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Die Inhalte
der Zeitschrift
»Dienst am Wort«
Herausgeber
Leseprobe 1
Siebter Sonntag im Jahreskreis
Die unbelehrbare Liebe
Lesejahr C
Beitrag zum Evangelium

Einführung

Welche Rechnungen sind gerade offen in meinem Leben? Welche Hypotheken lasten schon lange auf Beziehungen, die mich ratlos zurücklassen? Wie gehe ich um mit Kritik, Streit, Konflikten?
Im Gottesdienst heute werden wir herausgefordert, uns diesen eher unbequemen Fragen zu stellen und mit Jesus gemeinsam danach zu suchen, wie Leben in seinem Geist gelingen kann.
Bringen wir Gott zu Beginn des Gottesdienstes ganz ungeschminkt unsere Lebenszusammenhänge, unsere Grenzen, Verletzungen, unsere Ohnmacht und unser mangelndes Zutrauen.

Kyrie-Ruf
GL 437 »Meine engen Grenzen«

Tagesgebet
Du Gott der Barmherzigkeit,
am Anfang dieses Gottesdienstes stehen wir vor dir und bekennen:
Unser Herz ist oft eng. Unsere Liebe ist klein. Unsere Hände sind leer. Dir vertrauen wir uns an. Erfülle uns mit deinem Lebensatem. Teile mit uns deine Großzügigkeit. Weite uns Herz, Seele und Geist, damit wir in deiner Liebe leben können und aus deiner Liebe heraus anderen schenken, was sie von uns ersehnen. Darum bitten wir dich, du Gott der Barmherzigkeit, durch Jesus Christus.

Liedvorschläge
Gesang zur Eröffnung
GL 149 »Liebster Jesu, wir sind hier« oder
GL 715 (Diözesanteil Freiburg und Rottenburg-Stuttgart) »Unser Leben sei ein Fest«
Antwortgesang mit Ruf vor dem Evangelium
GL 446 »Lass uns in deinem Namen, Herr« und GL 175/2 »Halleluja«
Gesang zur Gabenbereitung
GL 188 »Nimm, o Gott, die Gaben«
Gesang nach der Kommunion
GL 458 »Selig seid ihr«
Dankhymnus/Schlusslied
GL 474 »Wenn wir das Leben teilen«

Vorüberlegungen

Zum Text: Lk 6,27–38 (Evangelium)

Das Gebot der Feindesliebe ist ein Kernstück der Predigt Jesu. Und gleichzeitig ist die Feindesliebe eine Zumutung und ein Anspruch, dem wir Menschen kaum gerecht werden können.

Mir ist es daher in meiner Predigt wichtig, unsere menschliche Logik der Vergeltung zunächst zu erklären und zu verstehen. Erst dann geht es um die göttliche Logik, zu der Jesus einlädt. Sie ist angetrieben von der Liebe, die allein den Kreislauf der menschlichen Gewalt und Gegengewalt durchbrechen kann. Die Liebe ist größer und freier als jede menschliche Vernunft.

Grundlegend ist für mich, dass diese Liebe nicht mit moralischem Zwang eingefordert werden kann. Sonst werden Menschen zu wehrlosen Opfern gemacht. In der kirchlichen Geschichte gibt es viel Unheil, das in dieser Moral ihren Ursprung hat, was ich am Beispiel des kirchlichen Missbrauchs benenne.

Immer geht es bei der Liebe um ein Geschenk, das wir in Freiheit geben können, weil wir von Gott noch viel mehr geliebt sind. Die Geschichte vom Vertreter Satans, der Gott mit einer Software dazu gewinnen will, Menschen gerecht abzuurteilen, aber damit scheitert, kann dies am Ende humorvoll verdeutlichen.

Predigt


Die menschliche Logik

»Euch aber, die ihr zuhört, sage ich: Wehrt euch gegen eure Feinde; tut nur denen Gutes, die euch wohlgesonnen sind! Ignoriert die, die euch verfluchen; aber betet für jene, die sich hilfesuchend an euch wenden!

Den, der dich auf die Wange schlägt, zeige an, und den, der dir den Mantel stiehlt, übergib der Polizei! Überlege gut, wem du etwas gibst, ob er es auch wert ist. Lass dich auf keinen Fall übers Ohr hauen !«

Mal ganz ehrlich: Wären wir froh, wenn Jesus so predigen würde im heutigen Evangelium? Wären wir froh darüber, weil es doch unserer eigenen Lebenseinstellung am ehesten entspricht? Uns für andere einsetzen, ja natürlich, aber in Grenzen, und auf keinen Fall so, dass wir am Ende die Dummen sind … Wären wir froh, wenn Jesus uns diesen Rat geben würde?

Ich weiß es nicht genau. In mir gibt es ein Gespür, dass wir doch enttäuscht wären. Wir Menschen sind im Leben gewohnt, Rechnungen aufzustellen. Auge um Auge, Zahn um Zahn hat man früher dazu gesagt. Es geht um die Logik, dass wir anderen ungefähr so viel schenken, wie sie uns auch wieder zurückgeben. Und dass wir erlittenes Unrecht heimzahlen, damit alle merken, dass wir uns wehren können. Wir wollen zu Recht keine leichten Opfer sein. Und wir wollen uns nicht ausbeuten lassen. Es geht um einen gerechten Ausgleich, der die Interessen aller wahren soll.

Aber von Jesus erwarten wir doch mehr als unsere menschliche Lebenslogik. Wir erwarten von ihm Perspektiven, die größer und mutiger sind als unsere eigenen. Wir erwarten von ihm, dass er uns herausfordert. Und genau das tut Jesus heute.

Die göttliche Logik Unser Evangelium nach Lukas entstammt der sogenannten Feldrede von Jesus. Lukas fasst dabei ähnliche Glaubensgrundsätze Jesu zusammen wie Matthäus in seiner bekannten Bergpredigt. Mitten darin sind jene Worte zur Feindesliebe enthalten, die wir gerade gehört haben. Sie sind, um es kurz zusammenzufassen, eine Zumutung.

Denn neben unser Prinzip der gerechten Vergeltung stellt Jesus seine verrückte Idee, anderen alles zu geben und ihnen nichts Böses zurückzuzahlen. Er fordert von uns, nicht mehr abzurechnen, einzutreiben, heimzuzahlen, sondern zu schenken, zu erlassen, zu lieben. Groß ist dieser Anspruch Jesu, geradezu waghalsig!

Vermutlich haben wir gegen eine solche Lebenseinstellung vielfältige Bedenken. Und ich finde, diese Bedenken sind äußerst wichtig. Denn es kann niemals darum gehen, dass Opfer sich nicht wehren dürfen, dass Gewalt einfach gedeckt wird. Jeder, der so denkt, hat das Prinzip Jesu völlig missverstanden. Und gerade die gegenwärtige Kirchenkrise zeigt uns, wie schlimm es ausgeht, wenn von Menschen, die Gewalt und Missbrauch erfahren haben, Erdulden und Schweigen verlangt wird.

Das Liebesgebot Jesu hat mit solchem Machtgebaren nichts zu tun. Es will die Menschen nicht klein und hilflos machen, sondern groß. Wie ist das zu verstehen? Liebe nicht als Aufgabe meiner selbst, sondern als Freiheit. Liebe nicht als Zwang, sondern als freiwilliges Geschenk. Liebe nicht als Überforderung, sondern als Anfrage an den Spielraum meines Herzens. Dieser Gedanke berührt mich. Und ich frage mich:

Kann ich freigiebig bleiben, wo andere mir nichts schenken? Kann ich vergeben, wo andere noch mit ihrem Hass kämpfen? Kann ich Menschen mit Großherzigkeit entwaffnen statt mit Gewalt? Kann ich über meinen begrenzten Horizont hinausdenken und weiter schauen, als es vernünftig ist?

Es ist der Versuch einer unbelehrbaren Liebe inmitten einer Welt, in der Kleinkriege zu unserem Alltag gehören und in der kleinkariertes Vorteilsdenken auf der großen Bühne der Politik Schule macht.

Die unbelehrbare Liebe Was aber gibt uns die Kraft und die Freiheit, wenigstens ab und zu so groß und selbstvergessen zu lieben? Ich glaube, es kann nur die Erfahrung einer noch viel größeren Liebe sein. Gott liebt, gegen jede Vernunft. Würde er mit uns wirklich abrechnen, dann wären wir verloren. Würde er auflisten, abwägen, zusammenzählen, was wir vollbringen, dann könnten wir einpacken. Er tut es nicht. Er liebt großherzig, verschwenderisch, vollkommen unvernünftig. Davon gibt Jesus Zeugnis in seinem Leben und auch noch im Tod.

Über Gottes unbelehrbare Liebe habe ich vor einiger Zeit eine Geschichte im Magazin des Verlags Andere Zeiten gelesen, die mich zum Schmunzeln gebracht hat. Sie stammt von Christoph Schilling und heißt »Ein himmlisches Angebot«. Darin geht es um die große Abrechnung über die Menschen, ganz am Schluss, am Ende der Welt. Damit diese gerecht vonstattengeht, kommt ein Vertreter Satans und klopft an die Himmelspforte. Er will Gott sprechen. Als er schließlich vor ihm steht, bietet er ihm die neueste Erfindung der Unterwelt an. Sie ist eine Software, die die Lebensläufe aller Menschen mit den Geboten Gottes abgleicht, natürlich unter Berücksichtigung vieler verschiedener Faktoren. Am Ende wird jeder Mensch zweifelsfrei einer von 24 Stufen zugeordnet, damit Gott weiß, wie er beim jüngsten Gericht entscheiden muss.

Doch Gott will diese Software nicht. Er sagt dem entsetzten Vertreter Satans: »Ich bin bestechlich. Da wird euer System nichts nützen.« Der Vertreter traut seinen Ohren nicht. Gott bestechlich? »Ja«, sagt Gott, »die Liebe korrumpiert mich.«

Gott, der sich durch die Liebe korrumpieren lässt. Der die Rechnung mit uns offen lässt, sie regelrecht verschenkt. Was für eine wunderbare Botschaft einer humorvollen Geschichte! Wir sehen an ihr: Der Aufforderung zur Feindesliebe, die Jesus an uns richtet, steht immer Gottes Liebe zu uns gegenüber. Es ist die große Zusage, dass Gott nicht aufrechnet, niemals. Nicht im Leben und nicht im Tod.

Lassen auch wir uns von dieser Liebe bestechen!

Fürbitten
Du Gott der Barmherzigkeit, es ist schwer in der Liebe zu bleiben, wenn Menschen sich in Konflikten und Auseinandersetzungen aufreiben. Daher bitten wir dich um deine Hilfe:

- Für alle, die hassen. Für jene, die in Konflikten den Kürzeren ziehen. Für alle, die ausgenutzt werden. Für jene, die nicht aufhören zu vergeben. Wir bitten dich um deinen Geist der Liebe:
(GL 445 »Ubi caritas«)
- Für die Völker, die sich im Krieg befinden. Für alle Mächtigen, die auf Gewalt setzen. Für die Opfer von Gewalt. Für alle Menschen, die sich um Frieden mühen. Wir bitten dich um deinen Geist der Liebe:
- Für die Kirche in ihrer gegenwärtigen Krise. Für die Bischöfe,die Verantwortung tragen. Für alle, die nicht müde werden, Erneuerung zu fordern. Für jene, die ihr erlittenes Unrecht aussprechen. Wir bitten dich um deinen Geist der Liebe:
- Für Familien, die an Streit zerbrechen. Für alle Kinder, die gemobbt werden. Für Paare, die trotz Krisen beieinanderbleiben. Für Freunde, die sich gegenseitig den Rücken stärken. Wir bitten dich um deinen Geist der Liebe:

Gott der Barmherzigkeit, du hast ein großes Herz für uns. Stecke uns an mit deiner Liebe. Darum bitten wir dich durch deinen Sohn Jesus Christus, der mit dir lebt und liebt in Ewigkeit. Amen.

Claudia Schmidt

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