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Die Inhalte
der Zeitschrift
»Dienst am Wort«
Herausgeber
Leseprobe 1
30. Sonntag im Jahreskreis
Lesejahr C
Einführung
Aus der Hektik und Betriebsamkeit unseres Alltags kommen wir zum Gottesdienst zusammen. Wir halten inne und schauen zurück auf das, was war. Können wir dankbar und zufrieden sein mit dem, was hinter uns liegt? Ist manches noch offen und unversöhnt? All das, was wir mitbringen, dürfen wir Gott hinhalten. Er kann es wandeln, kann Heilung und Erbarmen schenken.

Kyrie-Ruf
Wo wir schwach und ungeduldig waren:
Herr, erbarme dich.

Wo wir überheblich und hartherzig waren:
Christus, erbarme dich.

Wo wir zu wenig vertraut und geliebt haben:
Herr, erbarme dich.

Tagesgebet
Barmherziger Gott,
du allein kannst Glaube, Hoffnung und Liebe in uns wachsen lassen.
Gib uns den Mut, auf deine Gebote zu hören und nach ihnen zu leben, damit wir so das Leben in Fülle erlangen.
Darum bitten wir durch Jesus Christus, unseren Bruder und Herrn.

Liedvorschläge
Gesang zur Eröffnung
GL 264,1–3 »Mein ganzes Herz erhebet dich«
Antwortgesang mit Halleluja-Ruf
GL 723/3 »Preiset den Herrn zu aller Zeit« mit Versen aus 723/4 (Psalm 34) und GL 530/1 »Halleluja«
Gesang zur Gabenbereitung
GL 622 »Hilf, Herr meines Lebens«
Gesang zur Kommunion
GL 493 »Lob sei dem Herrn«
Dankhymnus/Schlusslied
GL 261 »Den Herren will ich loben«

Fürbitten
Mit unseren Anliegen kommen auch wir zu Gott und bitten ihn um sein Erbarmen:

- Mache die Kirche zu einem Ort der Wahrheit und der Barmherzigkeit, damit die Suchenden und Notleidenden Hilfe finden.
- Gib uns die rechten Worte, jungen Menschen den Glauben zu erschließen, damit sie unsere Traditionen nicht als Ballast empfinden.
- Schenke allen, die über andere Menschen urteilen, ein weises Herz, damit sie kein falsches Zeugnis ablegen und Lebenswege behindern.
- Bewahre uns davor, über andere Menschen schlecht zu reden oder selbst Opfer von Spott und Verleumdung zu werden.
- Sprich unseren Verstorbenen das Wort des Lebens zu, damit sie befreit von der Mühe unserer Tage in deinem Frieden ruhen.

Deine Barmherzigkeit, Gott, reicht so weit der Himmel ist. Dir sei Lob und Ehre, heute und alle Tage unseres Lebens. Amen.

Von Gottes Barmherzigkeit nicht zu klein denken

Vorüberlegungen
Zum Text: Lk 18,9–14 (Evangelium)

Die Parabel vom selbstgerechten Pharisäer und vom reumütigen Zöllner scheint so einleuchtend und selbstredend zu sein, dass sie kaum einer weiteren Erklärung bedarf. Zu Recht aber weisen Kommentatoren auf die schwierige Wirkungsgeschichte dieser und vergleichbarer Bibelstellen hin, in denen sich ein polemisch überzeichnetes Bild von den Pharisäern herausgebildet hat, das schließlich antijüdische Haltungen begünstigen konnte. Diese Schwarz-Weiß-Malerei darf nicht verstärkt, sondern muss hinterfragt werden. Die folgende Predigt versucht daher, das Wort für den Pharisäer zu ergreifen und ihm Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Denn letztlich bleiben alle auf Gottes Barmherzigkeit angewiesen.

Predigt

Ein klarer Fall und kurzer Prozess

Recht so! Das Evangelium, das wir eben gehört haben, klingt für unsere Ohren überzeugend und zufriedenstellend. Es ist sympathisch, dass der reumütige Zöllner Gnade findet, während der selbstgerechte Pharisäer leer ausgeht. Gott zeigt sich als unbestechlicher Richter, der bis ins Herz der Menschen schaut. Wir spüren sogar ein wenig Genugtuung bei diesem Urteil und müssen uns hüten, dass diese nicht in Schadenfreude umschlägt. Wieder einmal zeigt sich: Gott hat ein Herz für die Sünder und Schwachen, während der überheblich Fromme bloßgestellt wird. Der Fall scheint klar und eindeutig. Im wahrsten Sinne ein kurzer Prozess.

Einspruch gegen das Urteil

Und doch stellt sich bei mir ein gewisses Unbehagen ein. Ist das Urteil wirklich gerecht? Können wir von Froher Botschaft sprechen, wenn zwar der Sünder Barmherzigkeit erfährt, aber ausgerechnet jener, der sich um ein gutes Leben bemüht hat, am Ende zu kurz kommt? Hätten nicht beide auf ihre Weise Barmherzigkeit verdient? Auch wenn dieses Beispiel, das Jesus erzählt hat, gut 2000 Jahre zurückliegt und reichlich Gras über die Sache gewachsen ist, so möchte ich es nicht unwidersprochen stehen lassen. Ich lege Einspruch ein gegen dieses Urteil und fordere eine Revision des Verfahrens. Ich möchte mich zum Anwalt und Fürsprecher des Pharisäers machen und ihm eine Chance geben. Ich stelle infrage, ob es richtig war, ihm einen kurzen Prozess zu machen. Zu diesem Schritt fühle ich mich auch deshalb verpflichtet, weil dieses Urteil eine tragische Wirkung hatte und mancherorts zur Verachtung der Pharisäer und in späteren Zeiten sogar aller Juden beigetragen hat. Es wäre also angebracht, der Sache noch einmal auf den Grund zu gehen.

Fehlende Informationen in der Überlieferung

Aus dem Evangelium selbst erfahren wir leider nur wenig über die beiden Männer, die uns vor Augen geführt werden. Sie werden nicht einmal bei ihren Namen genannt. Der eine wird als Pharisäer charakterisiert und damit einer bestimmten religiösen Richtung im damaligen Judentum zugeordnet, der andere wird nach seiner Tätigkeit als Zöllner benannt. Selbst wenn es sich um fiktive Personen handeln sollte, so hat ihre Beurteilung weitreichende Folgen. Wenn es erlaubt ist, das Evangelium als eine Prozessakte zu lesen, dann ist diese zumindest lückenhaft. Wichtige Informationen fehlen uns und doch lässt sich aus dem wenigen, das überliefert ist, einiges sagen. Da der Zöllner in dem Verfahren gut weggekommen ist, brauchen wir seine Situation nicht näher zu ergründen. Gegen seinen Freispruch erheben wir auch keinen Widerspruch.

Ein Plädoyer für den Pharisäer

Anders sieht es beim Pharisäer aus. Er verdient sicher noch etwas mehr Aufmerksamkeit. Als Pharisäer gehörte er zu einer religiösen Gruppierung, die im damaligen Judentum weit verbreitet war und sich um eine getreue Befolgung der religiösen Gesetze und Vorschriften mühte. Sicher war er von Kindesbeinen gehalten, die zahlreichen Gebote seines Volkes und seiner Religion genau zu beachten. Die treue Ausrichtung seines Lebens am Gesetz war alles andere als ein Zuckerschlecken und verdient gewissen Respekt. Die religiösen Autoritäten seiner Zeit schärften ihm ein, wie wichtig die Befolgung des Gesetzes ist, in dem sich letztlich Gottes Wille ausdrückt. Und sagt nicht auch Jesus in anderem Zusammenhang: »Wer auch nur eines von den kleinsten Geboten aufhebt und die Menschen entsprechend lehrt, der wird im Himmelreich der Kleinste sein.« (Mt 5,19)? In seiner Treue zum Gesetz ging der Pharisäer noch über dessen Forderungen hinaus. Zweimal fastet er in der Woche, obwohl es nur einmal vorgeschrieben ist. Sein religiöser Eifer ist groß. Nachlässigkeit kann man ihm nicht vorwerfen.

Gute Gründe für mildernde Umstände

Wenn ich Jesus recht verstehe, bezieht sich seine Kritik nicht so sehr auf die Gesetzestreue des Pharisäers, sondern vielmehr darauf, dass er sich darin mit anderen vergleicht. Wenn wir den Schluss des Evangeliums als eine Urteilsbegründung verstehen, dann hat sich der Pharisäer selbst erhöht und andere erniedrigt. Das gilt als seine Schuld und so lässt sich sein Gebet durchaus verstehen. Und dennoch würde ich auf mildernde Umstände plädieren. Der Pharisäer stellt sich ja nicht öffentlich hin und prahlt mit seinen Leistungen. Nein, das Evangelium betont, dass er sein Gebet leise spricht. Er sagt es einzig Gott in aller Offenheit seines Herzens und seiner Gedanken. Angesichts zahlreicher Beispiele, wie schnell Gebote verletzt sind und menschliches Leben scheitern kann, zeigt er sich froh und dankbar über seine Situation. Darf man Gott nicht Dank sagen, wenn er einen vor einem falschen Lebensweg bewahrt? Darf man sich nicht freuen, wenn der eigene Lebensentwurf glückt?

Von Gottes Barmherzigkeit nicht zu klein denken

Ich gebe zu, dass der Pharisäer in der Gefahr steht, über andere Menschen schlecht zu denken. Vielleicht zeigt er zu wenig Verständnis für deren Lebensumstände, für ihre Sorgen und Nöte, die sie daran hindern, genauso fromm nach dem Gesetz zu leben. Das mag seine Schwäche und seine Falle sein. Aber wird hier nicht ein wunder Punkt in uns allen berührt? Ist das nicht zutiefst menschlich, dass wir uns schnell mit anderen vergleichen und uns gern für besser halten? Wenn es danach ginge, müssten auch wir uns fragen: Wer kann dann noch gerettet werden? Von daher bitte ich auch für den Pharisäer um Barmherzigkeit. Jesus macht mit seiner Beispielerzählung deutlich, dass unser Leben vor allem deshalb gelingen kann, weil Gott es gut mit uns meint und uns die Fehler, die wir einsehen, nicht kleinlich nachrechnet. Denken wir also nicht zu klein von Gottes Barmherzigkeit. Vertrauen wir darauf, dass seine Barmherzigkeit für beide reicht: für den Pharisäer genauso, wie für den Zöllner.

Adrian Warzecha

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