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der Zeitschrift
»Dienst am Wort«
Herausgeber
Leseprobe 3
Erster Fastensonntag
Lesejahr A
Einführung
»Wenn er mich anruft, dann will ich ihn erhören.
Ich bin bei ihm in der Not,
befreie ihn und bringe ihn zu Ehren.
Ich sättige ihn mit langem Leben
und lasse ihn schauen mein Heil« (Ps 91,15–16).
Der liturgische Eröffnungsvers des Ersten Fastensonntags stellt uns die Fastenzeit als eine Zeit des Gebets vor, des Rufens zu Gott: Jahwe, der Ich-bin-da, ist beim Rufer in der Not. Er befreit ihn, er bringt ihn zu Ehren, er sättigt ihn mit Leben, er lässt ihn schauen sein Heil. Er, Gott!
Im Hören auf ihn wird aus dem alten Menschen der neue Mensch. Um diesen Grundgedanken unseres Glaubens kreisen die Lesungen und Gebete zu Beginn der vierzigtägigen Fastenzeit.

Kyrie-Ruf
GL 162 »Aus der Tiefe unsrer Todesangst«
(kann auch responsorisch gesprochen werden)

Tagesgebet
Allmächtiger Gott,
gib, dass wir uns erneut auf die heilvollen vierzig Tage der Fastenzeit einlassen.
Lass uns nicht nur das Geheimnis Jesu Christi deutlicher erkennen,
sondern die Spur seines Lebens eifrig aufnehmen.
Darum bitten wir durch ihn, Jesus Christus.
(vgl. lateinische Oration am 1. Fastensonntag)

Liedvorschläge
Gesang zur Eröffnung
GL 293 »Auf dich allein ich baue«
Antwortgesang mit Ruf vor dem Evangelium
GL 190/1 »Erbarme dich meiner, o Gott« mit 190/2,1–4.8–11 (Psalm 51) und
GL 173/1 »Lob sei dir, Herr«
Gesang zur Gabenbereitung
GL 164,4–6 »Herr, nimm von mir nicht deinen Geist«
Gesang zur Kommunion
GL 167 »O höre, Herr, erhöre mich«
Dankhymnus/Schlusslied
GL 634 »Dank sei dir, Vater«

Fürbittgebet
Rufen Menschen dich an, Herr, so willst du sie erhören. Sind sie in Not, so bist du bei ihnen. Du befreist und bringst zu Ehren. Du sättigst mit Leben und lässt uns schauen dein Heil. Dich rufen wir an:

– Steh uns Menschen bei, wenn wir an unserer Menschlichkeit leiden. Wir rufen dich an:
(Herr, erbarme dich.)
– Sei uns Menschen nicht fern, wenn uns die Augen aufgehen und die Erkenntnis, dass wir nackt sind, arm und elend. Wir rufen dich an:
– Richte uns Menschen auf, wenn Schuld uns niederdrückt. Wir rufen dich an:
– Bring dich in Erinnerung, wenn Menschen mit dir nicht mehr rechnen. Wir rufen dich an: …
– Reiß heraus, wenn Menschen ihre Freiheit vertauschen gegen die Abhängigkeit von Rausch und Droge. Wir rufen dich an:
– Lass dein Licht aufgehen über allen, die sich fürchten vor dem Tod. Wir rufen dich an:

Gott, unser Vater, bei dir ist Rettung und Leben. Wir loben und preisen dich jetzt und in Ewigkeit. Amen.

Es geht um Gott, weil es um uns Menschen geht

Vorüberlegungen
Zum Text: Mt 4,1–11 (Evangelium)

Die heutige Perikope aus dem Matthäusevangelium erzählt die Versuchungen Jesu in sich steigernder Anfechtung durch den Hunger über den Gott herausfordernden Sturz vom Tempel bis zur Verführung der Weltherrschaft.
»Die eigentümliche Darstellung, die ein inneres Geschehen äußerlich-anschaulich mit einem Herantreten des Teufels in leibhafter Gestalt und mit Ortsveränderungen (Wüste, Tempel, hoher Berg) beschreibt, will nicht als wahrnehmbarer Vorgang verstanden werden, sondern eine Erprobung Jesu am Beginn seiner messianischen Laufbahn schildern«1. Das Evangelium will in das Geheimnis der Person Jesu einführen, wie es das Tagesgebet des Ersten Fastensonntags für die vierzig heiligen Tage erbittet. Es ist eine Christusgeschichte, die den Jesus von Nazaret nach seiner Taufe als den in der Kraft des Heiligen Geistes wirkenden Gottes- und Menschensohn vorstellt. Alle drei Versuchungen sind ein Angriff auf die Gottessohnschaft Jesu gleichermaßen wie auf seinen Dienst als Gottesknecht, in dem er ganz Mensch geworden ist. Das später formulierte Christusbekenntnis »ganz Gott und ganz Mensch« steht radikal in Frage und bewährt sich im teuflischen Widerspruch. Das Evangelium will eine Hilfe sein auf dem Weg des Glaubens, dem Weg der immer auch angefochtenen Erkenntnis des tiefen Geheimnisses der Menschwerdung Gottes in Jesus von Nazaret, seinem Sohn. Dieses mehr und mehr bzw. vertieft als Wirklichkeit unserer Rettung zu erkennen, will die Fastenzeit Raum und Gelegenheit bieten.

Predigt

Gott ist ein Fremdwort geworden …

für viele Menschen in unserem Land oder in Vergessenheit geraten oder einfach kein Thema mehr. Wie selbstverständlich wird um uns herum mehr und mehr ohne Gott geplant und gestaltet, gelebt und gestorben.
Dies hat vielfältige Ursachen, die wir heute nicht umfassend ausleuchten können. Ich möchte allerdings auch nicht nur allgemein lamentieren oder pauschal urteilen über die Gottlosigkeit unserer Zeit.
Ich möchte vielmehr fragen, ob Gott möglicherweise auch im Bewusstsein und in der Praxis der Kirche an den Rand geraten ist. Ist denn bei dem vielen, das in unserer Kirche verhandelt und debattiert, hochgespielt und dramatisiert, verkündet und gelebt wird, das Zentrum noch im Blick?
Manchmal kommt es mir so vor, als redeten wir vom Inventar und vergessen das Haus, in dem die Möbel stehen. Unversehens steht dann Kirche nur noch für Moral oder bunte Traditionspflege, für Papst und Bevormundung oder schlicht »olle Kamellen«. Oder wir reden über das Haus, als sei dieses selbst ein Möbelstück. Wir machen Gott mit dogmatisierenden oder wohlwollenden Reden zum Gegenstand der kirchlichen Inneneinrichtung, den man benutzen und verschieben kann, wie man ihn gerade günstiger- oder nützlicherweise braucht. Und dabei vergessen wir, dass er Gott ist, »in dem wir leben, uns bewegen und sind« (Apg 17,28).

Wir können sagen, das trifft nur die Amtskirche und Theologen, …

das sei nicht unser Problem. Aber wird dadurch in unserem Reden und Handeln Gott deutlicher? Buchstabieren wir Gott mit unserem Leben umso lesbarer? Buchstabieren wir ihn so, dass nicht »Götze« erscheint, wo Gott aufleuchten sollte? Mit dieser Frage geht es durchaus um uns. Es geht darum, wie groß oder klein wir Menschen von uns selbst und von unserer Welt denken.
Ich möchte Sie darum einladen, nachzuschauen, wie Gott in unserem Leben vorkommt. Die österliche Bußzeit will uns zu niemand anderem führen als zu ihm, zu Gott. Am Ende der vierzig Tage werden wir in der Osternacht gefragt: »Glaubt ihr an Gott …?« Und, weil wer sich für Gott entscheidet, sich den Götzen widersetzt: »Widersagt ihr dem Bösen …?«
Wir werden gefragt am Ende der Fastenzeit, wofür und wogegen wir sind. In die Herausforderung dieser Entscheidung stellt uns das heutige Evangelium von der Versuchung Jesu bereits zu Beginn. Es führt uns vor Gott und entlarvt die Götzen. Es führt uns miteinander in die persönliche Aufgabe und Chance unserer je eigenen österlichen Bußzeit.
Jesus ist versucht worden, und zwar nicht nur ein bisschen, sondern in der Mitte seiner Existenz: in seinem Verhältnis zu Gott. Gottessohn und Menschensohn, Gott und Mensch werden gegeneinander ausgespielt, der Mensch gegen Gott aufgebracht. Die Versuchung entzündet sich an drei entscheidenden Lebensfragen.

Die erste Frage: Wovon leben wir?

Sie stellt sich sehr konkret jedem und jeder Einzelnen von uns. Viele Menschen werden krank an dieser Frage: Wovon lebe ich eigentlich? Worum dreht sich mein Leben letztlich? Was macht mein Leben aus? Was trägt, nährt oder bestimmt mein Leben? Und was gibt ihm Sinn?
»Befiehl, dass aus diesen Steinen Brot wird« (Mt 4,3), lockt es Jesus. Die Versuchung ist groß, sich selbst das Brot des Lebens zu machen. Wenn das, was wir uns selbst verdienen und erschaffen, unser ein und alles ist, dann haben wir den Götzen leibhaftig vor uns: ein Machwerk unserer Hände (vgl. Ps 115,4; Ps 135,15). Und dieses Machwerk kann viele Namen haben: Der Besitz kann zum Götzen werden, die gesicherte Position, die wunderbar eingerichtete Wohnung, das Geld, das Auto, der Urlaub, meine Selbstbestimmung und Selbstverwirklichung, meine Freiheit … In all diesen Bereichen stehen Entscheidungen an: »Ihr könnt nicht Gott dienen und zugleich dem Mammon« (Mt 6,24).
Es ist eine teuflische Versuchung, sich mit Selbstgemachtem vollzustopfen oder abzufinden. Aber es geht um mehr: Es geht darum, Erfüllung zu finden. »Der Mensch lebt nicht nur von Brot« (Mt 4,4), wird nicht vom Brot allein leben. Sehen wir nicht, wie er, nur mit Brot versorgt, verhungert? Wir sind zu groß, als dass wir an uns selbst oder an den Dingen der Welt genug finden könnten, als dass wir satt werden könnten mit noch so schönen Dingen. Das Beste ist immer noch etwas zu wenig: Gott allein genügt! Gott allein kann uns ganz erfüllen. Gott allein über-
steigt das Viele und Vielfältige, das wir uns selbst machen, mit dem wir uns, anspruchslos geworden, zufrieden geben oder abspeisen lassen. Der Mensch lebt »von jedem Wort, das aus dem Mund Gottes kommt« (Mt 4,4): Das Wort, das Gott spricht, ruft uns ins Dasein, nährt und erhält uns am Leben und ruft uns heraus aus dem Tod!

Die zweite Frage ist: Können wir uns auf Gott verlassen?

»Stürz dich hinab« vom Tempel (Mt 4,6), drängt die Versuchung Jesus. »Wie willst du es wagen, auf Gott zu setzen, wenn du keinen handfesten Beweis hast, dass Gott dich trägt? Mach die Probe aufs Exempel!«
Jesus lehnt ab: Gott lässt sich nicht als Beweismittel missbrauchen. Man kann nicht mit ihm experimentieren, man kann sich nicht mit ihm absichern wollen: Gott, das doppelte Netz in einem ansonsten völlig frei gestalteten und selbstbestimmten Leben. Für den Fall, dass … Nein, Jesus weiß sich von Gott getragen in Vertrauen und Liebe. Wenn ich das freie Liebesangebot Gottes in ein Verfügungsrecht meinerseits verdrehe, zerstöre ich die Liebe. Nicht selten geschieht dies unter dem Deckmantel frommer Worte. Was mir Gott sein oder sagen möchte, wird auf diabolische Weise zum Lückenbüßer oder zur Seelensalbung verbogen. Das ist die böse Versuchung der Frommen: Die Spannung von Vertrauen und Dankbarkeit, von Liebe und Freiheit wird aufgelöst. Glaube wird zum Faktor der eigenen Kalkulation verkehrt, aus dem man Besitzansprüche ableitet. Und ehe wir uns versehen, haben wir es nicht mehr mit Gott zu tun, sondern mit Götzen, und das mitten in der Kirche.

Die dritte Frage lautet: Vor wem gehen wir in die Knie?

Der Teufel zeigt Jesus »alle Reiche der Welt mit ihrer Pracht und sagt zu ihm: Das alles will ich dir geben, wenn du dich vor mir niederwirfst und mich anbetest« (Mt 4,8–9). Eine teuflische Versuchung!
Welchen Autoritäten oder Idolen beugen wir uns? Vor welchen Parolen und Angeboten oder Zielen gehen wir in die Knie? Beugen wir uns allem möglichen, das uns begegnet? Vor allem möglichen, das uns das Leben leichter zu machen verspricht, das uns schneller größer, reicher, mächtiger oder zumindest angesehener zu werden verheißt? Das mächtig als Sachzwang daherkommt? Oder beugen wir uns vor Gott?
Für Beförderungen und Höhergruppierungen, für Ansehen und Karriere oder Macht wird getreten, weggeschaut und totgeschwiegen, werden Ellbogen eingesetzt und andere schlecht gemacht, malträtieren und verletzen Menschen einander. Müssen wir uns diesem Bann von Karriere und Ansehen, von Status und immer mehr, immer toller, immer weiter, immer chicer … wirklich unterwerfen? Müssen wir uns dem, was doch offensichtlich alle wollen, müssen wir den Messlatten, die ständig von anderen gelegt werden, müssen wir uns dem Druck, dauernd mithalten zu müssen, wirklich bedingungslos beugen? Wie sehr buckle ich für was? Und wie viel mute ich dabei z. B. meiner Familie zu? Oder meiner Gesundheit? Oder der Menschenwürde? Oder meiner Lebensbeziehung zu Gott?
Was bete ich alles nach an vermeintlichen Wahrheiten? Wie viel habe ich schon geopfert an Solidarität und Bereitschaft zu teilen oder Anteil zu nehmen auf dem Altar vermeintlicher Lebensqualität?

Was habe ich von Gott?

Wofür ist er gut? Was nützt er mir? In solchen Fragen geht es mir nicht um Gott, sondern um mich selbst. Solange wir uns so fragen, glauben wir nicht eigentlich. Glaube beginnt dort, wo wir von uns absehen und nach Gott fragen, ja, wo wir nicht nur nach ihm fragen, sondern uns von ihm fragen lassen: Wovon lebst du? Vor wem oder was gehst du in die Knie? Willst du mir vertrauen? Glaube beginnt dort, wo wir anerkennen, dass Gott größer ist als alles, und ihn anbeten.
Wir werden wohl nur dann den selbstgemachten Götzen mit ihren bösen Zwängen und Unmenschlichkeiten entgehen, wenn wir uns auf den Weg zu Gott machen. Indem wir ihm begegnen, kommen wir zu uns selbst, und Gott wieder in die Welt von heute.
Vierzig Tage Fastenzeit sind eine gute Gelegenheit gerade dazu!

Clemens Stroppel

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