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»Dienst am Wort«
Herausgeber
Leseprobe 2
15. Sonntag im Jahreskreis
Lesejahr B
Planvoll oder zufällig?

Beitrag zur Lesung

Einführung

Ein Leben ohne zu atmen ist nicht möglich. Ähnlich, so sagt Romano Guardini, könne auch der Christ ohne zu beten auf Dauer nicht existieren. »Betet ohne Unterlass!«, ermahnt darum Paulus die Christen in Thessaloniki. Wie können wir ohne Unterlass beten? Nur dann, wenn wir unser ganzes Leben als Gebet verstehen. Gebet ist mehr als nur das gesprochene Wort, es umfasst alles, was wir in christlicher Hoffnung tun. Möge Gott zu Beginn dieser neuen Woche im Brechen des Brotes unseren Glauben, unsere Hoffnung und unsere Liebe stärken.

Predigt

Zum Text: Eph 1,3–14 (2. Lesung)

Planvolles Handeln


Wer Großes vorhat, ist gut beraten, sich einen Plan zurechtzulegen. Planloses Agieren endet nicht selten im Chaos. So produzieren seit Jahren verschiedene Großprojekte – sei es die Hamburger Elbphilharmonie oder der Berliner Großflughafen – Negativschlagzeilen, weil Pläne entweder nicht ausgereift waren oder mangelhaft umgesetzt wurden. Wer keinen Plan hat, verliert schnell den Überblick und verzettelt sich in Details. Ohne das Ziel vor Augen samt einer klaren Skizze fällt es schwer, Wichtiges von Nebensächlichem zu unterscheiden und an den bedeutsamen Stellen die richtigen Entscheidungen zu treffen.

Göttlicher Heilsplan

Zu Beginn seines Briefes an die Christen in Ephesus richtet der Apostel Paulus seinen Blick auf Jesus Christus. Sein Kommen deutet der Völkerapostel nicht als ein planloses, zufälliges Ereignis, sondern als Gipfel und Höhepunkt eines großangelegten göttlichen Heilsplanes. Schon vor der Erschaffung der Welt seien wir für die Gemeinschaft mit Christus bestimmt und auserwählt worden. Rückblickend geht Paulus geradezu ein Licht auf und es ordnet sich für ihn alles planvoll ein; Gottes Heilswille sei weder willkürlich noch sprunghaft, sondern von langer Hand auf ein ganz bestimmtes Ziel hingeordnet, nämlich in der Fülle der Zeiten alles in Christus zu vereinen – »alles, was im Himmel und auf Erden ist«. Auf Christus erkennt Paulus alles hingeordnet; er sei das wohlüberlegte Ziel der gesamten Schöpfung. Durch ihn sei nicht nur alles geworden, sondern in und durch ihn sei auch alles wieder ins Heil gesetzt, also alles geheiligt worden – zum Lobe Gottes.

Als Christen ist uns die Perspektive des Apostels Paulus nicht fremd. Für uns ist Christus der Heilsbringer, das Ziel und die Vollendung der Welt. Durch das göttliche Wort ist die Welt geworden und durch das fleischgewordene Wort Gottes wurde sie erlöst. Alles ordnet und fügt sich somit in Christus. Diesen göttlichen Heilsplan umschreibt der Apostel Paulus mit großartigen, hymnenähnlichen Formulierungen und man hört seine Begeisterung und Bewunderung förmlich heraus.

Offene Fragen

Wenn alles so klar und einsichtig ist, wenn alles so deutlich der göttlichen Heilsordnung folgt, wenn sich von Christus aus alles so einsichtig fügt und ordnet, warum erkennen das dann nicht alle Menschen? Warum nehmen das dann nicht auch unsere jüdischen Schwestern und Brüder wahr? Warum überzeugt dann unser christlicher Glaube heute immer weniger Menschen, zumindest bei uns in Europa?

Paulus preist den göttlichen Heilsplan im Glauben an Jesus als den Christus. In diesem Glauben eröffnet sich ihm eine neue, zielgerichtete Perspektive, die alles, Himmel und Erde, in ein neues Licht hüllt. Doch dieses Licht beseitigt nicht alle Schatten, will heißen: Der Glaube an Jesus als den Christus erschließt uns eine neue Sehweise, ohne dass für uns deshalb aber schon alles und jedes klar und deutlich wäre und sich uns keine offenen Fragen mehr aufdrängen würden. Das wusste übrigens auch der Apostel Paulus. In seinen Briefen an die Christen in Korinth räumt er offen ein, dass wir uns erst im Zustand des Glaubens befinden und noch nicht in dem des Schauens, woraus er die Erkenntnis ableitet: »Jetzt schauen wir in einen Spiegel und sehen nur rätselhafte Umrisse, dann aber schauen wir von Angesicht zu Angesicht. Jetzt erkenne ich unvollkommen, dann aber werde ich durch und durch erkennen.«

Teleologie oder Zufall?

Auch für uns Christen ist keineswegs alles so eindeutig und klar, wie uns durch den Lobgesang des Apostels Paulus auf den göttlichen Heilsplan vielleicht glaubend machen könnte. Warum gibt es beispielsweise trotz der Fülle der Zeit, der Erlösung und Rettung durch Christus und trotz des Anbruchs des Reiches Gottes noch immer so viel unsägliches Leid auf der Welt? Warum bedurfte es überhaupt des grausamen Kreuzestodes Jesu, um uns Menschen mit Gott zu versöhnen? Warum wurde Gottes Sohn erst vor 2000 Jahren Mensch, obgleich es doch schon eineinhalb Millionen Jahre lang den Menschen gab? Ist dieses Universum, das vor fast 15 Milliarden Jahren aus einem Urknall entstand, bis heute ein unvorstellbares Ausmaß angenommen hat und sich noch immer weiter ausdehnt, tatsächlich auf ein Ziel hingeordnet? Ist wirklich alles von Gott bestimmt und gefügt oder entwickelt sich die Welt evolutiv, durch das Zusammenspiel von Zufall und Notwendigkeit?

Immer wieder wurde und wird von Naturwissenschaftlern die Ansicht vertreten, dass sich die Entstehung von Leben einem unwahrscheinlichen Zufall in dem sich selbst organisierenden Naturprozess verdanke. Aufgrund dieses blinden Zufalls glaubte beispielsweise der Biologe Jacques Monod (1970), dass der Mensch »endlich aus seinem tausendjährigen Traum erwachen und seine totale Verlassenheit, seine radikale Fremdheit erkennen [müsse]. Er weiß nun, dass er seinen Platz wie ein Zigeuner am Rande des Universums hat, das für seine Musik taub ist und gleichgültig gegen seine Hoffnungen, Leiden oder Verbrechen.« Sind wir Menschen also nur das Zufallprodukt eines riesigen Evolutionsprozesses? Sind wir anstatt Ziel der Evolution nur deren Nebenprodukt – eine bloße, unbedeutende Randerscheinung? Müssen wir den Glauben an ein planvolles und zielgerichtetes Schöpferwirken Gottes preisgeben?

Religiöse Deutung

Wir Christen können und müssen die naturwissenschaftlichen Einsichten zur Kenntnis nehmen. Ja, unser Kosmos entspringt sehr wahrscheinlich einem Urknall und er entwickelt sich evolutiv fort. Doch diese physikalischen Einsichten verbieten es uns keineswegs, dennoch an einen göttlichen Heilsplan zu glauben. Denn die Naturwissenschaften erklären uns die innerweltlichen Zusammenhänge, nicht aber deren Bedeutung. Was das alles zu bedeuten hat, was wir erforschen können, darauf wissen sie keine Antwort. Eine religiöse Deutung des Naturprozesses ist uns darum keineswegs verwehrt. Trotz aller physikalischen Einsichten dürfen wir auch weiterhin glauben, dass Gott einen Plan mit seiner Schöpfung verfolgt und sie durch die Fleischwerdung des göttlichen Wortes ihrer ursprünglichen Einheit mit dem Schöpfer wieder zuführt (Joh 1).

Der große Heilsplan, von dem der Apostel Paulus spricht, gipfelt in Jesus Christus, ohne dass für uns Christen deshalb schon der gesamte göttliche Plan einsichtig wäre. Dies gilt umso mehr, als sich unsere heutige Weltbetrachtung gänzlich von der Weltwahrnehmung des Apostels Paulus unterscheidet. Wie wahr, wir befinden uns erst im Zustand des Glaubens und noch nicht in dem des Schauens. Unsere religiöse Deutung der Welt bleibt ein Risiko und erst am Ende der Zeit wird sich zeigen, ob sich der göttliche Heilsplan erfüllt oder alles womöglich ganz anders ist.

Fürbitten
Aus unserer Schwachheit und Not rufen wir voll Zuversicht zu dir, o Gott:

- Für alle in unserem Umfeld, die sich einsetzen für Frieden und Freiheit und ihre Stimme mutig erheben gegen Unrecht und Ungerechtigkeit. – Stille – Gott, unser Vater:
(Wir bitten dich, erhöre uns.)
- Für jene aus unserer Gemeinde, die verunsichert sind und deren Glaube dem Zweifel gewichen ist. – Stille – Gott, unser Vater:
- Für die Menschen, mit denen wir nur schwer oder gar nicht mehr auskommen. – Stille – Gott, unser Vater:
- Für die Geschundenen und Entmündigten, mit denen wir mitfühlen und mitleiden – Stille – Gott, unser Vater:
- Für unsere Verstorbenen. – Stille – Gott, unser Vater:

Gütiger Gott, wir vertrauen darauf, dass deine Liebe alles zum Guten zu wenden vermag. Doch nicht unser, sondern dein Wille geschehe. Dir sei Dank und Lobpreis in Zeit und Ewigkeit. Amen.

Christoph Böttigheimer

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