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Die Inhalte
der Zeitschrift
»Dienst am Wort«
Herausgeber
Leseprobe 3
32. Sonntag im Jahreskreis
Lesejahr B
Geopfert für unsere Sünden?

Predigt
Zum Text: Hebr 9,24–28 (2. Lesung)

In meinem alten Gesangbuch gab es das Lied zum Sanctus »Heilig, heilig, unaussprechlich heilig«. Als Kind lernt man Lieder zuerst vom Hören und nicht aus dem Buch. Und so sang ich lange Zeit mit größter Selbstverständlichkeit: »Heilig, heilig, unausstehlich heilig.« Das Wort war mir geläufiger – weil man ja als Kind öfter zu hören bekommt: Heute bist du aber unausstehlich!
Geht es uns nicht mit manchen religiösen Formeln ähnlich, die wir auch als Erwachsene selbstverständlich fast reflexartig weitertransportieren, ohne den Sinn zu bedenken – so etwa mit dem Satz aus der heutigen Lesung: Jesus Christus geopfert für unsere Sünden – eine Wendung, die ja in unseren Liedern und Gebeten in vielen Wendungen wiederkehrt: Gottes Lamm Herr Jesus Christ, du sühnest unsre Sünden … Was sagen wir da eigentlich?

Die Rede vom »Opfer« ist problematisch …

In theologischen Büchern liest man, dass diese Sprache an die Opferhandlungen des Alten Testaments erinnert: Am jährlichen Versöhnungstag hat der Hohepriester vor der Bundeslade das Blut der Opferlämmer zur Entsühnung über das Volk gesprengt. Der endgültige »Versöhnungstag« aber ist der Tag des Todes Jesu Christi, an dem er selbst sich für uns geopfert hat und durch die Pforte des Todes ins Leben geschritten ist. So steht er jetzt als Opfer und Priester zugleich vor Gott für die Welt ein. Und jede Feier der heiligen Messe vergegenwärtigt dieses Opfer zum Heil der Welt. – So die steile Sprache der Theologie.
Dem Nachdenklichen kommen massive Fragen:
– Christus als Opfer – will denn Gott dieses Opfer? Braucht er es? Verlangt er es? Was ist das für ein Gott?
– Und: Geopfert für unsere Sünden? Wie sollen – wie können Sünden durch dieses »Opfer« weggenommen werden ?
Ein tieferes Nachdenken über diese Fragen führt uns in das Zentrum unseres christlichen Glaubens.

… und führt doch ins Zentrum des Glaubens

Christus ist nicht am Kreuz gestorben, weil da ein durch die Sünden der Menschen beleidigter Gott ist, der Sühne will durch den Opfertod seines eigenen Sohnes – eine absurde Vorstellung. Der Tod Jesu ist vielmehr die Konsequenz dessen, was er verkündet hat und wofür er eingestanden ist: die Liebe Gottes, die menschliches Rechthaben durchbricht. Nicht weil ein beleidigter Gott Sühne will, musste sich Jesus am Kreuz opfern, sondern weil Leben sich nur entfalten kann, wo eine Liebe ist, die sich »opfert«.
– Wir verdanken unser Leben unseren Eltern, besonders unseren Müttern, die für uns ihre Kraft, ihre Zeit, ihre Nerven geopfert haben …
– Der Bestand einer Familie, einer Gemeinschaft hängt daran, dass Menschen nicht nur das Ihre suchen, sondern etwas von sich, ja sich selbst geben …
Ja, im Letzten wird die Welt zusammengehalten von der Liebe, die Gott in Jesus Christus in die Welt eingestiftet hat. Sie ist das Wasserzeichen, das Rettungszeichen der Welt!
Nur diese entgegenkommende Liebe Gottes ist es auch, die Schuld er-lösen und verwandeln kann. Auch das beste Recht, die perfekteste Gerichtsbarkeit, die beste Resozialisierung können Schuld nicht »hinwegnehmen«: das kann nur die göttliche Liebe, die »schwach wird« für den Menschen – die Liebe, die sich im wahrsten Sinn »festnageln« lässt.

Warum die Eucharistie Herzmitte der Kirche ist

Von da aus wird auch klar, warum das Herzstück der Gemeinde Christi, der Kirche, die Feier der Eucharistie ist: Weil in ihr die Lebens-Hingabe Christi präsent wird – so, dass wir daran teilnehmen.
Früher war der Begriff des »Mess-Opfers« geläufiger. Er legt freilich das Missverständnis nahe, als ob wir Gott damit etwas opfern – ja, als ob Christus immer neu auf dem Altar zum Opfer dargebracht werde. Dagegen haben die Reformatoren mit Recht auf der Einmaligkeit des Kreuzesopfers Christi bestanden – und der Hebräerbrief betont ausdrücklich: Gegen die vielen Opfer der Vorzeit steht das einzige Opfer Christi.
Wir opfern auch nicht Brot und Wein, und es ist missverständlich, sie Opfergaben zu nennen – so als ob wir ihren materiellen Wert Gott opfern. Es sind Gaben, Gaben Gottes an uns – und zugleich Zeichen für Christus, der sich hingibt für die Menschen wie Brot und Wein – für den Christus, der uns zum Lebens-Mittel wird.

Worin unser »Opfer« besteht

Unser Beitrag, unser »Opfer« kann nur darin bestehen, für diese Gaben und in ihnen für Christus und seine Lebenshingabe Dank zu sagen immer und überall (wie es in der Präfation heißt) – und durch unser Tun Zeugnis zu geben von seiner Liebe. Indem wir teilhaben am eucharistischen Brot und Wein, will er ja in uns Gestalt gewinnen. Darum heißt es: Nimm uns als Christi Glieder mit ihm zum Opfer an!
Auch wenn wir heute den viel weiteren Begriff »Eucharistie« für die Messe vorziehen und lieber die Gemeinschaft des Mahles betonen: Etwas Wesentliches bewahrt das Wort vom Mess-opfer: Hier geht es nicht um eine nette Familienfeier – hier geht es um Leben und Tod: Deinen Tod, o Herr, verkünden wir und deine Auferstehung preisen wir …
Nur die opferbereite Liebe ist es, die der Welt zum Heil ist, die alles Unheile heilen kann.

Fürbitten
Jesus Christus, du hast gesagt: Wer das Leben einsetzt, wird es gewinnen. Die Verheißung ist groß, der Weg dahin oft schwer. Wir bitten dich:

- Für die Kirche, für die ganze ökumenische Christenheit auf dem Weg zur Einheit: Um Befreiung von der Angst, sich aufzugeben, wenn man sich öffnet.
(Christus, höre uns. – Christus, erhöre uns.)
- Für die Menschen, die hilflos Opfer von Terror und Gewalt werden: Mach dem Schrecken ein Ende und lass die Bemühungen um Befriedung nicht umsonst sein.
- Für die Kranken, die Lebenspläne lassen müssen; für die Trauernden, die untröstlich sind: Hilf, den Verlust in Hingabe zu verwandeln.
- Für alle, die (nach dem Beispiel des heiligen Martin nicht nur den Mantel, sondern) das Leben mit anderen teilen: Eltern mit ihren Kindern, Pflegende mit Kranken …: dass das, was sie geben, ihr eigenes Leben erfüllt.
- Für uns selbst, wenn uns das Äußerste abverlangt wird: Lass uns Kraft und Halt finden an dir und deinem Weg.

Denn du bist selbst der Weg, der zum wahren Leben führt. Durch dich preisen wir den Vater im Heiligen Geist. Amen.

Thomas Keller

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