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»Dienst am Wort«
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Leseprobe 3
26. Sonntag im Jahreskreis
Lesejahr A

Umkehr führt zum Leben

Beitrag zur Lesung

Einführung

Glauben wir daran, dass es irgendwann einmal eine gerechte Welt geben wird: eine Welt, in der Menschen begangenes Unrecht einsehen und versuchen, dies zu verändern; eine Welt, in der Willkür, Korruption, Krieg und Verfolgung nicht mehr Alltag sind; eine Welt, in der Menschen die Frage nach dem Warum nicht mehr stellen müssen?
Es ist die uralte Frage der Menschen nach Gott, warum Unrecht in der Welt in solch großem Ausmaß geschieht. Ezechiel beantwortet sie mit dem israelitischen Verständnis, dass das eigene Handeln Auswirkungen auf mein Befinden hat. Deshalb lädt er zur Umkehr ein, zu einer Umkehr zu Gottes Willen hin, der das gute Leben der Menschen will.

Predigt

Zum Text: Ez 18,25–28 (1. Lesung)

Warum?

Wer unter uns hat sich diese Frage noch nicht gestellt angesichts von Krankheit und Tod, Krieg und Katastrophen, von Leid und unendlich tiefem Schmerz? Warum müssen Menschen das aushalten? Warum fügen sie einander solche Schmerzen zu? Warum stirbt jemand so sinnlos? Warum bleibt letztendlich das Gefühl, dass es in unserer Welt nie gerecht zugehen wird? Warum?
Warum sind wir deportiert, ins Exil verbannt worden, warum dürfen wir nicht in unsere Heimat zurückkehren? So fragten die Menschen vor mehr als 2600 Jahren, als das Volk Israel ins babylonische Exil gezwungen wurde. Der Tempel in Jerusalem wurde zerstört und die Hoffnung auf baldige Rückkehr schwand immer mehr.

»Das Verhalten des Herrn ist nicht richtig«

So lautete das Fazit vieler, die einfach keinen Grund für eine solch andauernde Ungerechtigkeit finden konnten. Anders gesagt: Es ist zu viel, zu unbegreiflich, zu sinnlos geworden, als dass wir all das noch in Zusammenhang mit einem Gott bringen könnten, der uns versprach, an unserer Seite zu gehen, mit uns zu sein, seinem Volk und all denen, die an ihn glauben.
Geht es uns nicht genauso? Solche Ungerechtigkeit, solche Willkür möchten wir mit Gott gar nicht erst in Verbindung bringen. Gerade ihn preisen wir doch für seine Gerechtigkeit, seine Barmherzigkeit, seine Liebe und Treue zu uns Menschen. Wenn unsere Erfahrungen gegenteilig sind, dann lautet unser Fazit oft sehr ähnlich: »Das Verhalten des Herrn ist nicht richtig.«
Der Prophet Ezechiel, selbst von der Deportation nach Babylon betroffen, weist solche Worte strengstens von sich und gibt den Vorwurf einfach zurück: »Nein, euer Verhalten ist nicht richtig!« Beim ersten Lesen dachte ich: wie gemein! Solch ein Satz hat denen, die unter der Situation leiden, gerade noch gefehlt. Wir sind es, wieder einmal! Doch so einfach macht es sich Ezechiel nicht. Er hält an wenigen, ganz grundsätzlichen Einsichten fest.

»Unrecht führt zum Tod«

So lautet die erste Einsicht. Menschen, die Unrecht tun, werden sterben. Auch da mögen wir – angesichts der Realität – widersprechen. Zu oft haben doch genau solche Menschen »Erfolg«, sind reich, leben gut und bleiben vom Schicksal gar noch verschont; während die, die sich täglich abstrampeln, kaum eine Chance haben, der Ungerechtigkeit zu entkommen.
Doch bei längerem Nachdenken gebe ich Ezechiel Recht: Auf Dauer verhindert Unrecht Leben. Zwar mag der Einzelne immer wieder »davonkommen«, aber stets um den Preis der Solidarität und des guten Lebens für alle. Ezechiel spiegelt damit das Denken Israels wider: Der Einzelne steht stellvertretend für das gesamte Volk. Sein Handeln, sein Denken, sein Schicksal steht für das des ganzen Volkes. Ezechiel nennt sehr eindeutig, wozu Unrecht führen wird. Da gibt es keinen Verhandlungsspielraum und auch nicht die Möglichkeit, das eigene Unrecht Gott anzulasten. Jedes Handeln des Einzelnen wirkt sich aus und zeigt, wie ein ganzes Volk handelt. Unrecht wird auf Dauer ein Volk zugrunde richten, weil kein Vertrauen mehr entsteht – weder in sich selbst noch in andere. Damit ist Gemeinschaft nicht mehr möglich; diese wiederum ist Voraussetzung dafür, dass es allen und eben auch den Einzelnen gut geht.
Wir kennen dies nur zu gut. Zum Beispiel aus all den Diskussionen um eine gerechte Gesellschaft: Wie viele Sozialleistungen sollen gewährt und wie können diese gerecht verteilt werden? Wie hoch sind gerechte Abgaben und Sozialbeiträge? Wie viel ist uns die Pflege von Angehörigen, die Erziehung von Kindern wert? Wie sieht ein gerechter Lohn aus? Wie viel stellt eine Gesellschaft für die bereit, die das Tempo und den Leistungsdruck aus ganz unterschiedlichen Gründen nicht mehr mithalten können? Wie ermöglichen wir gerechte Teilhabe? Manches kann vielleicht ein Einzelner noch regeln, aber wenn alle nur den eigenen Vorteil im Blick haben, führt dies, im wahrsten Sinn des Wortes, zu einer a-sozialen Gesellschaft.
Zumindest hier sollten wir anfangen zu überlegen, für welches Unrecht wir Verantwortung übernehmen müssen und – so die zweite Einsicht Ezechiels – wo wir umkehren können.

»Wer sich bekehrt, wird am Leben bleiben«


Nichts ist schwerer, als lange Traditionen, fest stehende Gewohnheiten zu verändern. Umkehren, eine neue Richtung im Leben einzuschlagen, ist eine anstrengende und vor allem lang andauernde Herausforderung. Selbst wenn wir einsehen, dass es bisher so nicht gut war, finden wir meist genügend Schleichwege, um uns irgendwie durchzumogeln oder irgendwann wieder in die alten Gewohnheiten zurückzufallen.
Umkehr heißt, in aller Deutlichkeit sich in die andere Richtung zu bewegen. Es heißt einzugestehen, dass es so nicht mehr weitergehen kann. Umkehr – wie sie Ezechiel beschreibt – ist eine Grundbewegung in der Bibel, die von vielen Menschen vorgelebt und erzählt wird. Umkehr nimmt Recht und Gerechtigkeit wieder in den Blick und zielt dadurch auf eine Perspektive für das Leben ab. Beispiele, wo wir umkehren müssten, um unseren Beitrag zu Gerechtigkeit zu leisten, gibt es genügend. Vermutlich gibt es auch manche ganz privaten Punkte, wo unsere Bereitschaft zur Umkehr gefragt ist.
Ganz gewiss beantwortet dieser Abschnitt aus dem Buch Ezechiel nicht die Frage nach dem Warum. Aber vieles würde schon besser werden, wenn wir die Verantwortung für begangenes Unrecht übernähmen und bereit zur Veränderung wären. Dazu fordert Ezechiel auf. Weil es um Tod oder Leben geht – für den Einzelnen und für alle. Nicht mehr und nicht weniger.

Fürbitten
Lebendiger Gott, zu dir bringen wir unsere Klagen und unsere Bitten:

- Für die Kirche: dass sie zu einer Kirche wird, die solidarisch an der Seite der Armen und Benachteiligten steht.
- Für die Politikerinnen und Politiker: dass sie nachhaltig für gerechte Strukturen in ihren Staaten und in der Gemeinschaft der Völker sorgen und sich einen wachsamen Blick für Unrecht bewahren.
- Für alle Flüchtlinge, Vertriebenen und Verfolgten: dass sie trotz des erlittenen Leids für ihr Leben eine Perspektive finden.
- Für alle, die unter Ungerechtigkeit leiden und in Unrechtssystemen leben müssen: dass sie Menschen begegnen, die sie in ihrem Einsatz gegen Willkür und Korruption unterstützen.
- Für alle, die nicht mehr an Gott glauben können angesichts von Krieg, Katastrophen und Unrecht in unserer Welt: dass sie Gesprächspartner finden, die ihre Zweifel und ihre Klagen ernst nehmen und sich mit ihnen auf den Weg zu einer besseren Welt machen.

Allmächtiger Gott, wir hoffen darauf, dass Du an unserer Seite bist, wenn Ungerechtigkeit und Leid alles in Frage stellen. Du willst das Leben und nicht den Tod. Darauf vertrauen wir in Jesus Christus, unserem Bruder und Herrn. Amen.

Barbara Janz-Spaeth

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