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»Dienst am Wort«
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Leseprobe 3
Erntedankfest
Dankbarkeit, die vor Dummheit bewahrt

Beitrag zum Evangelium

Einführung
»Essen und Trinken hält Leib und Seele zusammen«, sagt der Volksmund – und wer wollte ihm widersprechen? Wir feiern heute Erntedank, die Kirchen sind bunt und reich geschmückt mit den Gaben des Jahres. Sie sind Ausdruck dafür, dass es immer um beides, um Leib und Seele, geht, wenn wir von Gottes Heil, von Gottes Sorge für uns sprechen. Sie sind Ausdruck der Lebensfreude, die Gott uns schenken will. Für uns ist das Fest Anlass, einmal mehr als vielleicht sonst über das nachzudenken, wovon wir Tag für Tag zehren und was so schnell zur Selbstverständlichkeit zu werden droht.

Kyrie-Ruf
Herr Jesus Christus, du zeigst uns die Liebe und Fürsorge des Vaters.
Herr, erbarme dich.
Herr Jesus Christus, du bist gekommen, damit wir das Leben in Fülle haben.
Christus, erbarme dich.
Herr Jesus Christus, du versammelst uns um deinen Tisch und schenkst dich uns in den Gaben von Brot und Wein.
Herr, erbarme dich.

Tagesgebet
Guter Gott,
aus Liebe hast du die Welt geschaffen, damit wir darin leben können. Durch die Zeiten begleitest und umsorgst du uns mit deiner Liebe. Wir danken dir für die Ernte dieses Jahres.
Bleibe bei uns mit deinem Segen und lass uns wachsen in deiner Gnade.
Darum bitten wir durch Christus, unseren Herrn.

Liedvorschläge
Gesang zur Eröffnung
GL 264 »Mein ganzes Herz erhebet dich«
Antwortgesang mit Halleluja-Ruf
GL 732/1 »Die Völker sollen dir danken« mit 732/2 (Psalm 67) und
GL 530/6 »Halleluja«
Gesang zur Gabenbereitung
GL 490 »Was uns die Erde Gutes spendet«
Gesang zur Kommunion
GL 277 »Singet, danket unserm Gott«
Dankhymnus/Schlusslied
EH 116 »Gott, deine Liebe reicht weit«

Vorüberlegungen

Zum Text: Lk 12,15–21 (Evangelium)

Die Perikope des heutigen Sonntags ist Teil eines größeren Abschnittes des Lukasevangeliums, in dem es um die Frage von Besitz und Absicherung geht. Jesus mahnt die Jünger, dass ihre erste Sorge dem Reich Gottes gelten muss. Es ist der eigentliche Schatz, den es im Leben zu heben gilt. Anhäufung von materiellem Besitz kann schon deshalb vergeblich sein, da niemand um die Länge seines Lebens weiß. Der springende Punkt dabei ist nicht, dass Besitz an sich schlecht ist. Jesus fragt vielmehr nach dem Motiv, das sich hinter dem »Haben« verbirgt und verurteilt Habgier als Dummheit. Die Predigt entfaltet diesen Gedanken und bezieht ihn auf den Inhalt des Erntedankfestes: Es übt uns in einer Haltung der Dankbarkeit.

Predigt

Die Illusion der Sicherheit

»Du Narr!« Deutliche Worte. Was mag in der Stimme Gottes mitgeschwungen haben? Zorn? Empörung? Kritik? Traurigkeit? »Du Narr!« – Ein Narr ist etwas anderes als ein Sünder. Der Sünder verstößt gegen ein Gebot und weiß, dass er es tut. Ein Narr ist jemand, der glaubt, alles richtig zu machen, aber in Wirklichkeit völlig auf dem falschen Dampfer ist. Es gibt einen Unterschied zwischen Bösartigkeit und Dummheit.
Was war so dumm an der Sichtweise des reichen Mannes? Eigentlich klingt das doch ganz vernünftig, was er da tut: Er hatte gearbeitet, die Saison war für ihn gut gelaufen, und nun will er die Füße hochlegen und für eine Weile das Leben genießen. Was ist daran verkehrt? Eigentlich nichts. Verkehrt ist sein Motiv. Jesus nennt es uns in den einleitenden Worten: Der Mann handelt aus Habgier, und er vergisst dabei eines: Dass wir zwar viel leisten und noch mehr besitzen können, aber dass wir damit letztlich gar nichts in der Hand haben. Denn am nächsten Morgen ist der Mann tot. Er glaubte, dass er sich einen Anspruch auf Leben erwirtschaftet hatte. Nur gibt es diesen Anspruch nicht. Der Mann hatte sich einer Illusion hingegeben und sah nicht das Offensichtliche: Dass das, was unser Leben reich macht, und noch das Leben selbst Geschenk sind. Wenn wir auch nur einen Moment darüber nachdenken, leuchtet das unmittelbar ein. Und dann gibt es zwei mögliche Reaktionen: Verdrängung, weil wir es gar nicht gern hören, dass wir nicht alles unter Kontrolle haben, oder, und das bewahrt uns vor solcher Dummheit, Dankbarkeit.

Dankbarkeit für die Schöpfung

Dankbarkeit für die Erde, für Gottes Schöpfung. Sie ermöglicht unser biologisches Überleben – und schenkt uns so viel mehr. Nimmt man ihren Anteil im Fernsehprogramm als Barometer, stehen zwei Themen bei uns dauerhaft ganz hoch im Kurs: Natur und Kochen. Immer ausgereiftere technische Möglichkeiten geben uns immer faszinierendere Einblicke in das Leben und Zusammenleben auf unserem Planeten. Kameras auf dem Rücken von Zugvögeln, inmitten von Erdmännchenkolonien, in und unter dem arktischen Eis lassen uns staunen über die Fähigkeiten von Tieren, ihre Angepasstheit an Lebensräume und ihr hoch entwickeltes Sozialverhalten. Und die Bilder, mehr noch in freier Natur als im Fernsehen, präsentieren uns die Schönheit unseres Planeten. Wer kennt nicht das Gefühl, von einer Landschaft, von den Bergen, dem Meer überwältigt zu sein? Könnten wir uns jemals daran sattsehen?
Und werden uns jemals die Möglichkeiten ausgehen, uns immer neu und immer anders an den Gaben der Erde zu freuen? An Gemüse, Früchten, Kräutern, Gewürzen, Fleisch, Fisch… Ich erinnere mich, wie vor einigen Jahren der Film Chocolat mit Juliette Binoche und Jonny Depp in den Hauptrollen eine Explosion an Experimentierfreudigkeit mit Schokolade auslöste. Wer hätte gedacht, dass man ihr Chili beimischen kann? Und dass es dazu noch schmeckt? Wann haben Sie zum letzten Mal versucht, aus einem Lieblingsgericht alle Zutaten herauszuschmecken? Wann das letzte Mal einen Apfel mit allen Sinnen gegessen?
Wenn wir uns nur einen Moment klar zu machen, was für ein Geschenk unser Planet ist, braucht es dann noch den Aufruf, diese Schöpfung zu erhalten und zu schützen? Braucht es noch die Aufforderung, andere an diesem Wunder teilhaben zu lassen und niemand vom Zugang zu den Gaben der Erde auszuschließen?

Dankbarkeit für die Menschen um uns herum

Dankbarkeit für die Menschen um uns herum. Hanns Dieter Hüsch hat in einem wunderbaren Stück entfaltet, wie jeder von uns jeden braucht: »Ein Metzger kann Wurst und Fleisch machen, aber keine Philharmonie dirigieren. Und wenn, dann macht er das vielleicht bei ‚Wetten, dass‘ und macht den Leuten Freude. Ich meine, ich vermute sogar, dass zum Beispiel Leonard Bernstein keine Zähne ziehen kann. Dafür kann ein Zahnarzt meistens kein Ballettmeister sein. Zumindest nicht gleichzeitig. Natürlich gibt es immer wieder, das wissen wir, große oder kleine Geister, die drei oder vier Sachen können, aber immer kommt jeder von uns an eine Grenze, wo es nicht mehr weitergeht. Wo der andere einspringen und helfen muss. Oder möchten Sie Physiker und gleichzeitig bei der Müllabfuhr sein? Na, sehen Sie.«
Niemand kann sein Leben für sich allein und aus eigenen Kräften bestreiten. Wann haben Sie das letzte Mal darüber nachgedacht, wie viele Hände es wohl braucht, damit Sie sich morgens die Milch in den Kaffee gießen können? Und wie viel Ärger es macht, wenn gerade die kleinen Dinge im Alltag, für deren reibungslosen Ablauf niemand berühmt ist und niemand besonderes Lob bekommt, schiefgehen? Wenn für einen Nachmittag das Wasser abgestellt wird? Oder der Bäcker um die Ecke krank ist und es keine frischen Brötchen gibt? Wenn wir uns nur einen Augenblick bewusst machen, wie angewiesen wir auf die Dienste anderer sind, braucht es dann noch Aufrufe zu einer gerechten Lohn- und Sozialpolitik? Braucht es noch Appelle für die Förderung von Kindern, damit sie ihre Talente entfalten und uns morgen Freude machen und Sicherheit geben können als Künstler, Sportler, Ärzte?

Wir selbst in all dem

Und schließlich Dankbarkeit für uns selbst. Wir sind Teil dieses Netzes, das die Welt zu der Welt macht, die sie ist. Gott traut uns zu, dass wir mitbauen an seinem Reich. Jeder noch so kleine Beitrag zählt. Und oft merken wir es gar nicht. Ein Lächeln auf dem Weg zur Arbeit kann dem, dem es gilt, den ganzen Tag retten. Manchmal reicht es schon, dass wir einfach da sind. Ich höre häufig Leute sagen, dass sie zwar an Gott glauben, aber meinen, sie müssten dafür nicht in die Kirche gehen. Mal davon abgesehen, dass ich glaube, dass das nicht stimmt (jeder braucht jeden!), berauben sie die Gemeinde ihrer Präsenz. Denn vielleicht brauchen die anderen ja sie! Was bedeutet es uns, dass wir nicht allein in der Kirche sitzen? Bevor wir jetzt unseren Glauben an Gott bekennen, drehen Sie sich doch einmal nach rechts und links um. Schauen Sie, wen Sie da um sich herum haben – und danken sie ihm/ihr dafür, dass er/sie heute da ist.
»Du Narr!«, sagt Gott zu dem reichen Mann. »Ihr Narren«, mag die Welt uns zurufen, wenn wir statt der Gier die Dankbarkeit probieren. Aber »Narren Gottes« war der Titel so mancher Heiliger.

Fürbitten
Guter Gott, an diesem Tag des Dankes für den Reichtum und die Fülle deiner Gaben bringen wir auch unsere Bitten vor dich. Im Wissen, dass du dich um alle Menschen sorgst, bitten wir:

- Für die Kirche, die gesandt ist, deine Liebe und Nähe zu den Menschen zu bringen.
(EH 65 »Confitemini Domino«)
- Für alle, die in Politik, in Gesellschaft und den Medien Verantwortung tragen.
- Für alle, die uns mit den täglichen Gütern versorgen und Dienstleistungen bereitstellen, für alle, die durch ihre Talente unser Leben reicher machen.
- Für alle, denen aufgrund von Habgier, Dürre, Krieg oder Vertreibung das Nötigste zum Leben fehlt.
- Für alle, die sich aktiv für die Bewahrung der Schöpfung und eine gerechtere Verteilung der Güter der Erde einsetzen.
- Für unsere Verstorbenen, die du über den Tod hinaus in deiner Liebe trägst.

Allmächtiger Gott, du spendest uns alles, was wir zum Leben brauchen. So vertrauen wir dir unsere Bitten an durch Jesus Christus, unserem Bruder und Herrn, der mit dir und dem Heiligen Geist lebt und herrscht in Ewigkeit. Amen.

Sabine Schratz

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