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»Dienst am Wort«
Herausgeber
Leseprobe 3
Elfter Sonntag im Jahreskreis
Lesejahr C
Jesu Anstößigkeit gibt Anstoß gegen Ausgrenzung

Beitrag zum Evangelium

Einführung

Jesus wendet sich einem Menschen zu – gegen alle Regeln und Konventionen. Wieder einmal hören wir heute von solch einer Begebenheit, und sie soll uns in doppelter Weise berühren: tröstlich, dass wir einen Gott haben, der auch uns ganz persönlich meint. Herausfordernd aber auch, dass auch wir in Jesu Nachfolge hinter allen Gepflogenheiten und Abgrenzungen den Menschen in seiner einmaligen Situation sehen.

So treten wir vor ihn in Dankbarkeit und im Bewusstsein, dass wir seine Hilfe für den Weg der Nachfolge brauchen.

Kyrie-Ruf
Herr Jesus Christus, du siehst den Menschen bis ins Herz und urteilst nicht nach äußerem Anschein.
Herr, erbarme dich.
Du weißt um Regeln, die Menschen ausgrenzen, und setzt dich mutig darüber hinweg.
Christus, erbarme dich.
Du kennst unsere Gewohnheiten und unsere Abneigungen und forderst doch, dass wir deshalb keinen Menschen ausgrenzen.
Herr, erbarme dich.

Tagesgebet
Großer Gott,
du hast uns Menschen wunderbar geschaffen. Jede und jeden von uns kennst du und liebst du, du weißt um unsere Lebenswege.
Schenke auch uns Aufmerksamkeit, Liebe und Geduld füreinander, damit wir wie du jeden Menschen in seiner Einmaligkeit wahrnehmen und achten.
Darum bitten wir durch Jesus Christus, unseren Bruder und Herrn.

Liedvorschläge
Gesang zur Eröffnung
GL 516 »Herr Jesus Christ, dich zu uns wend« oder
EH 251 »Menschen auf dem Weg durch die dunkle Nacht«
Antwortgesang mit Halleluja-Ruf
GL 520 »Liebster Jesu, wir sind hier« und GL 530/6 »Halleluja« mit Vers
aus dem Münchener Kantorale oder
EH 74 »Du bist da, wo Menschen lieben« und EH 24 »Halleluja«
Gesang zur Gabenbereitung
GL 623 »Worauf sollen wir hören« oder
EH 75 »Du bist das Brot, das den Hunger stillt«
Gesang zur Kommunion
GL 538 »O heilger Leib des Herrn« oder
EH 154 »Wenn das Brot, das wir teilen«
Dankhymnus/Schlusslied
GL 642 »Eine große Stadt ersteht« oder
EH 277 »Keinen Tag soll es geben«

Vorüberlegungen

Zum Text: Lk 7,36 – 8,3 (Evangelium)

Die heutige Perikope gehört zum sogenannten lukanischen Sondergut; das sind Texte, die nur der Evangelist Lukas überliefert, keiner der anderen Evangelisten. Sie schließt sich an eine Rede Jesu an, in der es um den Vergleich zwischen Johannes dem Täufer und Jesus geht und darum, dass Jesus dafür bekannt war, dass er mit Zöllnern und Sündern aß. Der Text dieses Sonntags macht deutlich, warum Jesus so handelte: weil er auch und gerade in denen, die abgelehnt und ausgegrenzt wurden, suchende und bedürftige Menschen sah. Um sie in die Gemeinschaft mit Gott und mit den Menschen zurückzuholen, nahm er Anstößigkeit und Ablehnung in Kauf. Jesu Botschaft heißt: Das Gesetz darf niemals wichtiger sein als der Mensch. Wo Regeln Menschen gnadenlos ausgrenzen, müssen sie gebrochen werden.

Die Predigt erschließt zunächst diese Kernbotschaft Jesu. Sie regt dann dazu an, über die eigenen Regeln, die bewussten und die unbewussten, nachzudenken, mit denen wir heute Menschen ausgrenzen – und sie in der Nachfolge Jesu zu überwinden.

Predigt


Jesus erregt Anstoß – wie so oft

Anstößig verhielt sich Jesus immer wieder, ganz bewusst und gezielt. So auch im Umgang mit dieser Frau am Tisch eines angesehenen Pharisäers. Prostituierte war sie wohl, eine der Personengruppen, deren Kontakt ein anständiger Mensch tunlichst mied.

Lesen wir genau, so stellen wir fest, dass Jesus ihr schon früher begegnet sein muss: »Sie zeigt so viel Liebe, weil ihr so viel vergeben worden ist«, sagt Jesus. Bei früherer Gelegenheit hat er ihr also schon Vergebung und Versöhnung zugesagt. Und wie wir es so oft von Jesus hören: Er mildert die Anstößigkeit nicht, er setzt noch eins drauf: »Deine Sünden sind dir vergeben«, sagt er noch einmal, wie um es noch einmal öffentlich zu betonen: Ja, ich habe die Vollmacht, Sünden zu vergeben! Und die empörte Reaktion folgt ja auch prompt.

Ja, anstößig verhielt sich Jesus immer wieder. Er brach ganz bewusst gesellschaftliche Konventionen, und er tat es demonstrativ: Ob Heilungen am Sabbat, das Berühren von Aussätzigen, Festmähler mit Zöllnern oder wie hier die Begegnung mit sogenannten Sünderinnen – es geschah nicht im Verborgenen, sondern ganz offenkundig, und Jesus bemühte sich offenbar auch nicht, es zu verstecken. Unverständnis, Ablehnung, ja Feindseligkeiten bis hin zu Festnahme und Verurteilung nahm er dafür in Kauf. Es war ihm also ganz entscheidend wichtig, in solchen Situationen Kante zu zeigen, Zeichen zu setzen. Und das heißt für uns: Wenn wir unser Leben an ihm ausrichten wollen, sollten wir seine Anstößigkeiten genau wahrnehmen, dass sie für uns zum Anstoß für unser Handeln werden.

Die Anstößigkeit Jesu ist Dienst am Menschen

Anstößig verhielt sich Jesus nicht aus Lust an der Provokation. Oft genug hielt er sich genau an die üblichen Gepflogenheiten, ja, er verteidigte sie sogar: Kein Buchstabe vom Gesetz solle gestrichen werden, sagte er, und das Gesetz, von dem er spricht, ist die Sammlung der religiösen Vorschriften für das jüdische Volk, die das tägliche Leben damals durch und durch prägten. Jesus teilte das Leben seines Volkes, auch seine religiösen und kulturellen Regeln und Gebräuche. Er wusste um ihren tiefen Sinn und ihre gemeinschaftsbildende Kraft.

Anstößig verhielt sich Jesus immer dann, wenn diese Regeln und Gebräuche den Blick auf den einzelnen Menschen und seine einmalige Lebenssituation versperrten. Immer dort, wo es hieß »typisch Zöllner«, »typisch Sünderin«, »typisch Samaritaner = Ausländer«, und wo allein deshalb ein Mensch ausgegrenzt wurde, ohne überhaupt noch nach ihm zu fragen, überall dort wurde Jesus zum Revolutionär. Dann durchbrach er mutig und demonstrativ die gesellschaftlichen Schranken, um den Weg zum Menschen wieder freizulegen. Um deutlich einzufordern: Das Gesetz ist für den Menschen da, nicht der Mensch für das Gesetz.

Ist die Anstößigkeit Jesu noch Anstoß für uns?

Nun denken Sie vielleicht: Schön und gut, aber das haben wir ja schon öfter in einer Predigt gehört. Und ich bin ja auch froh, dass ich mich von Jesus persönlich angenommen weiß – unabhängig von meinem gesellschaftlichen Ansehen, mit all meinen Anstößigkeiten. Schön, es wieder einmal zu hören. Aber neu ist das nicht mehr. Wenn Sie so denken, gilt es zunächst einmal zu sagen: Zum Glück ist diese Einsicht nicht mehr neu! Wie gut, dass inzwischen unter uns Christen gut bekannt und vertraut ist, dass wir keinen bedrohlichen Gott haben, sondern einen liebenden.

Doch das Evangelium hat auch noch eine andere Seite. Versetzen wir uns doch einmal nicht in die Rolle dieser Frau, sondern in die des Pharisäers Simon. Fragen wir uns: Welche Konventionen würde Jesus heute wohl durchbrechen? Und noch spannender: In welcher Situation würden wir, würde ich ihn als anstößig empfinden? Und: Könnte ich das ertragen? Einige Beispiele:

Das Evangelium berichtet von Frauen, die im Umfeld Jesu offenbar eine wichtige Rolle spielten. Könnte ich ertragen, wenn Jesus eine Frau auffordern würde, Wegweisendes für die Gemeinde zu sagen? Wenn er sie beauftragen würde, amtliche Aufgaben wahrzunehmen, in der Predigt oder gar in der Feier der Sakramente?

Oder, um an einem anderen Punkt aktueller kirchenpolitischer Themen anzusetzen: Könnte ich es ertragen, wenn Jesus mit den Anhängern der Pius-Bruderschaft zusammenkäme, wenn er mit ihnen Gottesdienst im alten Ritus feierte?

Könnte ich es ertragen, wenn er sich, wie damals vom Zöllner Levi, von Bankmanagern einladen ließe, die jährlich dicke Bonuszahlen kassieren, etwa auf ihre Motorjacht zu einer Mittelmeerkreuzfahrt?

Wenn er sich um Menschen kümmerte, die aus meiner Sicht keine Gnade verdienen? Tätern bei sexuellem Missbrauch etwa oder grausamen Gewaltverbrechern?

Oder, um ein weniger extremes Beispiel zu wählen: Wenn er ausgerechnet mit den Kumpeln des halbwüchsigen Sohnes gut Freund wäre, bei denen wir unseren Jungen gar nicht gern sehen, weil sie ihn nicht nur auf dumme, sondern auch auf gefährliche Gedanken bringen?

Natürlich wissen wir nicht, wie Jesus in diesen Fällen heute handeln würde. Diese Beispiele sollen Anstoß erregen, Anstoß zum Nachdenken über die eigenen Grenzen, über den Pharisäer Simon in uns.

Der Anstoß des Evangeliums heute heißt nämlich: Sei wachsam, wo du dein Denken durch Regeln, Gepflogenheiten und Üblichkeiten von vornherein festlegen lässt. Wo in deinem Verstand die Schubladen sind, in die du bestimmte Menschen von vornherein steckst. Welche Gewohnheiten dir lieb und wichtig geworden sind, sodass du jeden, der sie stört, erst einmal als abstoßend empfindest.

Wenn du solche Grenzen und Festlegungen in deinem Leben entdeckst, dann geh sehr wachsam damit um. Und wenn jemand daran rüttelt und dich stört, dann schau genau hin – der Störer könnte Jesus sein, der anstößig wird, um Schlimmeres zu verhindern?

Jesu Anstoß: Den Menschen sehen

Aber, so höre ich nun wieder die Stimme des Pharisäers Simon, woran kann ich denn erkennen, dass es Jesus ist, der da anstößig ist? Oder einfach rücksichtslose Menschen, die brachial auf den Bedürfnissen ihrer Mitmenschen herumtrampeln? Muss ich denn alles klaglos hinnehmen, auch wenn es bewährte, sinnvolle Traditionen zerstört, auch wenn es meine Empfindungen verletzt?

Nein – nicht alles. Jesus war immer dann anstößig, wenn die Regeln und Traditionen den Blick auf den einzelnen Menschen verstellt haben. Und dadurch unmenschlich wurden.

Deshalb: Achtung vor allem dann, wenn Menschen von vornherein keine Chance haben, weil ich sie bestimmten Gruppen zuordne, die anders sind als ich.

»Schon wieder so ein …« Wenn mein Denken über einen Menschen mit diesen Worten beginnt, dann gilt es, sich bewusst zu bremsen. Stattdessen gilt es zu fragen: Wer bist du? Was möchtest du mir sagen? Warum bist du so, wie du bist? Und damit diesen Menschen so zu sehen, wie Jesus es tut: In seiner Einmaligkeit und Würde, mit seinen ganz persönlichen Lebensumständen. Wie Jesus nicht »die Sünderin« sehen, sondern den Menschen.

Den Menschen sehen. Stimmt schon: Es klingt so einfach und alltäglich. Doch einfach und alltäglich ist in Wirklichkeit das andere. Es ist so viel bequemer, die Spinnerin, den jugendlichen Chaoten, das alte Weib, den dahergelaufenen Ausländer zu sehen. Denn dann bin ich schnell fertig mit ihm. Den Menschen sehen, jeden Menschen, das strengt an. Jesus erspart uns das nicht, denn er weiß: Nur so gelingt ein Leben, das der Würde der Söhne und Töchter Gottes gerecht wird – ein Leben, wie Gott es will.

Fürbitten
Herr Jesus Christus, du sprengst die Grenzen gesellschaftlicher Konventionen, wenn Menschen durch sie ausgegrenzt werden. Was damals geschah, geschieht auch heute. Wir bitten dich:

– Für Menschen, die aufgrund ihres Äußeren, ihrer Volkszugehörigkeit, ihres Glaubens oder ihrer sexuellen Orientierung ausgegrenzt und benachteiligt werden.
(Hilf uns, den Menschen zu sehen wie du.)
– Für unsere Kirche überall dort, wo sie Gesetze höher stellt als die Situation des einzelnen Menschen.
– Für alle, die in Politik, Wirtschaft und Kultur die Regeln unserer Gesellschaft gestalten.
– Für Jugendliche, die nach Zugehörigkeit suchen und deshalb den Fremden und Anderen ablehnen.
– Für unsere Gemeinde, in der wir leicht übersehen, wo wir bewusst oder unbewusst Menschen ausgrenzen.
– Für alle Menschen, die wir nur schwer annehmen können, wie sie sind.

Herr Jesus Christus, wenn wir leben wollen wie du, stoßen wir immer wieder an unsere Schwächen und Grenzen. Aber du rufst uns nicht nur in deine Nachfolge, du stärkst uns auch mit deinem Geist für unseren Weg als Christen. Dafür danken wir dir und preisen dich, heute und alle Zeit, bis in Ewigkeit. Amen.

Stefan Möhler

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