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Die Inhalte
der Zeitschrift
»Dienst am Wort«
Herausgeber
Leseprobe 3
Elfter Sonntag im Jahreskreis
Lesejahr B
Zuversicht in der Fremde

Predigt
Zum Text: 2 Kor 5,6–10 (2. Lesung)

Wo ich dazugehöre

Beinahe jede Stadt und jedes Dorf feiert einmal im Jahr ein Fest, bei dem keinesfalls fehlen darf, wer etwas auf sich hält. Bei den einen ist es ihr Stadt- oder Dorffest, bei den anderen die Fastnacht, bei den Dritten noch etwas anderes. Solche Feste mobilisieren einmal im Jahr die ganze überschaubare Gemeinschaft. Auch wer längst anderswo Wurzeln geschlagen hat, kommt zu diesem Anlass heim, um die Rituale aus der Kindheit zu begehen und alte Bekannte zu treffen. Alle sind auf den Beinen, und es kommt vor allem darauf an, zu sehen und gesehen zu werden. Dabei versichern sich alle gegenseitig, mit Worten und mehr noch mit Bräuchen, dass wir etwas Besonderes sind, das es anderswo so nicht gibt. Wer dazugehört, denkt sich nichts dabei; seine Welt ist in bester Ordnung. Aber vielleicht sind Sie durch Zufall auch schon einmal in einer fremden Stadt in so ein Fest hineingeraten und haben sich mit einem Mal ganz deplatziert gefühlt. Sie haben die Anspielungen und Witze nicht verstanden, die Personen und Ereignisse nicht gekannt, von denen alle sprachen; ganz so, als müsste man vom Mond kommen, um derlei nicht zu wissen. Dann haben Sie in diesem Moment verstanden, was es heißt, wenn man nicht dazugehört, wenn man fremd ist und die eigene Geschichte keinen interessiert.

Was mich fremd sein lässt

Vor einigen Jahren konnte man immer wieder eine pfiffige Parole gegen Ausländerfeindlichkeit lesen, die lautete: »Alle Menschen sind Ausländer, fast überall.« Wenn wir dem Apostel Paulus glauben, können wir das »fast« noch streichen: Alle Menschen sind Ausländer, und zwar überall! Wir sind Ausländer, solange wir in dieser Welt und in diesem Leib zu Hause sind, weil wir unsere Heimat im Himmel haben. Die Krise, in der noch einmal unser ganzes Leben auf dem Spiel steht, steht uns immer noch bevor. Die bange Frage, was von all dem bleiben wird, was wir uns in diesem Leben aufgebaut haben, können wir eine ganze Zeitlang zurückstellen. Aber früher oder später wird sie uns einholen: als Erschütterung, die uns am Sinn des Lebens zweifeln lässt; als die Endlichkeit, die unsere hochfliegenden Pläne unbarmherzig auf den Boden der Tatsachen zurückholt; als der Tod, der uns hart und unerwartet trifft. Eben noch mitten im Leben, eben noch voller Schaffenskraft und Tatendrang, kann es da sein, dass ich plötzlich wie gelähmt bin. Ich verliere das Ziel aus den Augen, weil ich nicht mehr weiß und nicht mehr spüre, wo ich hingehöre. In meinem altvertrauten Leben fühle ich mich auf einen Schlag ganz fremd, und ich merke, dass ich noch nie ganz dazugehört habe. Immer ist da ein Rest geblieben: ein Rest von unerfüllter Sehnsucht; ein Rest von ungelebtem Leben; etwas, das mich zum Fremden werden lässt im eigenen Haus. Das ist es wohl, wenn wir sagen, dass sich einer in seiner Haut nicht ganz wohlfühlt: Er ist nicht bei sich; ihm fehlt der Ort, wo er in sich ruhen könnte.

Der Grund meiner Zuversicht

Es ist wie mit des Kaisers neuen Kleidern: Plötzlich schaue ich an mir hinunter und merke, dass ich bei all dem Popanz, den ich um mich herum aufgebaut habe, in Wahrheit dennoch nackt bin. Das ist eine allgemein menschliche Erfahrung. Aber ich spüre, wie mich mein Glaube noch sensibler dafür macht. Ähnlich, stelle ich mir vor, muss es auch dem Apostel Paulus gegangen sein. Gegenüber der Aussicht, ein für alle Mal beim Herrn daheim zu sein, muss uns das Leben hier in diesem Leib wie eine Wanderschaft in der Fremde vorkommen. Als Menschen, die die Dinge vom Standpunkt der Ewigkeit aus betrachten, bleiben wir dieser Welt und ihrer kurzfristigen Logik letztlich immer fremd; oder wir lassen uns ganz auf diese Logik ein und verlieren dabei den Glauben. Wir sind Kinder dieser Welt und sind es doch nicht; wir gehören zu dieser Welt und doch auch wieder nicht. Das hat nichts mit Verachtung der Welt zu tun, sondern entspricht einer realistischen Einschätzung ihrer Vergänglichkeit. Als Christen ziehen wir es nicht deshalb vor, aus dem Leib auszuwandern, weil wir diesen Leib, den uns Gott bereitet hat, etwa verachten würden. Wir wissen nur, dass dieses Leben mit dem Leib der Ewigkeit überkleidet werden muss, wenn irgend etwas von uns Bestand haben soll. Wir wissen auch, dass wir erst dann ganz daheim, ganz bei uns und ganz beim Herrn, sein werden: dort, wo wir seit unserer Taufe hingehören. Und diese Aussicht lässt uns zuversichtlich sein.

Fürbitten
Gott, dein Geist gibt uns die Hoffnung, dass unser Leben nicht ins Leere läuft. Von ihm ermutigt bitten wir:

– Für die Menschen in aller Welt, die Krieg oder Armut dazu zwingt, ihre Heimat zu verlassen. (Gott, steh ihnen bei.)
– Für die Menschen, die sich selbst und anderen fremd geworden sind, weil Depression, Demenz oder eine andere Krankheit auf ihnen lastet.
– Für die Familien, Gemeinden, Vereine und alle Gemeinschaften, die ihren Mitgliedern ein wohltuendes Heimatgefühl vermitteln.
– Für die Menschen, die am Übergang zum ewigen Leben stehen, und für unsere Toten.

Gott, du bist das Ziel unseres Lebens. In diesem und im künftigen Leben bist du unsere Zuversicht. Dein Geist stärke uns mit seinen sieben Gaben durch Christus, unseren Herrn. Amen.

Wilfried Eisele

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