Dienst am Wort – Startseite
Startseite » Archiv » Ausgabe 4/2015 » Leseprobe 3
Titelcover der archivierte Ausgabe 4/2015 – klicken Sie für eine größere Ansicht
Die Inhalte
der Zeitschrift
»Dienst am Wort«
Herausgeber
Leseprobe 3
Zehnter Sonntag im Jahreskreis
Lesejahr B

Verbaute Zugänge

Beitrag zum Evangelium

Einführung

Es gibt viele Jesus-Bilder: gemalte und gedachte, gelehrte und schlichte, Jesus-Bilder in Kunst und Literatur, in Verkündigung, Glaubensunterweisung und Frömmigkeit. Unterschiedliches wird gesehen, manches hervorgehoben, hinzugedacht und hinzugeglaubt, anderes weggelassen, verschwiegen, verdrängt oder verharmlost.
Die Frage »Für wen haltet ihr mich?« (Mk 8,29) stellt sich jeder Zeit neu, stellt sich jedem und jeder von uns neu. Und die Antworten, auch solche, die auf dem verlässlichen Boden der vier Evangelien stehen, variieren. Es zeigt sich eine überraschende Vielgesichtigkeit.
Auch unser heutiges Evangelium trägt nachhaltig zu einer solchen Beunruhigung bei. Denn es malt – ähnlich wie Arnulf Rainer mit seinen »Übermalungen« – schroffe Züge über das von Gewohnheit und Verehrung geglättete und verklärte Gesicht des Mannes von Nazaret. Sein Wort, er selbst und das, was von ihm gesagt und zu sagen ist, stellt sich quer zu Klischees und sprengt einfache Festlegungen.

Kyrie-Ruf
Herr Jesus Christus, du tust und verkündest den Willen Gottes.
Herr, erbarme dich.
Du rufst uns, dir nachzufolgen, in deiner Lebensspur zu leben.
Christus, erbarme dich.
Du suchst in uns deine Schwestern und Brüder, denen der Himmel offen steht.
Herr, erbarme dich.
Oder:
GL 164 »Der in seinem Wort uns hält«

Tagesgebet
Gott,
dem alles Gute entspringt,
wir bitten dich inständig,
gib, dass wir, von dir beseelt,
denken, was richtig ist,
und es, geleitet von dir,
dann auch tatsächlich tun.
(Aus: Alex Stock, Orationen. Die Tagesgebete im Jahreskreis neu übersetzt und erklärt, Regensburg 2011,43)

Liedvorschläge
Gesang zur Eröffnung
GL 81,1.4–6 »Lobet den Herren alle, die ihn ehren«
Antwortgesang mit Ruf vor dem Evangelium
GL 639/3 »Beim Herrn ist Barmherzigkeit« mit 639/4,1–2.3–4.5–6.7.9
(Psalm 130) oder
GL 283 »Aus der Tiefe rufe ich zu dir«
und GL 175/3 »Halleluja«
Gesang zur Gabenbereitung
GL 381 »Dein Lob, Herr, ruft der Himmel aus«
Gesang zur Kommunion
GL 210 »Das Weizenkorn muss sterben«
Dankhymnus/Schlusslied
GL 455 »Alles meinem Gott zu Ehren«

Vorüberlegungen

Zum Text: Mk 3,20–30 (Evangelium)

Im Evangelium des zehnten Sonntags im Jahreskreis befindet sich »Jesus in einem Haus, wo sich Menschen um ihn versammeln. Das ›Haus‹ zeigt familiäre Geborgenheit an; hier aber wird der Raum unter der Ausstrahlung Jesu zu eng. Unter seinem Wort und Wirken entsteht ein neues ›Haus‹, das gekennzeichnet ist durch seine Sendung zu den Menschen und Raum bietet für sie.« (Kertelge, K., Markusevangelium (=NEB 2). Würzburg 1994, 42.)

Es kommt darauf an, in dieses neue Haus einzutreten, in dem Jesus lebt, mit ihm einzutreten in das neue Haus, das Gott mit ihm in dieser Welt baut. Jesus öffnet Zugänge durch sein Reden und Tun, durch seine neue Ansage Gottes und das Tun seines Willens. Doch die eingeladenen Menschen, ihm näher- oder fernstehend, verbauen Zugänge: nähere und entferntere Verwandte, gelehrt Wissende und die angestammte Familie, sich und anderen. Sie halten ihn für verrückt, weil er nicht so tut und redet, wie man tut und redet. Sie wollen den, der das neue Haus baut, zurückholen in die alten Häuser. Sie werfen ihm ein Teufelsbündnis vor, dann muss man sich nicht nur nicht auf ihn einlassen, dann darf man es nicht. Der das neue Haus baut, ist – so ihr Urteil – doch im Falschen, im Bösen sogar. Sie stehen vor dem Haus und rufen ihn heraus aus dem seinen in ihr gewohntes, selbstgebautes: Nur nicht eintreten, es könnte seinen eigentümlich einladenden Reiz entfalten, sondern auf unberührter Distanz bleiben, im Eigenen: »… von ›seiner Mutter und seinen Brüdern‹ [wird] gesagt, daß sie vor der Tür des Hauses stehen. Und sie lassen ihn herausrufen. Wiederum ist Jesus also im Hause, umgeben von vielen Leuten, die sich zu ihm drängen. So entsteht ein bewegtes Bild: die drinnen und die draußen und eine irgendwie vermittelte Kommunikation zwischen beiden, die zum Auslöser für das entscheidende Wort Jesu wird: ›Wer ist meine Mutter, und wer sind meine Brüder‹?.« (Kertelge, K., Markusevangelium (=NEB 2). Würzburg 1994, 42.) Wer bei Jesus zusammenkommt und ihn hört (Mk 3,20) und »wer den Willen Gottes tut« (Mk 3,35), der ist Bruder und Schwester Jesu, wer also die Zugänge nicht verbaut, sich und anderen nicht. Erkennen wir unsere Verbauungen?

Predigt

Wenn es so viele Menschen waren, …

die aus dem ganzen Land zu Jesus drängten, weil sie von ihm Heilung erwarteten, wenn er bei den Menschen so »ankommt«, dass er und seine Begleiter vor lauter Andrang nicht einmal mehr zum Essen kamen (Mk 3,20), und er so viele Wunder unter denen gewirkt hat, die ihn von allen Seiten bedrängen, weshalb hatte er dann letztlich doch so wenig Erfolg in seinem Volk? Markus lenkt unseren Blick zunächst auf »die Seinen«, … Jesu Landsleute, Verwandte und Bekannte aus seiner Heimatstadt. Der Umgang Jesu, sein Auftreten erregt unliebsames Aufsehen. Viele drehen sich nach ihm um, laufen ihm nach, zu viele, mit denen sich der Umgang eigentlich verbietet. Und nicht nur, was er tut und was ihm so alles hinterherläuft, auch, was er sagt: Er redet zu viel Neues, zu viel Ungewohntes, vor allem von Gott. Sie verstehen ihn nicht, so wird erzählt, die Jünger nicht, und nicht die Angehörigen und erst recht nicht die Leute (Mk 4,13.33; 9,32). Wenn er so weitermacht, dann wird es ein böses Ende nehmen. Er redet sich um Kopf und Kragen und womöglich nicht nur sich. Also muss rasch ein Riegel vorgeschoben werden, ehe es zu spät ist. Seine Landsleute, seine Verwandten und Nachbarn »machten sich auf den Weg, um ihn mit Gewalt zurückzuholen: Er ist doch von Sinnen« (Mk 3,21)!

Markus »übermalt« hier zum ersten Mal …

allzu glatte, gewohnte Bilder: So wie er redet man nicht, so stellt man den gewohnten Glauben nicht in Frage, so bringt man Gott nicht ins Spiel. Aber Jesus tut es! Und die ängstliche Gewalt, mit der »die Seinen« ihn in ihre Welt zurückholen wollen, verbaut ihnen jeden Zugang zu ihm! Ebenso wie die Beharrlichkeit, mit der wir Christen ihn immer wieder auf unsere Vorstellungen festschreiben und in unsere Logik einschreiben wollen.
Seine Landsleute wollten keine Störung. Und wir Christen? Wir glauben an einen, den seine Verwandten ob seiner Querlage zu vielem heiligund selbstverständlich Gewordenem für einen Spinner hielten! Und noch nicht anstößig genug: In dessen Nachbarschaft man auch sie für Spinner halten wird. Das fürchten sie am meisten. Und wir, die seinen Namen tragen? Ja nicht zu viel Nähe? Nur hoffentlich nicht zu sehr mit ihm gleichgesetzt werden? Nur ja noch genügend Spielraum, um mitschwimmen zu können oder die liebe Ruhe zu haben?

Doch nicht nur bei seiner Verwandtschaft …


und seinen Bekannten stieß Jesus auf Unverständnis und Ablehnung, sondern auch bei den Schriftgelehrten, den Theologen seiner Zeit. Sie waren eigens Jesu wegen von Jerusalem nach Galiläa herabgekommen, um festzustellen, was von dieser neuen Jesus-Welle zu halten sei (Mk 3,22). Auch ihr Urteil fiel negativ aus: »Er ist von Beelzebul besessen; mit Hilfe des Anführers der Dämonen treibt er die Dämonen aus« (Mk 3,22). Er ist des Teufels!
Die Wunderheilungen bezweifeln die Theologen keineswegs. Doch mit der bloßen Feststellung, dass Jesus Wunder tat, war noch gar nichts entschieden. Wunder konnten verschiedene Ursachen haben: Nicht nur Gott, auch andere Mächte konnten hinter den Wundern stecken. Die entscheidende Frage lautete nicht: »Handelt es sich wirklich um ein Wunder?«, sondern: »Wer wirkt hier im Grunde? Eine gute oder eine böse Macht? Gott oder der Satan?« Und bevor zu viele ihrer gewöhnlichen Denkstrukturen durcheinanderkommen, wird eine dämonische, böse, gottlose Macht verantwortlich gemacht.

Jesus sucht eine gemeinsame theologische Basis …

mit den Schriftgelehrten und versucht die Botschaft seiner Heilungswunder zu erschließen. »Wie kann der Satan den Satan austreiben? Wenn er wirklich gegen sich selbst aufsteht und mit sich selbst im Streit liegt, dann ist es um ihn geschehen!« (Mk 3,23.26). Wenn sie also daran festhalten wollen, dass er die Dämonen mit Hilfe des Anführers der Dämonen austreibt, dann müssten sie auch die Folgerung ziehen: Dann ist die Herrschaft des Satans zu Ende. Dann ist die messianische Zeit angebrochen! Wenn Jesus in den Machtbereich des Bösen einbricht und es bändigt, dann bleibt für Jesu Heilungen nur eine Erklärung: Jesus ist der Stärkere, er handelt in des Stärkeren, in Gottes Vollmacht.
Das müsste einleuchten, gäbe es nicht die tief verwurzelte und offensichtlich weit verbreitete menschliche Voreingenommenheit, die in allen Menschen böse Mächte am Werk sieht, die mit ihrem Verhalten die eigene bisherige Weltanschauung in Frage stellen. Was nicht ins mühsam erstellte und aufrechterhaltene Konzept und Interesse passt, wird verteufelt. Diese Haltung, verbaut ihnen, verbaut überhaupt den Zugang zu Jesus.

Wie soll so das Wunder Jesus offenbar werden?

Nur dieses wollen die vielen Wunder Jesu zeigen: das Wunder der Menschwerdung Gottes in Jesus, das Wunder der unberechenbaren und nicht mehr weltlogisch fassbaren Zuneigung Gottes, das beglückende Wunder seiner Parteinahme für uns Menschen zu unserem Heil. Wie soll das Wunder Jesus offenbar werden, wenn sich die Schriftgelehrten in ihren Denk- und Handlungsstrukturen nicht beirren lassen? Wenn wir uns in unserem Leistungs- und Vergeltungsdenken und -handeln nicht öffnen lassen? Das sind doch ganz verschiedene Wellenlängen!

Jesu Reaktion ist heftig und entschieden: …

»Wer aber so den Heiligen Geist lästert, der findet in Ewigkeit keine Vergebung« (Mk 3,29). Der Geist Gottes treibt ihn zu den Menschen. Der Geist Gottes lässt Jesus Heilung und Heil wirken. Aus Gottes Geist können wir nach Gottes Logik, gemäß seiner Zuneigung und Liebe leben, denken, handeln und reden. Wer aber Gottes Zuneigung nicht anerkennt, weil solche Liebe nicht sein kann oder nicht sein darf, wer Gottes Geist nicht zutraut, diese Welt zu verändern, und sich seinem Wirken der Zuneigung und Liebe widersetzt, der widersteht Gott, der distanziert sich von Gott.
Nicht weil Gott nicht vergeben wollte, sondern weil der Mensch sich weigert, Gottes rettendes Entgegenkommen zuzulassen, weil er Jesu heiligen Geist lästert, Gottes Zuneigung und Liebe, kann ihm keine Vergebung zuteilwerden (Mk 3,30). »Seine Sünde wird ewig an ihm haften« (Mk 3,29).

Eine dritte scheiternde Personengruppe …


führt Markus schließlich noch ein: Jesu Familie, seine Mutter und seine Brüder (Mk 3,31). Auch sie haben, härter ist es kaum auszudrücken, keinen Zugang zu Jesus. Weshalb nicht einmal sie, die Nächsten?
Weil sie meinten, einen Anspruch auf Jesus zu haben: »Sie blieben vor dem Haus stehen und ließen ihn herausrufen« (Mk 3,31). Doch nicht der findet Zugang zu Jesus, der »draußen« stehen bleibt und nach Jesus fragt (Mk 3,32), sondern nur, »wer den Willen Gottes tut«, der ist für Jesus »Bruder und Schwester und Mutter« (Mk 3,35). Jesus überschreitet auch hier allzu Selbstverständliches: Die Bande des Herkommens, des leiblichen und geistigen werden gesprengt um des Reiches Gottes willen. Keiner kann sich auf Beziehungen berufen oder in Gegebenem ausruhen.

Auch damit schreibt uns Markus kräftig ins Stammbuch:


Wie die vermeintlich nahen Brüder damals haben auch wir keinen Anspruch auf ihn. Er steht uns nicht zu Händen oder zur Verfügung. Wir können ihn nicht verwalten. Auch wenn die Menschen bei unserem sakramentalen Handeln darauf vertrauen dürfen, dass Christus wirklich begegnet und heilend handelt, so kann er uns doch verlorengehen! Für uns alle gibt es nur zwei Möglichkeiten: draußen stehen zu bleiben oder Jesu »Bruder und Schwester und Mutter« zu werden, indem wir ihm auf dem Weg des Evangeliums nachfolgen und uns von ihm immer wieder überraschend Neues an ihm, unseren Mitmenschen und uns selbst erschließen lassen.
Jesus bringt Handlungsmuster und Denkstrukturen und vermeintliche Ansprüche durcheinander: Er redet nicht Sitte und Anstand, nicht theologischen Systemen, nicht Ansprüchen das Wort, er kündet vom Reich Gottes und tut es!

Fürbitten
Guter Gott, mit Jesus von Nazaret kommst du uns nahe mit deiner Liebe, deinem Leben, deiner Vergebung, deinem Frieden.

- Viele Menschen suchen Zuwendung und Zusage von Würde und Leben. Sei uns nah, Helfer unseres Lebens:
(Wir bitten dich, erhöre uns.)
- Menschen, die nicht in unsere Vorstellungen passen von Normalität und Funktionieren, von Leistung und Mobilität werden abgestempelt, gemieden, abgeschoben. Öffne unsere Horizonte, Helfer unseres Lebens:
- Vergebung sagst du uns Menschen zu, Befreiung von Schuld und Sünde. Lass sie uns annehmen, Helfer unseres Lebens:
- Viele möchten Jesus für sich einnehmen, für ihre Vorstellungen, für ihre Ideen, ihre Absichten, Absichten. Lass uns offen werden für Jesu Wort und Tat, für den Helfer unseres Lebens:
- Brüder und Schwestern nennst du alle, die dem Willen Gottes folgen. Lass die Deinen nicht allein in Sterben und Tod, Helfer unseres Lebens:

Herr, unser Gott, in Jesus wirst du unser Bruder, im Heiligen Geist bist du uns Beistand. Dreifaltig einer, dir sei Lob und Dank, heute und alle Tage bis in deine Ewigkeit. Amen.

Clemens Stroppel

Zurück zur Startseite

pastoral.de


Das bewährte
BasisProgramm
auf CD-ROM


pastoral.de - BasisProgramm

oder

Die
Web-Plattform
im Browser


pastoral.de - Web-Plattform

Vergleichen Sie hier


Dienst am Wort
Telefon: +49 (0) 711 44 06-134 · Fax: +49 (0) 711 44 06-138
Senefelderstraße 12 · D-73760 Ostfildern
Kontakt | AGB | Datenschutz | Impressum