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Leseprobe 3 |
Zwölfter Sonntag im Jahreskreis |
Der biblische Traum von einer Gemeinschaft ohne Rangunterschiede |
Lesejahr C |
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Beitrag zur Lesung
Einführung
Wir, die wir hier sind, bekennen uns zu Jesus. Anders als viele denken, macht das unser Leben nicht einfach leichter. Denn Jesus liebt es, uns zu provozieren und unsere Einstellungen zu hinterfragen. So auch heute, wenn er deutlich macht, dass seine Nachfolge keineswegs ein Zuckerschlecken ist, sondern in Konflikte mit überkommenen Vorstellungen führt. Was das konkret heißt, wollen wir heute mit der Brille des Apostels Paulus in einer Kernbotschaft seines Briefes an die Galater entdecken, ein nicht nur damals revolutionäres Potenzial des Glaubens.
Predigt Zum Text: Gal 3,26–29 (2. Lesung)
Das gemeinsame Erstkommuniongewand als Zeichen einer Gemeinschaft der Gleichen
Was waren das für heftige Diskussionen, als vor einigen Jahrzehnten in den ersten Gemeinden einheitliche Erstkommuniongewänder eingeführt wurden! Gerade die Eltern von Mädchen sahen sich mit diesen so bezeichneten »Kutten« in ihrer Individualität eingeschränkt und die schöne Tradition dieses Festes gefährdet. Die Befürworter wiederum argumentierten, dass sie der Veräußerlichung des Festes entgegentreten wollten. Dabei hätten die Befürworter ihre Sichtweise auch mit dem heiligen Paulus begründen können. Die Erstkommunion ist ja auf die Taufe bezogen und Paulus sagt, dass die Getauften Christus angezogen haben. Dieses Anziehen Christi geschieht sichtbar im Symbol des Taufkleids und eben auch des Erstkommuniongewands, was sozusagen dessen größere Ausgabe ist. Die Gewandbefürworterinnen unter der Elternschaft brachten zusätzlich ein Argument, das auch der heilige Paulus verwendete: Das einheitliche Gewand soll die Gemeinschaft betonen, die die durch unterschiedlich schicke und teure Kleider zum Ausdruck gebrachten Unterschiede überwindet.
Aufhebung von Rangunterschieden in Christus
Paulus nennt beispielhaft drei damals wesentliche Unterschiede: die Unterscheidung bezüglich der Religion, des sozialen Status und des Geschlechts. Solche Unterschiede gelten für ihn nun nicht mehr für diejenigen, die Christus angezogen haben. Die Einheit in Christus ist der Trumpf, der diese damals wesentlichen Unterschiede sticht. Und die Unterschiede bedeuteten immer auch einen Rangunterschied. Der eine war höher gestellt als die andere. Da war der Unterschied zwischen Juden und Heiden oder, wie Paulus es hier sagt, Griechen, grundlegend für die eigene jüdische Identität in der Diaspora, um sich so als Minderheit zu behaupten. Wesentlich für die Wirtschaft des römischen Weltreichs war die Ausbeutung von Menschen als Sklaven. Sklaven hatten nicht nur keine Freiheit, sondern wurden wie Dinge ohne eigentliche Rechte behandelt. Und selbst die freigelassenen Sklaven blieben meist sozial gebrandmarkt. Und da war der Unterschied zwischen Mann und Frau. In einer durch und durch patriarchalen Umwelt war klar, wer von beiden das Sagen hatte. Nur wenige adlige Damen oder reich gewordene alleinstehende Frauen konnten einigermaßen selbstbestimmt leben. Für die allermeisten Frauen bedeutete ihr Geschlecht eine massive Benachteiligung und Einschränkung der Lebensmöglichkeiten. Es ist also geradezu revolutionär, dass Paulus keine Scheu hat, die klare Konsequenz zu ziehen, dass es zwischen denen, die zu Christus gehören, keine Rangunterschiede mehr geben darf. Aber Paulus sagt das nicht, weil er ein Sozialrevolutionär wäre, sondern weil das für ihn schlicht eine klare Glaubenswahrheit ist.
Probleme bei der konkreten Überwindung von Rangunterschieden
Und zugleich steht Paulus mit beiden Beinen auf dem Boden und weiß, wie schwer es der Glaube hat, traditionelle Vorstellungen zu durchkreuzen. Er schreibt seinen Brief an die Gemeinden in Galatien gerade deshalb, weil sie nach seinem Weggang wieder angefangen hatten, Menschen, die direkt als Heiden getauft wurden und nicht zuvor Juden geworden waren, auszuschließen. Und er beschreibt, wie die Privilegierten in der Gemeinde in Korinth sich schon den Bauch vollschlugen, während andere, darunter natürlich die Sklaven, noch hart arbeiten mussten und so bei der Zusammenkunft zum Gottesdienst beschämt dasaßen. Hart urteilt der Apostel im Brief an die Korinther: »Wenn ihr euch versammelt, ist das kein Essen des Herrenmahls; denn jeder nimmt beim Essen sein eigenes Mahl vorweg und dann hungert der eine, während der andere betrunken ist. […] Wollt ihr jene demütigen, die nichts haben? Was soll ich dazu sagen? Soll ich euch etwa loben? In diesem Fall kann ich euch nicht loben.« Paulus weiß auch, dass es kritische Meinungen dazu gab, wenn Frauen in den damaligen Gemeinden predigten, und er ermahnt sie, das doch bitte nicht in charismatischer Weise mit offenen Haaren zu tun. Aber den Predigtdienst als solchen hält er für richtig und folgerichtig finden sich in der großen Grußliste im Römerbrief ganz viele Frauen auch mit kirchlichen Ehrenämtern wie zum Beispiel die Apostelin Junia, die Diakonin Phoebe oder eine Gemeindeleiterin wie Priska.
Wenn die Kirche der eigenen Botschaft nicht traut und auf den Zeitgeist baut
Wir sehen, wie der heilige Paulus sich der umwerfenden Botschaft des Christentums bewusst ist und wie er diese auch konkret macht. Was hätte es wohl für eine Auswirkung gehabt, wenn diese Glaubenswahrheit auch im Glaubensbekenntnis festgehalten worden wäre und wenn wir da bekennen würden: »Ich bekenne mich zu der einen Taufe, die jegliche Rangunterschiede unter uns aufhebt.« Natürlich gab es in der Geschichte der Kirche immer wieder Versuche, mit dieser Botschaft ernst zu machen. Aber zugleich müssen wir auch zugestehen, dass oft der gesellschaftliche Zeitgeist die alten Rangunterschiede auch in der Kirche wieder hoffähig machte. Das ist besonders offensichtlich im derzeit noch geltenden Ausschluss von Frauen aus kirchlichen Ämtern. Doch lange genug waren es auch Christen, die nicht nur in Amerika als Sklavenhalter fungierten. Und es waren Christen, die andere Christen wegen ihrer abweichenden und für minderwertig gehaltenen Konfession verfolgten.
Einheit von Gleichen heute
Doch was heißt das heute für uns? Wir leben doch in einer Gesellschaft, in der es keine Sklaven mehr gibt, keine Diskriminierung der Frauen, keine Religionskriege. Sind deshalb alle Rangunterschiede vorbei? Schauen Sie sich um: Können Sie sich in Christus mit den anderen hier verbunden fühlen, auch wenn diese sozial oder religiös anders geprägt sind als Sie? Und können Sie sich mit anderen Getauften vereint fühlen, die nicht oder selten in den Gottesdienst kommen, ohne diese als kirchenfern oder glaubenslos abzuwerten? Diese revolutionäre Botschaft, sich in Christus als Einheit zu fühlen, wird in heutigen politischen Zeiten wieder dringlicher. Denn rechtsextreme Parteien verbreiten weltweit den Irrglauben, dass die eigene Identität durch Abschottung gelingt im Sinne von: Ich bin nicht wie du. Die Botschaft der Heiligen Schrift sagt hingegen: Du und ich sind trotz aller Unterschiede eine Einheit. Christliche Identität geschieht durch Verbundenheit, nicht durch Abgrenzung.
Die christliche Botschaft als Verheißung für die Welt
Aber, so werden manche von Ihnen sicher denken, ist diese innerchristliche Botschaft nicht zu schwach, wo doch die deutliche Mehrheit in unserem Land sich nicht mehr als christlich versteht? Gilt gegenüber den Nichtchristen das Pauluswort dann nicht? Hierzu hat uns das II. Vatikanische Konzil eine wertvolle Hilfe gegeben und davon gesprochen, dass die Kirche Sakrament für die Welt sei, mit anderen Worten, dass die Vision der Kirche, dass wir in Christus eins sind und uns nicht gegenseitig abqualifizieren, auch ein Modell für die Welt sein soll. Dahinter steht folgende Überzeugung: So wie Paulus und andere einst durch Christus das Judentum für die Heiden, also für unsere Vorfahren geöffnet sahen, so müssten wir heute durch Christus das Christentum für andere Religionen und sogar Religionslose öffnen. Die Kirche müsste dementsprechend Vorkämpferin gerade dort sein, wo Menschen wegen ihrer Religion, ihrer sozialen Herkunft oder ihres Geschlechts diskriminiert werden. So ging es dem Gebetsanliegen von Papst Franziskus für den April 2024 darum, für die Überwindung der Diskriminierung der Frauen zu beten, und er begründete das damit: »In der Theorie sind wir uns alle einig, dass Männer und Frauen die gleiche Menschenwürde haben. Aber in der Praxis sieht das anders aus.« Dazu zählte er viele Beispiele der Diskriminierung auf. Die Heilige Schrift will nicht nur Theorie sein. Das weiße Gewand der Erstkommunionkinder will ein sichtbares Zeichen dafür sein, dass Christen keine Rangunterschiede mehr machen und für deren Überwindung kämpfen, damals wie heute und in Zukunft.
Fürbitten
Jesus Christus, in dir sind wir im Glauben verbunden und können Rangunterschiede überwinden. An dich dürfen wir uns in gleicher Weise ungeachtet unserer Herkunft wenden:
– Wir bitten dich für Menschen, die aufgrund ihres Glaubens diskriminiert oder verfolgt werden. Wir beten für Christen in arabischen Ländern, für die muslimischen Rohyngia in Myanmar oder für Buddhisten in Tibet. (Christus, höre uns. – Christus, erhöre uns.) – Wir bitten für Menschen, die heute noch wie Sklaven arbeiten müssen, in den Minen im Kongo, wo Rohstoffe für Handys und Computer gewonnen werden, für die vom IS versklavten Frauen und Kinder der Jesiden, für die Menschen, die ohne Schutzkleidung unseren Wohlstandsmüll in Westafrika entsorgen. – Wir beten für Frauen, die aufgrund ihres Geschlechts diskriminiert werden, für bildungshungrige Mädchen in Afghanistan, für mutige Frauen im Iran oder von Zwangsverstümmelung bedrohte Frauen in Afrika. – Und wir beten für Menschen, die sich hier bei uns nicht wertgeschätzt fühlen, weil sie Zugewanderte sind, weil sie eine Behinderung aufweisen oder weil sie pflegebedürftig sind.
Jesus Christus, du mutest uns zu, heute vorzuleben, wie der Glaube an dich gesellschaftliche Unterschiede überwindet. Wir preisen dich, dass wir für deine Zumutung auch den nötigen Mut bekommen, heute und alle Tage unseres Lebens. Amen.
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