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der Zeitschrift
»Dienst am Wort«
Herausgeber
Leseprobe 2
24. Sonntag im Jahreskreis
Lesejahr C
Göttliche Gesprächskultur

Beitrag zur Lesung

Einführung

Heute jähren sich die New Yorker Terroranschläge von 2001 zum 15. Mal. Die Bilder der schrecklichen Ereignisse haben sich tief in unser Bewusstsein eingegraben. Man kann die Anschläge als Dialogverweigerung verstehen: Die radikalste Form, nicht mit einem Menschen reden und sich auf ihn einlassen zu wollen, ist, ihn zu töten. In der ersten Lesung des heutigen Sonntags hören wir von Gott, der wegen der Treulosigkeit seines Volkes außer sich vor Zorn und gar zum Äußersten bereit ist. Und doch verliert er nicht sein offenes Ohr. Ja, er besinnt sich auf das, was er uns als seinen Weg vorgibt: nie aufzugeben, die Menschen auch noch in der größten Enttäuschung zu suchen und das Böse mit Gutem zu überwinden.

Predigt

Zum Text: Ex 32,7–11.13–14 (1. Lesung)

»Und, wie hat dir meine Welt gefallen?«


Vor einiger Zeit erzählte mir ein Freund die folgende Anekdote (und ich hoffe, ich gebe sie sinngemäß richtig wieder): Ein Journalist führte ein längeres Interview mit einer europäischen Ordensschwester, die beinahe ihr ganzes Leben in Afrika verbracht hatte. Am Ende des Gesprächs wollte der Journalist von ihr wissen, was sie glaube, werde die erste Frage sein, die Gott ihr stellt, wenn sie nach ihrem Tod im Himmel vor ihm steht. Die Frage eignet sich nicht nur als Einleitung für so manch einen Witz, sondern ist tatsächlich eine sehr gute Frage. Denken Sie einen Moment nach, was Sie wohl antworten würden. Die Schwester im Interview schwieg kurz, dann hellte sich ihr ganzes Gesicht auf, und sie sagte: »Als erstes wird Gott wird mich gespannt fragen: ›Und, wie hat dir meine Welt
gefallen?‹«

Wenn wir vor Gott stehen …


Niemand von uns weiß, wie es dereinst sein wird, wenn wir das Himmelstor durchschreiten und vor Gott stehen werden. Aber was wir uns ausmalen und vorstellen, sagt eine Menge darüber aus, was wir von Gott denken und wer Gott für uns ist. Der Gott der Ordensschwester hat ganz offensichtlich einen Sinn für die Freude am Leben und auch eine gute Portion Humor.

In der ersten Lesung aus dem Buch Exodus werden wir Zaungäste eines Gesprächs zwischen Gott und Mose. Wenn wir es auf die Frage hin belauschen, wer und wie Gott ist, wird Ihnen der Gesprächsverlauf vermutlich seltsam vertraut vorkommen, jedenfalls wenn Sie Familie haben oder anderweitig in Gemeinschaft mit Menschen zusammenleben. Was ist die Ausgangslage? Gott hat die Israeliten mit großem Aufwand aus der ägyptischen Knechtschaft befreit. Aber statt ihm Dankbarkeit und Zuneigung zu zeigen, hat das Volk nichts Besseres zu tun, als sich bei erstbester Gelegenheit von ihm abzuwenden und sein Glück bei anderen Göttern zu versuchen.

Gott hat Gefühle

Und Gott? Gott ist gekränkt, und er ist wütend. Ja, er ist so verletzt, dass er niemanden mehr sehen will. Er haut sprichwörtlich die Tür zu und zieht sich in sein Zimmer zurück. Liest man die erste Lesung zusammen mit dem Evangelium, wird klar, dass es hier nicht um die Kränkung eines Vorgesetzten geht, der ein Disziplinarverfahren anstreben wird, sondern um die eines Familienmitglieds: eines Vaters, einer Mutter oder eines erwachsenen Sohnes oder einer Tochter, deren Sorge ganz den Kindern oder den alt gewordenen Eltern gilt. Aber diese wissen es nicht zu schätzen. Wie tief kann eine Kränkung sitzen, wenn unsere Zuneigung übersehen, missachtet oder als Selbstverständlichkeit abgetan wird? Wie würden Sie sich fühlen? Wie muss sich Gott fühlen?

Gott lässt mit sich reden


Nun sind die Kränkung und berechtigte Wut zum Glück nicht das Ende. Mose lässt sich vom »Lass-mich-in-Ruhe« nicht abwimmeln. Er vermittelt, besänftigt, überredet und überzeugt. Und Gott lässt mit sich reden. Denn auch wenn ihm danach ist, sein undankbares Volk endgültig in die Wüste zu schicken, besinnt er sich doch darauf, dass es nicht das ist, was er eigentlich für uns Menschen will. Sein Herz mag auseinanderbrechen, aber es bleibt doch an uns hängen. Papst Franziskus schreibt: »Gott fühlt sich verantwortlich, d. h. Er will unser Wohl und Er will uns glücklich sehen, voller Freude und Gelassenheit« (Misericordiae vultus 9). Übertragen Sie das Gleichnis vom verlorenen Sohn aus dem Evangelium in Ihre eigene Umgebung: Wie viel und vor allem was für ein Gerede würde es wohl in Ihrer Nachbarschaft geben, wenn eine Familie einen Sohn, der sie an den Rand des finanziellen Ruins getrieben hat, mit einem solchen Freudenfest zurück in ihren Schoß aufnehmen würde? »Dummheit« wäre vermutlich noch eine der harmloseren Vokabeln, die dabei fallen würden. Erkennen wir die »unberechenbare Größe« Gottes? Können wir mit seiner »gottverdammte[n] Art und Weise [umgehen], alles zu verzeihn und zu helfen, – sogar denen, die ihn stets verspotten«? (Hanns Dieter Hüsch)

Zwei Hinweise für die Begegnung mit Gott


Wie wird es also sein, wenn wir vor Gott stehen und die Chance bekommen, »Auge in Auge« mit ihm zu reden? Die Frage bleibt hypothetisch. Dennoch macht es Sinn für uns, sie zu beantworten, denn, wie anfangs gesagt, sie macht uns sehr viel darüber klar, was wir von Gott denken und wie wir unser Leben in seinem Licht führen wollen. Die Bibel gibt uns zwei unverrückbare Hinweise: Gott ist kein Automat oder eiskalter Finanzbuchhalter, der mechanisch Lebensbilanzen erstellt, sondern er hat ein Herz für uns – ein Herz, das zeitlebens mit uns Achterbahn fährt, das aber niemals seine Fähigkeit verliert, sich anrühren zu lassen. Wenn Sie es also heute noch nicht geschafft haben sollten, mit ihm Kontakt aufzunehmen, wäre jetzt eine gute Gelegenheit, es zu tun.

Fürbitten
Herr, unser Gott, du hast ein Herz, das sich anrühren lässt. Wir
bitten dich:

- Für uns Christen und alle Menschen, die deine lebendige und heilmachende Gemeinschaft suchen.
- Für Entscheidungsträger in Politik, Wirtschaft, Medien und Gesellschaft, die sich jenseits der Versuchung aller goldenen Kälber um deine größere Gerechtigkeit für alle bemühen.
- Für Diplomaten, Mediatoren und Schlichter, die Konflikte vermittelnd zu überwinden suchen.
- Für alle Menschen, die schuldig geworden sind und keine Vergebung annehmen können.
- Für die Notleidenden in unserer Umgebung und in der Welt, die auf Hilfe, Unterstützung, Zuflucht und Heilung hoffen.
- Für unsere Verstorbenen, für die wir die ewige Freude der Gemeinschaft mit dir erhoffen.

Denn du, Gott, bist gnädig und voll Erbarmen. Wir loben dich und danken dir durch Jesus Christus, unseren Bruder und Herrn.
Amen.

Sabine Schratz

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