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»Dienst am Wort«
Herausgeber
Leseprobe 2
Fünfter Sonntag der Osterzeit
Lesejahr C
Trost: ein unverzichtbares Lebenselixier

Beitrag zur Lesung

Einführung

Der jüdische Religionsphilosoph Martin Buber hat eine kleine jüdische Geschichte überliefert: »Wo wohnt Gott?«, so fragt ein Rabbi seine Schüler. Die schauen ihn groß an und wissen nicht, was sie antworten sollen. Deshalb gibt er ihnen selbst die Antwort: »Gott wohnt, wo man ihn einlässt!« Gott will mitten unter uns Menschen wohnen und bei uns sein, besonders in dieser Eucharistiefeier. Was es uns schwer macht, uns ihm zu öffnen, wollen wir mit hineinnehmen in unseren Ruf um Gottes Erbarmen!

Predigt

Zum Text: Offb 21,1–5a (2. Lesung)

Trost als kostbares Gut

Trost ist ein unverzichtbares Lebenselixier – wer von uns könnte darauf schon verzichten? Wie sich Tag und Nacht abwechseln, so kennt auch unser Leben Licht und Schatten oder wie es der alttestamentliche Prediger Kohelet ausdrückt: Es gibt eine Zeit des Lachens und eine Zeit des Weinens.

Was aber, wenn die Zeit des Weinens nicht mehr vorübergehen will und uns das Lachen grundlegend vergeht? Wenn uns die Nacht in tiefe Dunkelheit hüllt und sich kein Licht am Ende des Tunnels abzeichnet? Trost wird dann zu einem kostbaren Gut. Wohl dem, der dann einen hat, der ihm die Tränen von seinem Auge abwischt.

Trost statt Vertröstung

Kinder zu trösten gelingt uns leichter; bei Erwachsenen fällt es uns zunehmend schwerer. Für Kinder gehören Tränen zum Alltag und sind schnell wieder vergessen. Bei uns Erwachsenen sind Tränen aber etwas Besonderes; oft sind sie Ausdruck eines tiefen, seelischen Schmerzes. Tränen, die ältere Menschen vergießen, rühren uns an und verunsichern uns, zeigen sie uns doch, dass jemand in tiefe Nacht und Hoffnungslosigkeit gefallen ist: Da ist ein Lebensentwurf aufzugeben, die Diagnose unheilbar krank entgegenzunehmen, von einem Lebenstraum Abschied zu nehmen oder einen Mensch, dem unsere Liebe galt, loszulassen. Tränen, die Erwachsene vergießen, wiegen oft schwer und sie reißen in die Tiefe – den, der sie vergießt nicht minder als den, der sie wahrnimmt.

Tränen anderer standzuhalten und sie auszuhalten, kostet Kraft. Dem, der im Loch sitzt, die Hand zu reichen, ist mühsam und gefährlich, droht er uns doch, mit in die Tiefe zu reißen. Da mag es naheliegend sein, Distanz zu wahren und sich nicht allzu sehr auf ihn einzulassen. »Das wird schon wieder«, »Das ist doch alles halb so schlimm«, »Kopf hoch!«. Der Grat zwischen ehrlichem Trost und billiger Vertröstung ist schmal. Das spüren alle – wer Trost sucht und ebenso der, der aufrichtig zu trösten versucht.

Trost gegen den Sinnlosigkeitsverdacht

Tränen, die von tief innen heraus kommen, lassen sich nicht einfach oberflächlich beiseite wischen. Rühren sie letztendlich nicht von der großen Verunsicherung und Ungewissheit her, dass unser Leben womöglich über dem Abgrund schwebt und wir in das undurchdringliche Dunkel hineinleben müssen? Ist es nicht das dumpfe Gefühl, das sich ab und an bleiern auf unsere Psyche legt, dass Dunkelheit, Chaos und Verlassenheit möglicherweise doch das Letzte sein werden?

Für den Psychoanalytiker Sigmund Freud drückt sich in der Religion die kindliche Sehnsucht nach emotionaler Geborgenheit aus, der verzweifelte Schrei nach Sicherheit und Liebe inmitten der Härten und Grausamkeiten, die das Leben für uns bereithält. Religion lebe aus dem infantilen und unbewussten Wunsch nach Vaterliebe; sie sei Flucht vor den Realitäten des Lebens. Weil »die Welt keine Kinderstube« sei, müsse der Glaubende unaufhörlich beten: »Herr, gib uns unsere tägliche Illusion, weil wir nur so den Härten des Lebens standhalten können.« Doch die Vaterliebe sei pure Illusion und so wäre es die Aufgabe der Psychotherapie, uns Menschen dahin zu bringen, dass wir ohne solche Illusionen, ohne den Wunsch nach fiktiver Vaterliebe leben und auf den Trost der Religion verzichten können. Aber können wir wirklich ohne das Verlangen nach Liebe und Geborgenheit leben? Muss ein Leben, in dem es keinen Trost mehr gibt, am Ende nicht trostlos werden?

»Er wird alle Tränen von ihren Augen abwischen«

Wir alle wissen, wie wichtig es ist, in Stunden tiefer Traurigkeit Trost zugesprochen zu bekommen, und doch fällt es uns schwer, anderen in ihrem Leid aufrichtigen Trost zu spenden. Hilflos fühlen wir uns oft ihren suchenden Blicken ausgesetzt. Was macht uns so ohnmächtig und hindert uns daran, ihnen die Tränen abzuwischen? Weil wir, um wirklichen Trost spenden zu können, etwas versprechen müssten, das uns heillos überfordert, nämlich dass am Ende alles gut werden wird. In der Tat, das wäre ein wirklicher Trost, könnten wir dafür einstehen und bürgen, dass am Ende das Licht über die Dunkelheit triumphiert. Tränen könnten tatsächlich abgewischt werden, könnten wir unser Wort darauf geben, dass der Lauf des Lebens weder vergeblich noch sinnlos ist, sondern sich die Mühen, sich das Kämpfen und Nicht-Aufgeben auszahlen werden, weil alles Leid ein Ende haben und am Ende alles gut werden wird.

Der Ausblick auf himmlische Zustände könnte wirklich Mut machen und Hoffnung wecken, doch wer kann dem anderen schon den Himmel auf Erden versprechen? So sind wir dem Grauen schutzlos ausgeliefert, es sei denn, jemand ganz anderes würde uns zusprechen, was wir einander nicht versprechen können, und würde unsere Tränen abwischen. Diesen ganz Anderen schaut der Visionär, der in der Offenbarung des Johannes – der heutigen Lesung – eine Stimme sprechen hört: »Er wird alle Tränen von ihren Augen abwischen: Der Tod wird nicht mehr sein, keine Trauer, keine Klage, keine Mühsal. Denn was früher war, ist vergangen.« Hier wird ein Bild gemalt, das wir alle verstehen. Es entspricht zutiefst unserer Sehnsucht und kann darum Trost spenden und Hoffnung wecken.

Die Vision eines neuen Himmels und einer neuen Erde soll die verfolgten oder stark bedrängten christlichen Gemeinden in Kleinasien trösten und aufrichten. Kein menschlicher Trost wird hier gespendet, vielmehr ist es Gott selbst, der mitten unter den Menschen wohnen wird. Der Gott, der in Jesus Christus mitten unter uns war, unter uns ist und einst wiederkommen wird. »Deinen Tod oh Herr verkünden wir, deine Auferstehung preisen wir, bis du kommst in Herrlichkeit.«

Trost oder Vertröstung? Illusion oder Wirklichkeit? Kindliches Verlangen oder göttliche Verheißung? Gewiss können wir dies erst sagen, wenn wir ihn, den Gott allen Trostes, selbst von Angesicht zu Angesicht schauen werden. Bis dahin aber braucht es den Mut des Glaubens an den, der an Ostern alles neu und das Frühere vergangen gemacht hat.

Fürbitten
Zum Vater des Erbarmens und dem Gott allen Trostes lasst uns voll Vertrauen rufen:

- Für die Suchenden und Fragenden: Um die Stärkung ihres Glaubens. Stille – Gott, unser Vater:
(Wir bitten dich, erhöre uns.)
- Für die Verunsicherten und Verwirrten: Um Klarheit und Entschiedenheit in ihrem Leben. – Stille – Gott, unser Vater:
- Für die Verzweifelten und Hoffnungslosen: Um Menschen, die zu ihnen halten, und um Kraft für einen Neuanfang. – Stille – Gott, unser Vater:
- Für die Gedemütigten und Entmündigten: Um die Kraft zum aufrechten Gang. – Stille – Gott, unser Vater:
- Für unsere Verstorbenen: Um die Anschauung deiner Herrlichkeit und das Wohnen bei dir. – Stille – Gott, unser Vater:

Gütiger Gott, wir vertrauen darauf, dass deine Liebe alles zum Guten zu wenden vermag. Dir sei Dank und Lobpreis in Zeit und Ewigkeit. Amen.

Christoph Böttigheimer

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