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»Dienst am Wort«
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Leseprobe 2
Vierter Adventssonntag
Lesejahr B

Von »Gott« reden in einer Welt menschlicher Macht

Beitrag zur Lesung

Einführung

»Taut, ihr Himmel, von oben! Ihr Wolken, regnet herab den Gerechten! Tu dich auf, o Erde, und sprosse den Heiland hervor.«
Was das heißt, muss David erfahren, als er sich im Vollgefühl seiner menschlichen Macht anschickt, Gott ein Haus zu bauen.
Das erfährt auch Maria von Nazaret, als sie im Blick auf sich selbst fragt: Wie soll das geschehen, was du, Engel, mir zumutest?
Von ›oben‹, aus dem ›Himmel‹, von ›Gott‹ muss etwas kommen, damit von ›unten‹, aus der ›Erde‹ Segen hervorgeht.
Darum sind so viele Adventslieder wie Frühlingslieder mitten im Winter. Halten wir inne. Schauen wir auf uns selbst. Bitten wir um Erbarmen.

Predigt

Zum Text: 2 Sam 7,1–5.8b–12.14a.16 (1. Lesung)

Am Rande des Universums


Wer von Ihnen erinnert sich noch an die Fernsehabenteuer des Raumschiffs Enterprise, »das mit seiner 400 Mann starken Besatzung fünf Jahre lang unterwegs ist, um neue Welten zu erforschen, neues Leben und neue Zivilisationen«, wie es im legendär gewordenen Vorspann heißt. »Viele Lichtjahre von der Erde entfernt«, so geht der Spruch weiter, »dringt die Enterprise in Galaxien vor, die nie ein Mensch zuvor gesehen hat.«
In einem abendfüllenden Spielfilm gelangt die Crew sogar an die angeblichen Grenzen des Universums. Sie überwindet eine geheimnisvolle Barriere und begegnet einem Wesen von scheinbar unbegrenzter Kraft, das sich ihnen als ›Gott‹ vorstellt. Aber genügt dafür die bloße Macht, mit Donner und Blitz Eindruck zu machen und ein paar schwache Menschen in die Knie zu zwingen?
Unvergesslich ist mir die Szene, wo der Captain, James T. Kirk mit Namen, sich ganz frech zu Wort meldet. Er habe da mal eine Frage. Ihm sei unklar, warum das Wesen so begierig danach sei, die Technologie der ›Enterprise‹ in die Hand zu bekommen. »Wozu braucht Gott ein Raumschiff ?« Es folgt ein neuer Zornausbruch des Wesens. Aber auch wenn die theologische Pointe dieses ansonsten nicht sehr frommen Sciencefiction-Spektakels im Raum stehen bleibt und im Film eher dazu dient, religiöse Vorstellungen ein wenig auf die Schippe zu nehmen – der freche Raumschiff-Captain hat den Nagel auf den Kopf getroffen: Ein Wesen, das ein Raumschiff braucht, um eine Barriere zu überwinden, kann nicht wirklich ›Gott‹ sein – mag es auch noch so geheimnisvoll tun und mit seiner enormen Kraft protzen, mag es menschliche Ausmaße auch tausendfach oder abertausendfach überragen.

Gott braucht weder Raumschiff noch Haus

Auf diesen wichtigen Gedanken kommen religiöse Menschen aber auch von selbst. Das muss ihnen nicht von klugen Kritikern grinsend vorgeführt werden. Selbst antike Heiden haben doch wohl nicht im Ernst angenommen, dass die Göttinnen und Götter höchstpersönlich in den Statuen steckten, die sie ihnen aufstellten, oder dass sie nirgendwo anders als in den Heiligtümern residierten, die sie ihnen errichteten. Allerdings dürfte schon immer die Versuchung stark gewesen sein, sich mit solchen menschengemachten Bildern und Räumen die göttlichen Kräfte verfügbar zu machen, sie für die eigenen Zwecke zu missbrauchen. Eine Gefahr, der auch die Könige von Juda und Israel zu erliegen drohten, als sie in ihrer Residenz Jerusalem dem schon lange verehrten Retter-Gott mit Namen ›Jahwe‹ einen prachtvollen Tempel in Aussicht stellten.
Wir haben es gehört: Als nun der König David in seinem Haus wohnte und der HERR ihm Ruhe vor allen seinen Feinden ringsum verschafft hatte, sagte er zu dem Propheten Natan: Ich wohne in einem Haus aus Zedernholz, die Lade Gottes aber wohnt in einem Zelt.
Im Klartext: Gott braucht ebenfalls etwas Besseres! Er braucht ein eigenes Haus, einen Tempel!
Was kann man dagegen sagen? Das klingt doch sehr vernünftig – und fromm! Ein klares Bekenntnis zu Israels Gott will dieser König ablegen. Und ohne viel zu überlegen, lobt ihn der Prophet Natan dafür: Geh nur und tu alles, was du im Sinn hast; denn der HERR ist mit dir.
Aber dann – in der Nacht, wo Vieles sich klärt, wenn man auf die unbewussten Botschaften der Träume achtet – geht dem Propheten auf, wie vorschnell er reagiert hat. Es erging an ihn das Wort des HERRN.
Und das bekommt der König zu hören: Du willst mir ein Haus bauen, damit dich darin wohne? Seit dem Tag, als ich die Israeliten aus Ägypten heraufgeführt habe, habe ich bis heute nie in einem Haus gewohnt, sondern bin in einer Zeltwohnung umhergezogen. Habe ich in der Zeit, als ich bei den Israeliten von Ort zog, jemals zu einem der Richter Israels, die ich als Hirten über mein Volk Israel eingesetzt hatte, ein Wort gesagt und sie gefragt: Warum habt ihr mir kein Haus aus Zedernholz gebaut? ( 2 Sam 7,5b muss hier um die Verse 7,6–7 ergänzt werden, die in der liturgischen Fassung unverständlicherweise ausgelassen wurden. )
Gott braucht weder ein Raumschiff, um sich von Ort zu Ort zu bewegen, noch ein Haus, in dem er wohnen kann. Wenn wir ›Gott‹ sagen, dann meinen wir den, der uns Wohnung gibt – dem wir alle Inspirationen, alle Kräfte und Möglichkeiten verdanken, von denen wir leben – auch jene Kräfte, die uns dazu führen, Raumschiffe zu bauen oder Smartphones zu erfinden oder die letzten Bestandteile des Universums erforschen zu können.

Urheber unserer Möglichkeiten und unserer Verantwortung

Es ist auch nicht so, als ob Gott ein Konkurrent unserer Wissenschaft und unserer Forschung wäre! Wie kleinlich ist doch ein Glaube, der Gott beschützen möchte vor der Evolutionstheorie oder der Genforschung oder der Relativitätstheorie Einsteins! Gott wird doch durch das alles nicht in Frage gestellt!
Wie töricht war doch, was der erste russische Kosmonaut Juri Gagarin nach seinem Weltraumflug sagte, weil er sich bei den Kommunisten lieb Kind machen wollte oder weil es diese ihm in den Mund gelegt hatten: Gott jedenfalls habe er dort oben nicht gesehen! Was für ein Unsinn! Hatte er das im Ernst erwartet? Gott ist doch nicht nur irgendein Ding im All – er ist dessen Urheber und Erlöser! Darum wird er durch keine neue wissenschaftliche Erkenntnis kleiner gemacht, sondern nur umso größer! Er ist nicht der Gegenstand unserer Wissenschaft, sondern derjenige, der uns die Möglichkeit dazu überhaupt erst geschenkt hat!
Freilich nicht nur die Möglichkeit, sondern auch die Verantwortung für unsere Fähigkeiten und Errungenschaften! Und genau dies musste auch David erkennen – der König, der ›Gott‹ in sein eigenes System einbauen wollte und dabei auch über Leichen ging, mit gutem Gewissen möglicherweise sogar, weil er Gott hinter sich zu haben meinte.
Wer bist du denn eigentlich, David?, fragt Nathan im Namen des HERRN. Ich habe dich von der Weide und von der Herde weggeholt, damit du Fürst über mein Volk Israel wirst, und ich bin überall mit dir gewesen, wohin du auch gegangen bist.
Alles, was du bist, hast du vom HERRN. Nicht weil du eine Marionette ohne eigenen Willen wärest. Du bist es, der erkennt, der handelt, der entscheidet. Aber die Möglichkeiten, die du verwirklichst, die hast du von Gott. Gott braucht dein Haus nicht. Du brauchst es. Das Volk braucht es. Erst wenn dir das klar ist und wenn du darauf alles ausrichtest, was du zu bieten hast – dann magst du oder dein Sohn einen Tempel errichten, aber nicht als Krönung deiner Verdienste, sondern als Erinnerung an den, von dem du und dein Volk alles hast. Ja – ich will deinem leiblichen Sohn (gemeint ist Salomo!) Vater sein und er soll mein Sohn sein. Und dann, und nur dann soll dein Haus und dein Königtum durch mich auf ewig bestehen bleiben; dein Thron soll auf ewig Bestand haben.
Achten Sie also darauf, liebe Mitchristen, welche falschen und welche richtigen Gottesbilder Ihnen in TV-Serien und Kinofilmen präsentiert werden – in guter oder in schlechter Absicht. Wir brauchen uns nicht zu schämen für unseren Gott. Nicht er braucht uns – wir brauchen ihn, damit die Richtung stimmt, in die wir gehen, damit durch unsere unseren enormen Fähigkeiten die Welt nicht kaputt geht, sondern wie Davids Königtum Bestand hat und Heimat gibt und Gerechtigkeit und Frieden.

Fürbitten
Zu Gott, dem Vater unseres Herrn Jesus Christus, wollen wir rufen:

- Im Blick auf David: Für alle Mächtigen unserer Zeit – um eine richtige Einschätzung ihrer Möglichkeiten und ein tiefes Bewusstsein für ihre Verantwortung.
- Im Blick auf Natan: Für alle, die im Dienst der Verkündigung stehen – um Zivilcourage und Klugheit im Umgang mit den Mächten unserer Zeit.
- Im Blick auf den Tempel, der schließlich doch gebaut wurde: Für unsere kirchlichen Bauvorhaben und Unternehmungen – um das richtige Maß und das Gespür für das Wesentliche.
- Im Blick auf Maria, die Magd des Herrn: Für uns alle – um einen tiefen Glauben und um ständige Offenheit für das Wirken des Heiligen Geistes.

Ihm, dem einen, weisen Gott, sei Ehre durch Jesus Christus in Ewigkeit. Amen.

Alfons Knoll

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