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Einführung |
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Liebe Leserinnen und Leser,
beim Erstellen meines Beitrags zu Fronleichnam habe ich wieder einmal alle Einwände gegen das Fürbittgebet durchlitten: Instrumentalisiere ich Gott für Anliegen, die mir bedeutsam erscheinen? Gebe ich in die Zuständigkeit Gottes, wofür allein Menschen verantwortlich sind? Wie kann ich mir zu wissen anmaßen, was für die Welt gut und zum Heil wäre, dass ich darum bitten könnte? Wieder einmal habe ich alle möglichen sprachlichen Formen durchbuchstabiert: »Gib, nimm, mach« … Bitten in der Sprachform des Imperativs – so rede ich kaum mit mir vertrauten Menschen, aber zu Gott hin spreche ich so? »Um« etwas bitten – wie kann ich denn wissen, was in den schwierigen Lebenssituationen gut ist? »Für« jemanden bitten – Nahe, Ferne, Alle, Notleidende, Kirchenleute, Verantwortungsträger, Verstorbene – ist vielleicht am wenigsten verfänglich. Damit geraten aber viele Menschen aus dem Blickfeld, die hier und heute vielleicht ganz besonders des Gebets der Kirche bedürftig wären. Bitten »für alle, die …« – die Konstruktion mit dem Relativsatz lässt die Beschreibung von Notlagen und Sorgen zu, aber beim Formulieren merke ich, wie leicht Beschreibungen missraten und zu Urteilen werden. Für alle zu bitten, wird bei ständigem Gebrauch eigentlich belanglos!
Dreißig Jahre lang habe ich aktuelle Fürbitten formuliert – weltbezogen, gemeindebezogen, kirchenbezogen, pastoral gesprochen, gesellschaftlich wahrgenommen. Es scheint mir immer schwieriger zu werden. Ich werde auch kritischer der Kirchensprache gegenüber, aus der ich selbst nicht herausfinde. Die gegenwärtige Weltsituation erlebe ich so, dass ich immer weniger weiß, worum ich eigentlich bitten soll: Wie kann ich für die Welt bitten, ohne dabei den unberechenbaren Durcheinanderbringer in Amerika zu erwähnen? Wie kann ich für die Menschen in der Ukraine bitten, ohne den Aggressor vor Gott namhaft zu machen? Wie soll ich für die Menschen im Land Israel bitten, ohne die Not der Palästinenser zu vergessen? Und wie die Terroristen ins Gebet einschließen, deren unmenschliche Racheakte aus Erfahrungen, Entwicklungen, Entscheidungen herrühren, die nicht verschwiegen werden dürfen! Reicht es aus, einfach die Problembereiche, das vielgestaltige Unrecht, die Kriegsherde, die gesellschaftlichen Verwerfungen, die kirchlichen Blockaden zu benennen? Ich weiß nicht, ob die Welt immer komplexer wird – manche sagen »verrückter« –, aber ich weiß, wie schwierig es ist, Komplexität so zu reduzieren, dass die Probleme sagbar werden.
Immer tiefer verstehe ich das Diktum des Paulus: Wir wissen nicht, worum wir in rechter Weise beten sollen. Aber wie kann das vom Geist inspirierte Seufzen eine liturgische Gestalt finden? Ich bin dankbar, wenn ich in unserer Zeitschrift frische Versuche des Fürbitt-Gebetes entdecke, unkonventionelle Formulierungen lese, komplexe Anliegen auf den Punkt gebracht werden, Problembereiche benannt sind, die mir selbst eher unbekannt oder gleichgültig sind. Vermutlich spüren wir alle beim Formulieren und Sprechen des Fürbitt-Gebetes die Last, dass wir nicht schweigen können angesichts der vielfältigen Nöte in unserer Welt, auch wenn wir nicht wissen, wie wir sprechen sollen! Glauben ist ein Weltverhältnis, dessen werde ich mir beim Blick in die Welt immer klarer. Und zu diesem gläubigen Weltverhältnis gehört das Beten und das Bitten für … Stammeln ist allemal christlich-solidarischer als zu schweigen!
Ich wünsche allen Leserinnen und Lesern – auch den Autorinnen und Autoren – den Mut zum Sprechen!
Im Namen von Verlag und Herausgebern grüße ich Sie.
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Anton Seeberger |
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