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»Dienst am Wort«
Herausgeber
Leseprobe 1
Ostersonntag
»Nun muss sich alles, alles wenden«
Lesejahr A – B – C
Beitrag I zum Evangelium

Einführung

Ostern bezeichnet den geschichtlichen Wendepunkt schlechthin. Seit Jesus von den Toten auferweckt wurde, ist nichts mehr, wie es vorher war. Dabei hat sich die Welt anscheinend kaum verändert. An vielen Orten herrscht immer noch der Tod. Krankheit, Krieg und Katastrophen raffen unzählige Menschen hinweg, ohne dass Besserung in Aussicht wäre. Dabei sind wir mit Christus schon auferweckt – allerdings in der Hoffnung. Vollendet ist das neue Leben an uns noch nicht. Aber wenn wir genau hinschauen, sehen wir auch die Zeichen des Lebens. Seine Kraft ist unbändig, weil es Gottes Kraft ist. »In ihm leben, bewegen wir uns und sind wir« (Apg 17,28). Heute ist der Tag, um dieses Leben als Gottes Geschenk zu feiern.

Kyrie-Ruf

Herr Jesus Christus, du bist von den Toten auferweckt worden und schenkst uns dein neues Leben.
Herr, erbarme dich unser.
Du sitzt zur Rechten Gottes im Himmel; du bist unserem Leben Sinn und Ziel.
Christus, erbarme dich unser.
Solange wir leben, sind wir vom Tode bedroht; doch du hast den Tod besiegt und gibst uns neue Hoffnung.
Herr, erbarme dich unser.

Tagesgebet

Herr über Leben und Tod,
dein Sohn hat unseren Tod erlitten und überwunden. Du hast ihn von den Toten auferweckt und auch uns diese Hoffnung gegeben.
Erfülle uns mit deinem Geist, damit wir zuversichtlich in unseren Tagen leben und allen ein glaubwürdiges Zeugnis der Auferstehung geben.
Darum bitten wir durch Jesus Christus.

Liedvorschläge

Gesang zur Eröffnung
GL 329,1–5 »Das ist der Tag, den Gott gemacht«
Antwortgesang mit Ruf vor dem Evangelium
GL 322,1–5 »Halleluja … Ihr Christen, singet hocherfreut«
Gesang zur Gabenbereitung
GL 332,1–6 »Die ganze Welt, Herr Jesu Christ«
Gesang zur Kommunion
GL 331,1–6 »Ist das der Leib, Herr Jesu Christ«
Dankhymnus/Schlusslied
GL 337,1–2.5–7 »Freu dich, erlöste Christenheit«

Vorüberlegungen

Zum Text: Joh 20,1–18 (Evangelium)


Man kann das Osterevangelium als Wende-Erzählung lesen, die allerdingsnur dann verständlich wird, wenn der Leser oder die Leserin eine wichtige Leerstelle im Text selbst auffüllt. Im Ablauf der Ereignisse wendet sich Maria zweimal um: Zuerst wendet sie sich von der Grabhöhle ab und Jesus zu (Joh 20,14); dann spricht Jesus sie mit Namen an, worauf sie sich abermals umdreht (Joh 20,16). Soll das heißen, dass sie sich in dem Augenblick von Jesus abwendet, in dem sie ihn als ihren Meister erkennt? Das ist kaum vorstellbar. Vielmehr muss Maria zwischen ihrer ersten und zweiten Wende an Jesus vorbeigegangen sein, sodass beide sich einen Moment lang den Rücken zukehrten. Der Text sagt das nicht, aber er setzt es voraus, weil sich Maria nur so ein zweites Mal um- und Jesus zuwenden kann. (Vgl. Patrick Roth, Magdalena am Grab, Frankfurt a. M./Leipzig 2003, 47–50.) Diese feine Beobachtung am Text wird in der Predigt nicht ausdrücklich thematisiert, liegt ihr aber als Intuition zu Grunde. Von daher wird versucht, das Osterereignis als Wendegeschehen plausibel zu machen, das Analogien in der menschlichen Erfahrung hat: Der Begriff der »Wende« ist seit den Ereignissen von 1989 historisch und politisch besetzt; viel früher benutzt ihn aber schon Ludwig Uhland, um die aufblühende Hoffnung des erwachenden Frühlings zu beschreiben. Politische und natürliche Wende-Erlebnisse werden so auf die endgültige Wende des menschlichen Lebens vom Tod zum Leben hin transparent.

Predigt

Eine historische Wende

Die meisten von Ihnen werden sich noch an das deutsche Wendejahr 1989 erinnern. So eindrücklich sind derartige Ereignisse, dass wir oft noch Jahre danach genau wissen, wo uns die Nachricht von den grundstürzenden Neuigkeiten erreicht hat, was wir gerade getan und wie wir reagiert haben. Auch wenn wir selber gar nicht dabei waren, sind bestimmte Bilder davon sooft durch die Medien gegangen, dass wir die Szene darauf auch lange Zeit später sofort wieder erkennen. Und den Jüngeren geht es bald ebenso, weil sich solche Geschehnisse schnell in den Geschichtsbüchern niederschlagen. Genauso schnell legt sich aber über die vielgepriesenen historischen Momente auch wieder der Grauschleier des Alltags. Die Bilder davon verblassen oder vergilben, und der historische Augenblick verliert seinen Glanz. Nicht wenige sind aus dem Freiheitstaumel der Wende mit einem gehörigen Kater aufgewacht. Die menschlichen Verhältnisse ändern sich gewöhnlich nicht so schnell. Da mag ein Umsturz rasch geschehen, aber der folgende Wiederaufbau fordert viel Geduld, Kreativität und Energie.

Die natürliche und die heilsgeschichtliche Wende

Nun feiern wir Christen jedes Jahr eine Wende, genauer gesagt: die größte Wende aller Zeiten, nämlich die Auferweckung des gekreuzigten Jesus von Nazaret. Aber wir feiern sie oft wie ein Ereignis aus längst vergangenen Tagen. Unsere Bilder davon sind vielleicht noch nicht ganz verblasst, aber wir trauen ihnen kaum noch. Kann uns denn das Bild vom strahlenden Heiland, der wie ein Blitz aus dem Grab herausfährt, noch überzeugen? Können sich unsere menschlichen Verhältnisse wirklich so schnell und nachhaltig zum Besseren wenden? Ist unser Menschenschicksal nicht weiterhin von Leid und Tod gezeichnet? Wir trauen dem Hoffnungsbild der Auferstehung nicht, weil wir dem Gang des Lebens nicht gern trauen. Nur wenn wir uns einlassen auf die Wechselfälle unseres Lebens, auf seine Höhen und Tiefen, können wir auch die tiefste Wende in unserem eigenen Leben erfahren: die Wende von der Verzweiflung zur Hoffnung, von der Trauer zum Jubel, vom Tod zur Auferstehung. Ein Sinnbild dafür ist der Kreislauf der Natur, und aus der Verbundenheit mit ihr haben die Menschen aller Zeiten Nahrung für ihren Glauben gezogen. Der Dichter Ludwig Uhland spricht davon und nennt es »Frühlingsglaube«:

»Die linden Lüfte sind erwacht,
Sie säuseln und weben Tag und Nacht,
Sie schaffen an allen Enden.
O frischer Duft, o neuer Klang!
Nun, armes Herze, sei nicht bang!
Nun muss sich alles, alles wenden.
Die Welt wird schöner mit jedem Tag,
Man weiß nicht, was noch werden mag,
Das Blühen will nicht enden.
Es blüht das fernste, tiefste Tal:
Nun, armes Herz, vergiss der Qual!
Nun muss sich alles, alles wenden.«
(Ludwig Uhland, Frühlingsglaube, in: Karl Otto Conrady (Hrsg.), Der Neue Conrady. Das große deutsche Gedichtebuch, Düsseldorf/Zürich 2000, 379 (orthographisch angepasst).)

Das Grab als Sackgasse

Das Evangelium vom heutigen Ostertag ist voll von solch armen Herzen. Maria Magdalena, Petrus und der Lieblingsjünger waren allesamt im Herzen verarmt, weil sie ihren kostbarsten Schatz verloren hatten: Jesus. Er hatte ihrem Leben einen neuen Sinn und eine neue Richtung gegeben. Die Begegnung mit ihm hatte für jeden von ihnen die größte Wende in ihrem Leben bedeutet. Doch dann führte sein Weg nach Golgota, an den Ort der Ängste und der Qualen, und schließlich ins finstere Grab. Dorthin kommt Maria, als es noch finster ist, und dort erfährt sie, was sie nicht begreifen kann: eine noch viel tiefergehende Wende, die Wende von der Einbahnstraße des Todes auf den neuen Pfad des Lebens. Aber bis sie begreift, was ihr geschieht, muss sie sich buchstäblich mehrmals umwenden. Immer wieder muss sie ihre Blickrichtung ändern, muss eine neue Perspektive einnehmen, um am Ende nicht doch am Auferstandenen vorbeizugehen.

Marias zweite Wende

Zuerst geht ihr Blick starr nur in eine Richtung: zum Grab und in die Grabkammer hinein. Dort findet sie nichts als Leere. Der Leichnam, für den das Grab hergerichtet worden ist, liegt nicht mehr darin. Nicht genug, dass ihr der lebendige Herr genommen war, nun fehlt ihr selbst der tote. Nicht genug, dass sie Jesus verloren hat, jetzt hat sie nicht einmal mehr einen Ort für ihre Trauer. Doch dann nimmt sie plötzlich zwei Engel wahr, und allein schon deren Frage bewirkt eine erste Wende in ihrer Trauer: »Frau, warum weinst du?« Maria kehrt der Grabkammer den Rücken, dem Reich des Todes, und da begegnet sie ganz unverhofft dem Lebendigen. Aber auch jetzt ist ihr Blick noch ganz in Trauer gefangen. Sie stiert den Lebendigen an und sucht dabei immer noch den Toten. Sie geht buchstäblich an Jesus vorbei, ohne ihn zu kennen. Sie lässt ihn schon hinter sich, da ruft er sie endlich bei ihrem Namen: »Maria!« So hatte sie bisher nur einer gerufen, und damals änderte sich ihr ganzes Leben. So erfährt Maria in ihrer Trauer eine zweite Wende. Sie wendet sich ab von ihren Gedanken an den Toten und erkennt mit einem Mal den Lebendigen: Jesus, ihren Meister.

Meine Wende vom Tod zum Leben

Wenn wir dem Auferstandenen begegnen wollen, müssen wir die zweifache Wende der Maria nachvollziehen. Wir müssen uns abwenden von unserer Fixierung auf den Tod und uns hinwenden zum neuen Leben. Solange wir immer nur auf das starren, was uns genommen wird, werden wir niemals erkennen, was uns Größeres geschenkt ist. Solange wir nur in die finstere Grabkammer hineinstarren, haben wir das Licht des Lebens stets im Rücken. Die Gefahr der Trauer besteht ja gerade darin, dass sie uns ganz in uns selbst einschließt, und darin erweist sie ihre Macht. Wer in Trauer gefangen ist, dem ist alle Kraft genommen. Deshalb kann er sich auch nicht aus eigener Kraft befreien. Er braucht die einfühlsame Anrede von außen, die der Trauer nachspürt und neues Leben wecken kann. Er braucht die mitfühlende Nachfrage eines Engels: »Warum weinst du?« und die lockende Anfrage des Auferstandenen: »Wen suchst du?« Dann kann es geschehen, dass ich mitten in fernsten, tiefsten Tal der Tränen einen neuen Klang vernehme. Dann kann es sein, dass mich mitten im Tod einer zum Leben ruft. Während ich schon unterwegs bin ins Land des Vergessens, erfahre ich die endgültige Wende meines Lebens. Wenn ich schon ganz abgestorben bin, höre ich plötzlich meinen Namen. Es ist der Herr, der mich ins Dasein ruft, hier ins irdische und dort ins himmlische.

Wir Todgeweihten atmen auf

Das ist das tiefe Geheimnis von Ostern, das wir heute feiern. Es ist das Geheimnis vom Tod, den der Sieg des Lebens verschlungen hat. Und wenn es uns erst einmal erfasst, sehen wir die Welt mit neuen Augen. An toten Zweigen erspähen wir die neuen Knospen. Etwas Neues, Ungeahntes liegt in der Luft. An allen Ecken und Enden ist ein ungekanntes Schaffen und Weben. Die Bangigkeit verfliegt, die Qual gerät in Vergessenheit, und unser armes Herz, es atmet auf. Oder um es noch einmal mit Ludwig Uhland zu sagen:

»Die Welt wird schöner mit jedem Tag,
Man weiß nicht, was noch werden mag,
Das Blühen will nicht enden.
Es blüht das fernste, tiefste Tal:
Nun, armes Herz, vergiss der Qual!
Nun muss sich alles, alles wenden.«

Fürbitten
Herr über Leben und Tod. Als es noch finster war, kam Maria Magdalena zum Grab, um Jesus aufzusuchen. Doch sie fand den Toten lebendig. In den Finsternissen unserer Zeit bitten wir um das Licht des Lebens:

- Für die Abertausende von Menschen, die im Krieg und auf der Flucht ums Leben kommen.
(Schenke ihnen dein Leben.)
- Für die ungezählten Menschen, deren Leben durch Machtmissbrauch zerstört wird: die politisch und religiös Verfolgten, die Unterdrückten und Ausgegrenzten.
- Für die große Zahl von Menschen, die von Krankheit gequält und nicht selten um ihr Leben gebracht werden.
- Für unsere Verstorbenen und alle Toten, derer niemand mehr gedenkt.

Gott, unser Vater, du hast uns dieses Leben geschenkt, damit wir uns entfalten und zusammen mit dir und unseren Mitmenschen das Glück finden. Wir danken dir für die Gabe des Lebens und bitten dich: Erneuere sie uns an jedem Tag und vollende sie einst in deiner Herrlichkeit. Amen.

Wilfried Eisele

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