum bitten wir dich durch Christus, unseren Bruder und Herrn.

Liedvorschläge
Gesang zur Eröffnung
GL 464,1–3 »Gott liebt diese Welt«
Antwortgesang und Ruf vor dem Evangelium
GL 442 »Wo die Güte und die Liebe wohnt« und GL 174/7 »Halleluja«
Gesang zur Gabenbereitung
GL 186 »Was uns die Erde Gutes spendet«
Gesang zur Kommunion
GL 414 »Herr, unser Herr, wie bist du zugegen«
Schlusslied
GL 543,1.3–4 »Wohl denen, die da wandeln«

Vorüberlegungen

Zum Text: Joh 15,9–17 (Evangelium)

Der Text im Evangelium aus den sogenannten Abschiedsreden Jesu markiert ein wesentliches Element christlicher Existenz. Er ist im Kontext mit dem vorausgehenden Weinstockgleichnis zu sehen. Nur wer in Christus bleibt, kann Frucht bringen (»Getrennt von mir könnt ihr nichts tun« – Joh 15,5). Die Frucht besteht aber in nichts anderem als in der Liebe. Die Voraussetzung hierfür ist die Nachfolge Jesu, das »Bleiben in seiner Liebe«.
Das fordert von den Jüngern Gegenliebe im Glauben an seine göttliche Sendung und im Halten seiner Gebote. Liebe meint in diesem Zusammenhang aber nicht gefühlvolle Zuneigung, sondern Wirken für andere. Jesus konkretisiert dies: Er hat den Willen Gottes erfüllt bis zur Hingabe seines Lebens.
Dies muss auch Norm für die Liebe der Jünger zueinander sein. Dem folgt eine zweite Forderung Jesu: »Liebet einander.« Dies ist das Kennzeichen der Jüngerschaft schlechthin. Worin diese Liebe besteht, sollte in der Predigt exemplarisch entfaltet werden. Es ist der demütige Dienst an den Mitmenschen, aber auch die Bereitschaft der Hingabe des Lebens für andere. Darin liegt das Neue und das für Christen Signifikante des Liebesgebotes.

Predigt

Liebt einander

Neunzehn Mal hörten Sie heute in der Lesung aus dem Johannesbrief und im Evangelium das Wort »Liebe«, ein Wort, das im zwischenmenschlichen Bereich arg strapaziert, oft einseitig gebraucht und auch missbraucht wird.
Am Schluss unseres Evangeliums steht eindeutig das Gebot Jesu:»Liebt einander.« Auch wenn Johannes uns das Wort Jesu lange nach seinem Tod überliefert hat, kann man davon ausgehen, dass diese Forderung »liebt einander«, die wie ein roter Faden das ganze Evangelium durchzieht, tatsächlich auf Jesus zurückgeht. Dieses Wort Jesu stammt aus seiner sogenannten Abschiedsrede. Es ist wohl sein Vermächtnis, das er den Jüngern ans Herz legen wollte.
Am Beginn seiner Verkündigung vom Reich Gottes bei der Taufe am Jordan ist uns das Wort überliefert: »Dies ist mein geliebter Sohn, an ihm habe ich Gefallen.«
Das war wohl die Schlüsselerfahrung Jesu: von Gott in besonderer Weise berufen und geliebt zu sein. Aus dieser Erfahrung heraus lebte er in Begegnung mit den Menschen seiner Zeit. »Wie mich der Vater geliebt hat, so habe auch ich euch geliebt« (Joh 15,9). Das ist das Grundprogramm der ganzen Botschaft Jesu.

Ist Gott die Liebe?

Der Verfasser des 1. Johannesbriefes hat dann zu Beginn des 2. Jahrhunderts den christlichen Gemeinden ein Wort geschrieben, das die Botschaft Jesu ergänzt: »Gott ist die Liebe« (1 Joh 4,8). Und diese Liebe besteht darin, dass er »seinen Sohn als Sühne für unsere Sünden gesandt« hat.
Gott ist die Liebe? Zugegeben, ein anstößiges und nur schwer verständliches Wort. Ja, kann man überhaupt ein unendliches Wesen mit einem solchen Begriff aus dem zwischenmenschlichen Bereich adäquat beschreiben? Und wie kann man angesichts des Leids in der Welt überhaupt noch von einem »lieben Gott« reden? Stellen wir damit das Wort »Liebe« letztlich auf eine Gefühlsebene? Aber eben das ist im Evangelium dieses Sonntags nicht gemeint. Vielleicht müssen wir in diesem Zusammenhang das andere Wort Jesu im Evangelium noch dazu lesen: »Ich nenne euch nicht mehr Knechte … ich habe euch Freunde genannt« (Joh 15,15).
Das ist in der Tat eine revolutionäre Botschaft, wie ein Blick in die Geschichte anderer Religionen zeigt. Viele Religionen kennen ja eine Rangordnung für Menschen ihrer Gottheit gegenüber. Und in der Vergangenheit wurde dieses Wort in der Kirche oft nur auf den geistlichen Stand bezogen. Aber Freundschaft, Partnerschaft mit allen Menschen, das ist Kennzeichen der Botschaft Jesu. Und das heißt auch: Gott ist kein Diktator, kein gewaltiger unberechenbarer Herrscher, Gott ist Partner der Menschen.
Wie ist das möglich? Die Antwort Jesu im Evangelium ist die Magna Charta des Christentums schlechthin: »Wenn ihr meine Gebote haltet, bleibt ihr in meiner Liebe, wie ich die Gebote meines Vaters gehalten habe und in seiner Liebe bleibe« (Joh 15,10)… »dies trage ich euch auf: Liebt einander« (Joh 15,17).
Das klingt gut, werden Sie sagen, aber wie kann das gelingen? Wie oft bleibt meine Liebe unbeantwortet oder findet nur Hass und Spott zur Antwort. Ist dieses Liebesgebot in letzter Konsequenz überhaupt durchzuhalten oder scheitert es letztlich an meiner menschlichen Gebrechlichkeit?
Dies ist mein Gebot: »Liebt einander, wie ich euch geliebt habe.« Das Angebot der Partnerschaft mit Gott steht und fällt mit der Erfüllung dieses Gebots. Es hat auch in allen vier Evangelien einen hohen Stellenwert.
Die Zusage der Partnerschaft mit Gott fordert unsere Bewährung hierfür in Taten der Liebe. »Liebe ist nicht nur ein Wort, Liebe, das sind Worte und Taten«, so heißt es in einem modernen Lied. Und diese Liebe hat nicht primär mit Gefühlen und Zuneigung zu tun, sondern mit dem Wirken für andere. Als letzte Konsequenz dessen ist auch das Wort im Johannesbrief zu verstehen, von der Bereitschaft der Lebenshingabe für den anderen (1 Joh 3,16).
Zugegeben, vielleicht ist das ein hoher Maßstab, an dem christliches Leben gemessen wird, eine Messlatte, die wir, wenn überhaupt, vielleicht nur annähernd erreichen. Aber zu allen Zeiten wurde und wird unsere christliche Glaubwürdigkeit eben daran gemessen.

Das Wort Jesu, eine Liebesspur für uns?

Was können wir tun, damit dieses Wort Jesu sozusagen eine Liebesspur für uns wird, dass es auch heute noch zum Tragen kommt in einer Welt, die mit solchen Sätzen ja nicht mehr viel am Hut hat?
Ist die hohe Theologie der Liebe im Johannes-Evangelium in der konkreten Praxis tragfähig? Wie kann ich es verstehen, dass die auf die Jünger gerichtete Liebe nichts anderes ist als die Mitteilung der Offenbarung Gottes in Jesus Christus, deren gläubige Annahme den Menschen ewiges Leben verheißt, das heißt, immerwährende Gemeinschaft mit Gott öffnet?
Was Annahme der Offenbarung Gottes durch Jesus heißt, wird im Umgang Jesu mit den Menschen seiner Zeit, mit den streng Gläubigen, mit Menschen anderer religiöser Tradition, mit Menschen aller gesellschaftlichen Schichten, mit Kranken, mit Versagern deutlich. Es ging ihm in seinem Leben um Überwindung von Grenzen und Abbau von Vorurteilen, um die Anerkennung der Geächteten und der am Rand der Gesellschaft Stehenden. Gerade mit ihnen feiert er immer wieder das Mahl der Versöhnung.
Und diese Lebenspraxis Jesu haben Menschen durch all die Jahrhunderte hindurch versucht, in ihrer Lebenssituation konkret umzusetzen, so, dass sein Wort eine Liebesspur in unserer Zeit wird: »Liebet einander, wie ich euch geliebt habe.«
Maximilian Kolbe hat dieses Wort ernst genommen. Er bot sich für einen Familienvater an, im Hungerbunker zu sterben, und hat sogar noch seinen Peinigern verziehen. Und ich denke an Mutter Teresa und ihre Schwestern, die den geschützten Schwesterkonvent verlassen und ihr Leben in Elendshäusern mit den Sterbenden teilen.
Aber wir brauchen ja gar nicht in die Ferne der Geschichte oder der Erdkugel zu gehen: Da ist ein hochbezahlter Manager, der vorzeitig seinen Dienst quittiert, um seiner schwerkranken Frau in den letzten Monaten beizustehen. Oder eine Mutter, die in noch jungen Jahren eine gesunde Niere für ihr Kind spendet, damit ihm eine glückliche Zukunft eröffnet wird. Und wie viele Zeichen der Liebe und der Vergebung werden Tag für Tag ganz unscheinbar zwischen Menschen vollzogen, neben den spektakulären und offensichtlich die Medien viel mehr interessierenden Skandalen?
»Liebet einander.« Ja, ohne den tausendfachen Vollzug dieser Weisung Jesu wäre unsere Gesellschaft gar nicht lebensfähig. Das ist unser Auftrag, daran werden wir Christen gemessen. Darin realisiert sich auch die Glaubwürdigkeit unseres Bekenntnisses zu Gott. Die Liebe zu ihm in der Nachfolge Jesu ist Grund und Norm für die Liebe zum Nächsten.

Fürbitten
Herr, Jesus Christus, du hast die Liebe zum Erkennungszeichen für uns Christen gemacht. Dich bitten wir:

– Für alle, die in unserem Land Verantwortung tragen in Politik und Wirtschaft: dass sie das Wohl der kommenden Generation im Blick behalten.
(Christus, höre uns. – Christus, erhöre uns.)
– Für junge Menschen, die sich leicht vom Versprechen der Liebe verleiten lassen und oft genug enttäuscht oder verletzt zurückbleiben.
– Für alle, die einen lieben Menschen verloren haben, und für die Einsamen: dass ihre Sehnsucht nach Liebe eine Antwort findet.
– Für unsere Gemeinden, denen die Liebe zu den Mitmenschen aufgetragen ist: dass sie Kraft und Mut finden, die Weisung Jesu zu erfüllen.

Herr, Jesus Christus, du hast uns deine Freundschaft angeboten. Lass uns in deiner Liebe bleiben. Heute und alle Tage unseres Lebens. Amen.

Franz Brendle

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