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der Zeitschrift
»Dienst am Wort«
Herausgeber
Leseprobe 1
Dritter Adventssonntag
Lesejahr C
Augen öffnen und Mut machen

Beitrag zur Lesung

Einführung
»Alle sind gegen mich.« – »Keiner mag mich!« – »Nichts klappt mehr.« Kennen Sie auch Situationen, in denen jemand so enttäuscht, so unglücklich, so hoffnungslos ist, dass er solche Sätze von sich gibt? Vielleicht haben Sie auch schon das Gefühl gehabt, dass die Welt sich gegen Sie verschworen hat und nichts mehr geht. Dann kann es helfen, wenn da einer ist, der mich aufmuntert. Einer, der ganz dezent darauf hinweist, dass das so nicht stimmt. Eine, die mir zeigt, wo ich Grund habe, dankbar zu sein. Einer, der mich mit seiner Zuversicht ansteckt.

Einer, der allein durch seine Nähe uns ermutigen und froh machen kann, ist Jesus Christus. Er möchte uns auch jetzt in dieser Feier wieder aufrichten, wo Zweifel, Streitigkeiten und Misserfolg uns niederdrücken.

Predigt

Zum Text: Zef 3,14–17 (14–18a) (1. Lesung)

Wenn der Jubel dem Zweifel weicht …


Viele werden sich noch daran erinnern, wie unglaublich es war, als vor über 20 Jahren die Mauer in Deutschland fiel. Was für eine überschwängliche Freude in jener Nacht und jenen Tagen! Welch große Befreiung für so viele Menschen! Nicht ganz so weit zurück liegt der sogenannte arabische Frühling. Der Protest der Bevölkerung dort hat Diktatoren weggefegt, Wahlen ermöglicht und Hoffnung auf einen Neuanfang gemacht. Die jubelnden Menschenmengen sind uns vielleicht noch vor Augen. Wo Unrechtssysteme fallen, wo Freiheit möglich wird, wo eine friedliche und gerechte Zukunft vor Augen steht, haben Menschen allen Grund zu jubeln, dankbar zu sein und zu hoffen. Doch wie schnell stellt sich Ernüchterung ein. Wie schnell haben die Menschen im arabischen Raum erfahren müssen, dass der Weg zu Freiheit und Demokratie kein leichter ist. Wie schnell mussten wir nach der politischen Wiedervereinigung erkennen, dass es noch ein langer Weg zur Einheit zwischen den Menschen in Ost und West ist und welche wirtschaftlichen Herausforderungen er mit sich bringt. Schnell war da der Jubel den skeptischen und sorgenvollen Stimmen gewichen.

… und der Glaube an Gottes Nähe ins Wanken gerät …

Die biblische Geschichte kennt solche Erfahrungen auch. Denken wir an die Befreiung Israels aus der Knechtschaft in Ägypten. Nach der Errettung am Schilfmeer stimmen sie ein Jubellied an. Als der Weg in das gelobte Land aber lang und steinig wird, weicht dieser Jubel dem Murren in der Wüste. »Wären wir doch in Ägypten geblieben«, sagen die Zweifler sogar. Später macht dieses Volk wieder so eine Erfahrung. Zuerst wird das Nordreich Israel und dann das Südreich Juda von den Feinden erobert. Die Bevölkerung von Jerusalem wird verschleppt. Es folgt eine lange Zeit des Exils. Aber dann kommt die Wende. Sie können wieder zurückkehren in ihre heilige Stadt. Sie können dort einen Neuanfang wagen. Sie können sogar den Tempel wieder aufbauen. Doch will sich keine rechte Freude einstellen. Zu stark war die Erschütterung ihres Glaubens durch die vorangegangene Katastrophe. Zu groß der Zweifel, ob es wirklich wieder eine hoffnungsvolle Zukunft gibt. Zu schwach das Vertrauen, dass Gott sein Volk nicht verlassen hat und seine Nähe wieder spüren lässt.

… braucht es Menschen wie Zefanja

In diese Situation hinein spricht der Prophet Zefanja die Worte, die wir heute in der Lesung gehört haben: »Juble, Tochter Zion! Jauchze, Israel! Freu dich und frohlocke von ganzem Herzen, Tochter Jerusalem!« Das Unheil der Vertreibung und des Exils hat er zuerst angekündigt. Ja, es war für ihn und das Volk Folge ihres Unglaubens und ihrer Vergehen. Aber ebenso hat er verheißen, dass Gott sein Volk wieder aus der Hand der Feinde befreien wird. Jetzt ist es eingetreten. Ein Neuanfang ist möglich. Aber der Glaube ist eben erschüttert: Können wir auf Gott überhaupt noch vertrauen nach solchen Erfahrungen? Was gibt uns denn die Gewissheit, dass uns Hoffnung blüht und nicht neues Unheil droht? Woher sollen wir denn die Kraft nehmen, die Stadt und unser Leben wieder aufzubauen? Fragen und Erfahrungen, die Menschen unserer Tage auch kennen. Die Menschen in Nordafrika und überall, wo sie einen Neuanfang wagen. Menschen, die eine Krankheit zwar überstanden haben, aber auch von dieser Krankheit gezeichnet sind, vielleicht von Ängsten und Sorgen geplagt, wie es weitergehen wird. Menschen, die nicht mehr dem Leben trauen, weil sie bitter enttäuscht wurden – von Freunden, von ihrem Partner. Menschen, die zaghaft und sorgenvoll neu anfangen, nachdem ein Burnout oder ein Unglück sie aus der Bahn geworfen hat.

… die anderen die Augen öffnen und Mut machen

Solche Menschen brauchen andere, die ihnen die Augen öffnen und Mut machen. Die Augen öffnen für das, was ihnen schon geschenkt wurde: eine Heilung; eine neue Chance; eine bisher unbekannte Freiheit; Freunde, die treu zu ihnen stehen; Begleiter, die sie aufgerichtet haben. Daraus dürfen sie Mut schöpfen. Nicht, weil es irgendwie schon gut gehen wird. Sondern weil in all dem – und sei es noch so unscheinbar – unser Gott aufscheint, der sich um unser Heil-Werden und Heil-Sein sorgt. Zefanja war so ein »Augenöffner« und »Mutmacher« in seiner Zeit. Er hat sein immer noch verstörtes Volk darauf hingewiesen, was schon geschehen ist: »Der Herr hat das Urteil gegen dich aufgehoben und deine Feinde zur Umkehr gezwungen. … Er freut sich und jubelt über dich, er erneuert seine Liebe zu dir.« Er hat Mut gemacht, weil er darin erkannt hat: »Der König Israels, der Herr, ist in deiner Mitte; du hast kein Unheil mehr zu fürchten.« Deshalb konnte er sein Volk damals schließlich auffordern: »Lass die Hände nicht sinken!« Wage mutig den Neuanfang. Pack an beim Neuaufbau, der jetzt ansteht.

Als Christen adventliche »Augenöffner« und »Mutmacher« sein


In der frühen Christenheit wurden seine Worte auf Jesus Christus hin gedeutet. »Der König ist in deiner Mitte.« Das haben, so sagte der Kirchenlehrer Hieronymus, wir Christen erfahren im Kommen Jesu Christi. Und so wie Zefanja den Blick noch weiter in die Zukunft lenkt, auf jenen Tag, an dem man zu Jerusalem sagen wird: »Fürchte dich nicht, Zion!«, so lenken auch wir Christen in der Adventszeit den Blick weit hinaus. Auf das Ende unserer Zeit und dieser Welt, auf das, was uns an Lebensfülle und Heil erwartet, wenn Christus kommt in Herrlichkeit, wie wir es am Ende des Hochgebets singend bekennen. So ist Zefanja zu einer Gestalt des Advents geworden. Er lädt uns ein, füreinander und für diese Welt zu »Augenöffnern« und »Mutmachern« zu werden. Zu Menschen, die anderen die Augen öffnen dafür, wie Gott sich uns immer wieder zuwendet – vor allem aber dafür, wie er sich in Jesus Christus uns zugewendet hat. Zu Menschen, die aus diesem Grund Mut machen können. Denn unsere Welt, unsere Geschichte, unser Leben ist umgeben vom göttlichen Wort, das alles ins Dasein ruft, das in Jesus Mensch geworden ist und das uns einmal zu sich heim ruft. Ich hoffe und wünsche, dass uns dies in Zeiten des Unglücks oder der Krise, aber auch in den sensiblen Zeiten danach immer wieder aufgeht und wir sagen können: Der Herr, unser Gott, ist in unserer Mitte. Es gibt keinen Grund sich zu fürchten. Und wenn uns diese Gewissheit tief im Herzen ergreift, macht sie sich ganz gewiss irgendwann Luft, indem wir jubeln, jauchzen und frohlocken – beim Beten, mit Liedern und im Gottesdienst. So wie wir es auch in dieser Feier wieder tun – in der Hoffnung, dass die, die noch zweifeln oder von Sorgen belastet sind, davon getragen oder angesteckt werden.

Fürbitten


»Bringt in jeder Lage betend eure Bitten mit Dank vor Gott«, ermutigt uns der Apostel Paulus. Dankbar, dass Gott uns seine Nähe schenkt, bringen wir ihm unsere Bitten:

– Wo deine Kirche in den Umbrüchen unserer Zeit von Resignation und Mutlosigkeit beherrscht wird, richte sie auf durch das Wort deines Sohnes und das Zeugnis der Propheten und Apostel. Du Gott in unserer Mitte:
(Bring Rettung in unserer Not.)
– Wo in Ländern, die von Krieg und ungerechten Systemen befreit wurden, aufs Neue Gewalt und Unterdrückung sich breit machen, öffne Wege zu Versöhnung und Gerechtigkeit. Du Gott in unserer Mitte:
– Wo Menschen nach einer überstandenen Krankheit von Zweifel und Angst geplagt werden, schenke ihnen Zuversicht und Hoffnung. Du Gott in unserer Mitte:
– Wo Menschen nach dem Scheitern einer Beziehung, nach Misserfolg in Schule und Beruf oder nach Ende einer Gefängnisstrafe keinen Neuanfang schaffen, gib du ihnen Kraft und gute Begleiter. Du Gott in unserer Mitte:
– Wo wir an uns zu zweifeln beginnen und von Trostlosigkeit überwältigt werden, erneuere deine Liebe zu uns und lass uns spüren, wie sehr du dich über uns als deine Geschöpfe freust. Du Gott in unserer Mitte:

Gott, dein Sohn Jesus Christus hat uns die frohe Botschaft gebracht, dass du in unserer Mitte bist und uns Rettung bringst aus unserer Not und unserer Sterblichkeit. Dafür danken wir dir heute und alle Tage bis in Ewigkeit. Amen.

Klaus Kempter

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