|
Leseprobe 1 |
30. Sonntag im Jahreskreis |
Fromm – nicht frömmelnd |
Lesejahr C |
 |
Beitrag zum Evangelium
Einführung
Wenn wir auf die Liturgie dieses Sonntags schauen, dann stellen wir rasch fest, dass einerseits der selbstgerechte Pharisäer und andererseits der schuldbewusste Zöllner die Protagonisten sind. Pharisäer waren dabei Menschen, die ernsthaft um ein gläubiges Leben bemüht waren – sowohl nach ihrer eigenen Sichtweise als auch nach der ihrer Umgebung. Ihre Gesetzestreue hat Jesus auch nie kritisiert. Was er aber kritisiert hat, das war die Selbstgerechtigkeit, mit der sie anderen begegnet sind und diese getadelt, ja, sie vom Heil und vom Reich Gottes ausgeschlossen haben. Das Anliegen Jesu aber lautet: Derjenige, der seine Schuld, sein Versagen erkennt und bekennt, der ist es, der vor Gott gerechtfertigt ist – der aber, der sich selbstgerecht über andere erhebt, der ist es nicht. Besinnen wir uns und lassen wir uns von Gott erkennen und neu ausrichten.
Kyrie-Ruf
Herr Jesus Christus, wir versuchen immer wieder neu gerecht zu sein auf unserem Weg, der oft von Ungerechtigkeit geprägt ist. Herr, erbarme dich.
Herr Jesus Christus, acht wollen wir geben, dass die leisen Töne auch zum Klingen kommen und nicht vom Lärm zugedeckt werden. Christus, erbarme dich.
Herr Jesus Christus, barmherzig wollen wir sein und öffnen unsere Hände, weil wir geben und empfangen dürfen. Herr, erbarme dich.
Tagesgebet
Lebendiger Gott, wir sind Meisterinnen und Meister darin, andere Menschen zu bewerten und sie einzusortieren. Bewahre uns vor vorschnellen Urteilen und einer großen Selbstgerechtigkeit. Schenke uns die Einsicht, wie sehr wir alle auf dein Erbarmen angewiesen sind. Darum bitten wir durch Jesus Christus, deinen Sohn, unseren Bruder und Herrn, der mit dir und dem Heiligen Geist lebt und uns Menschen liebt, heute und in unserer Ewigkeit.
Liedvorschläge
Gesang zur Eröffnung GL 481,1–3.7 »Sonne der Gerechtigkeit«
Antwortgesang mit Ruf vor dem Evangelium GL 381,1.4.5 »Dein Lob, Herr, ruft der Himmel aus« oder GL 558,1 »Danket dem Herrn« und GL 175/4 »Halleluja«
Gesang zur Gabenbereitung GL 184 »Herr, wir bringen in Brot und Wein«
Gesang zur Danksagung GL 389,4–6 »Dass du mich einstimmen lässt«
Segenslied GL 451 »Komm, Herr, segne uns«
Vorüberlegungen
Es gibt Erzählungen in den Evangelien, die uns sehr vertraut sind. Diese hier vom Zöllner und Pharisäer gehört sicherlich auch dazu und deshalb besteht mitunter die Gefahr, dass uns die volle Bedeutung dieser Zeilen gar nicht mehr richtig vor Augen ist. Einerseits überrascht sie die Hörerinnen und Hörer, andererseits verweist sie auf wichtige Traditionen. Die Pharisäer auf der einen Seite waren zwar ziemlich frei in der Schriftauslegung, aber sie waren rigoros in ihrer Lebensführung, was die gesetzlichen Vorgaben betraf. Die Zöllner hingegen waren in den Augen der Menschen Kollaborateure der verhassten Römer, weil sie für sie die Steuern eintrieben und gelegentlich ihre Stellung ausnutzten. In den Zeilen wird sichtbar, dass der Pharisäer um nichts bittet und deshalb folglich auch nichts erhält. Ganz anders dagegen der Zöllner. Seine Worte machen deutlich, dass die Gerechtigkeit, von der Jesus in seiner Botschaft erzählt, eine wahre Umkehr möglich macht.
Predigt Zum Text: Lk 18,9–14 (Evangelium)
Das Gefühl von Überlegenheit
Kennen Sie das Wohlgefühl, welches aufkommt, wenn man sich anderen überlegen fühlt? Ja, mitunter werden Mitmenschen sogar so richtig niedergemacht, damit wir dieses »High«-Gefühl genießen können. Wir brüsten uns mit Stärke, haben eine anscheinend so reine Weste, stehen auf der guten Seite, während die anderen natürlich im Unrecht sind. Wir wähnen uns einfach besser: Wir werfen unseren Müll nicht nur weg, sondern entsorgen ihn umweltgerecht; wir kaufen nach Möglichkeit Bio-Artikel und achten auf eine gerechte Entlohnung der Menschen. Wir verschwenden nichts und schauen, dass wir uns diesbezüglich auch im Griff haben. In der Kirche fühlen wir uns fromm – so lange das nicht als rückständig, reaktionär oder weltfremd eingestuft wird. Denn darauf haben wir keine Lust. Eher schon auf das Gefühl, moralisch gut zu sein, besser dazustehen als andere. Und dafür nehmen wir auch mal Anstrengungen in Kauf.
Das Verhalten des Pharisäers und mein Verhalten
Der Pharisäer aus dem heutigen Evangelium badet sich in genau diesem Gefühl. Er ist von seinem Handeln überzeugt und er macht ja auch – zumindest vordergründig – vor Gott alles richtig. Ja, ich nehme ihm das, was er sagt, voll und ganz ab. Dass er zweimal die Woche fastet, dass er den Zehnten seines Einkommens abgibt, ein guter Ehemann ist und andere nicht übers Ohr haut oder sich unrechtmäßig bereichert. Und: Er prahlt mit diesem Verhalten nicht in aller Öffentlichkeit herum, sondern seine Worte sind nur für ihn selbst und Gott bestimmt, für sonst niemand. Jetzt frage ich Sie ernsthaft: Das soll schlecht sein? Also wenn einem im Leben etwas gelungen ist, dann darf man sich doch schon auch mal auf die Schulter klopfen, oder nicht? Ich gebe gerne zu: Ich brauche das ab und an – Sie etwa nicht? Dem Pharisäer im Evangelium geht es da anscheinend wie mir! Und ich muss sagen, ich kann nirgendwo feststellen, dass Jesus gegen ein solches Verhalten Einwände erhebt. Lassen Sie sich also von niemandem einreden, dass Christsein einzig und allein bedeuten würde, mit hängendem Kopf und tränenden Augen, voller Komplexe und Minderwertigkeitsgefühlen herumzulaufen und ständig den Eindruck zu erwecken: »Ach, was bin ich doch schlecht.« Nein, was okay ist, darf ich auch sagen, und was mir gelingt, darauf darf ich auch stolz sein.
Der Zöllner und seine Erkenntnis
Dass nun der Zöllner andererseits voller Zerknirschung hinten im Tempel steht, hat einen bestimmten Grund. Es ist ihm klargeworden, dass manches in seinem Leben schiefgelaufen ist und dass er nicht ohne weiteres mit gutem Gewissen in den Spiegel schauen kann. Das weiß er und deshalb will er auch dazu stehen – ganz besonders vor Gott. Er weiß und spürt: Nur so bekomme ich die Sache vor mir selbst wieder auf die Reihe; nur so bekomme ich das, was ich falsch gemacht habe, aus der Welt. Ich finde es toll, dass dieser Zöllner so ehrlich zu sich selbst ist, nichts unter den Tisch kehrt und zu seinen Fehlern steht. Aber deshalb ist er doch noch lange nicht besser als der Pharisäer. Wenn der sich etwas zuschulden kommen ließe, würde er genauso Buße tun. Denn wenn man den Pharisäern auch vieles vorwerfen kann – eines mit Sicherheit nicht: Es kann niemand sagen, sie hätten es nicht ernstgemeint.
Ein Satz entfremdet den Pharisäer von Jesus
Deshalb versteife ich mich zu der Meinung, dass Jesus im Grunde genommen die Pharisäer sogar sympathisch fand. Sie standen ihm in vielem einfach nahe, auch wenn das in den Evangelien so nicht immer deutlich wird. Aber man darf sich doch fragen: Weshalb gibt sich Jesus denn so häufig mit ihnen ab? Warum verwendet er so viel Zeit darauf, ihnen klar zu machen, wo ihre Fehler liegen? Doch wohl deshalb, weil sie ihm nicht gleichgültig sind – weil er sie mag. Schließlich gibt es lediglich nur eine Sache, weswegen er sich immer und immer wieder mit ihnen in die Haare bekommt; etwas, das er ihnen jedes Mal von Neuem vorhält und das auch im heutigen Evangelium den Ausschlag gibt. Es ist der Satz: »Ich danke dir, Gott, dass ich nicht so bin wie die anderen Menschen, nicht so, wie dieser Zöllner dort.« Dieser eine Satz ist es, der im Grunde alles zunichtemacht, was der Pharisäer mit all seinem großartigen Tun aufgebaut hat. Man muss sich das einmal bildlich vorstellen: Die beiden wären sich ja im alltäglichen Leben nie so nahegekommen. Und jetzt stehen sie da im Tempel und ich meine, das ist nur möglich, weil in diesem Zöllner etwas aufgebrochen ist, was ihn dazu veranlasst hat, in den Tempel zu gehen und das Gespräch mit Gott zu suchen. Der Pharisäer müsste da eigentlich nachdenklich werden, müsste sich fragen: Was ist der Grund seines Hierseins? Aber er ist wie mit Blindheit geschlagen und erkennt eben nicht, dass auch der Zöllner ein Kind Gottes ist, von ihm gerufen und geliebt. Der Pharisäer kann und will nicht wahrhaben, dass Gott es ist, der diesen Zöllner zu sich in den Tempel geführt hat. Er kann und will nicht verstehen, dass Gott auch das Herz eines Zöllners bewegen kann, weil der Macht seiner Liebe auf Dauer nichts widerstehen kann.
Der Grund der massiven Kritik Jesu an den Pharisäern
Der Pharisäer hat bei all seinem mehr als ehrenwerten religiösen Tun das Wichtigste vergessen: nämlich die Menschen mit den Augen Gottes zu sehen. Und die Augen Gottes, das sind die Augen der Liebe. Es geht also weniger um das »Dass« unserer Glaubenspraxis, sondern vielmehr um das »Wie«. Wenn Jesus deshalb davon spricht, dass man sich nicht selbst erhöhen soll, dann hat er nicht irgendwelche Positionen oder erworbenes Einkommen im Blick, sondern vielmehr das Verhältnis zum Mitmenschen. Sich nicht selbst zu erhöhen, heißt dann, die Solidarität mit dem Mitmenschen nicht aufzukündigen, ihn eben nicht nur als einen lästigen Konkurrenten oder unnötigen Ballast zu sehen; sich bei allem Erfolg eben nicht besser zu dünken als andere – egal ob im ganz alltäglichen Leben oder in unserem ganz persönlichen Verhältnis zu Gott. Dass die Pharisäer genau das nicht lassen konnten, dass sie das sogar in ihrem Namen zum Ausdruck brachten – Pharisäer meint »Abgesonderte«, also abgesondert von all denen, die nicht so korrekt zu leben scheinen wie sie selbst –, genau das brachte Jesus auf den Plan und das war der Grund seiner massiven Kritik.
Allen schenkt Gott seine Liebe – gänzlich unverdient
Und wie ist das nun bei uns? Ich glaube schon, dass auch für uns der schwierigste Teil der Botschaft Jesu der ist, dass Gott alle Menschen liebt; den Sünder genauso wie den Gerechten, ja vielleicht sogar jenen noch mehr, weil er die größere Liebe nötig hat. Eine solche Botschaft stößt uns auf, weil sie unserem menschlichen Gerechtigkeitsempfinden entgegensteht. Für uns gilt: Wer mehr sündigt, gehört mehr bestraft; wer mehr Gutes tut, gehört mehr belohnt. Dass beide – also Gerechte und Sünder – keinen Anspruch auf irgendetwas haben, das will uns einfach nicht in den Kopf. Genauso wenig, dass Gott beide, Gerechte und Sünder, unverdient mit allem beschenkt, was sie brauchen.
Wie haben sich die Weinbergarbeiter der ersten Stunde aufgeregt, als sie den gleichen Lohn bekamen – nämlich die Lebensmöglichkeit für einen Tag – wie die Kollegen, die erst ein paar Stunden gearbeitet hatten. Und sie dachten nicht mehr daran, dass ja auch sie noch immer auf dem Marktplatz stehen würden, hätte sie der Herr nicht unverdienterweise in den Weinberg geholt. Oder wie hat sich der ältere Bruder geärgert, als der Vater die Rückkehr des »verlorenen Sohnes« mit einer Riesenparty feierte. Da vergaß er völlig, dass auch er unverdienterweise vom Vater täglich aufs Neue beschenkt wurde. Und wie werden wir uns wohl aufregen, wenn wir einmal feststellen müssen, dass auch dieser oder jener »miese Charakter«, den wir schon längst woanders, nur nicht im Himmel sahen, wenn der auch die ganze, ungeteilte Liebe Gottes geschenkt bekommt und wir nicht daran denken, dass auch wir ganz unverdient die Seligkeit mit Gott erfahren dürfen. Ja, wer weiß, vielleicht weigert sich dann der eine oder die andere, mit dieser Sünderin oder dem Sünder zusammen im Himmel zu sein – und merkt dabei gar nicht, dass sie oder er dadurch nicht im Himmel, sondern in dem ist, was wir unter Hölle verstehen?
Fürbitten
Gott und Vater, wir stehen vor dir in all unserer Bedürftigkeit und bitten dich:
– Schau auf alle Menschen, die dich aufrichtig und mit ganzem Herzen suchen und zeige ihnen deine Liebe und Menschenfreundlichkeit. Gott, unser Vater: (Wir bitten dich, erhöre uns.) – Schau auf alle Menschen, die von anderen klein gemacht und zurückgesetzt werden. Lass sie erfahren, dass du die Niedrigen erhöhst. Gott, unser Vater: – Schau auf alle Menschen, die sich selbst erhöhen und auf andere herabschauen. Lass sie ihre Grenzen erkennen und lehre sie Barmherzigkeit. Gott, unser Vater: – Schau auf alle Menschen, die von Selbstzweifel und Minderwertigkeitsgefühlen niedergedrückt werden. Richte sie auf und schenke ihnen ein gesundes Selbstvertrauen. Gott, unser Vater: – Schau auf alle Menschen, die weltweit deine frohe Botschaft verkünden, und lass in vielen Menschen deine Worte Hand und Fuß bekommen. Gott, unser Vater: – Schau auf unsere Verstorbenen – heute denken wir ganz besonders an (Namen) – und lass sie jetzt deine ganzheitliche Nähe erfahren. Gott, unser Vater:
Gott, gerecht bist du und barmherzig. Dir vertrauen wir uns an, denn du schenkst das Leben in Fülle. Durch Christus danken wir dir, das Leben mit den Augen deiner Liebe betrachten zu dürfen, heute und in Ewigkeit. Amen.
|
Bertram Bolz |
|
|
|
pastoral.de
|
Das bewährte
BasisProgramm
auf CD-ROM

oder
Die
Web-Plattform
im Browser
 |
Vergleichen Sie hier
|
 |
|
Bücher & mehr |
|
|