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»Dienst am Wort«
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Leseprobe 2
Allerseelen
Lesejahr A–B–C
Das Seufzen – die Sprache der Hoffnung

Predigt
Zum Text: Röm 8,14–23 (2. Lesung)

Auf unser eigenes Lebensende hin und auf das unserer Angehörigen bewegen uns viele Fragen und Ängste: Die Angst vor den Schmerzen, die Angst vor dem geistigen und körperlichen Zerfall; die Frage, wer für uns sorgen und aufkommen wird, wie der letzte Schritt zu schaffen sein wird, ob und wer dabei sein wird, dass ich nicht ganz allein bin. Die Angst vor dem Sterben ist wohl zu unterscheiden von der Angst vor dem Totsein. Kann es sein, dass ich einfach aufhöre, so als hätte es mich nie gegeben? Kann es sein, dass ich vollkommen belanglos und gleichgültig zerfalle wie jede andere Materie? Vielleicht ist in mir auch eine Angst vor Gott, die Angst vor dem Richter meines Lebens, dem mein Leben nicht standhalten könnte. Vielleicht ergreift mich die Angst vor dem vollkommen Ungewissen und Unbekannten hinter der Schwelle des Todes.

Aus dem Fleisch

Diese Ängste kommen aus unserer Natur, aus dem Fleisch, würde Paulus sagen. Solche Ängste sind ein Zeichen unseres Lebens, unserer Lebensverfassung: Niemand, der lebt, und nichts, was lebendig ist, will tot sein! Allem Lebendigen ist es eingeschrieben, zu leben, leben zu wollen. Unsere natürliche Verfassung, das Fleisch, kennt den Schmerz, es weiß um seine Hinfälligkeit. Wir alle tragen den Tod in uns. So tief wie das Fleisch um diesen Zerfall weiß, so sehr setzt es alles daran, ein Stück Leben zu erhaschen, eine Strähne des Glücks, eine Zeit der Freude, ein möglichst großes und intensives Maß an erfülltem Leben zu ergattern. Die Sehnsucht nach Leben und die Angst, zu wenig davon zu bekommen, beides ist kennzeichnend für uns menschliche Geschöpfe.

Aus dem Geist

Ob der Glaube – Paulus würde sagen, der Geist – dieser naturgegebenen Angst vor dem Sterben und dem Tod standhält, weiß noch keiner von uns. Bei vielen gläubigen Menschen hat der Geist dieser letzten Angst standgehalten – ich habe es mit eigenen Augen gesehen! Bei vielen anderen, die als fromme Menschen gelebt haben, war die kreatürliche Angst mächtiger als das gläubige Vertrauen. Auch das habe ich oft genug erlebt. Und wie es mit uns selbst sein wird und mit denen, die uns nahe sind, wissen wir noch nicht. Wir werden es einmal sehen, erleiden und erleben.

Sklaven oder Söhne und Töchter

Um die Angst zu verstehen und zu bewältigen, greift Paulus ein Beispiel aus der antiken Gesellschaftsordnung auf: Die Sklaven dienen ihrem Herrn mit Angst. Sie verdanken ihr Leben ihrem Herrn und sind abhängig von ihm. Jeder Sklave weiß, dass er sein Dasein, seine Kraft, sein Leben seinem Herrn schuldet. Das Verhältnis zu seinem Herrn ist durch die Gefühle von Angst und Furcht bestimmt.
Die Söhne – und die Töchter – sind vom selben Geist beseelt wie der Vater. Auch sie verdanken ihr Leben und auch sie sind abhängig. Aber das Verhältnis zum Vater ist durch Vertrauen und Freiheit bestimmt. Sie stehen ihm frei und vertrauensvoll gegenüber. Sie wissen, dass sie an allem, was dem Vater gehört, Anteil haben. Sie sind nämlich die Erben. Als Erben brauchen sie sich um ihre Zukunft keine Sorgen zu machen. Es gehört ihnen alles. Auch wenn sie jetzt noch keine Verfügung über das Erbe haben, sie sind gewiss, dass ihnen das Erbe des Vaters – besiegelt und verbrieft – zugesprochen ist. Allerdings haben die Erben nicht nur Anteil am Leben, sondern auch am Leiden, so sehr sind sie im Geist mit Gott verbunden; als Miterben Christi leben wir mit ihm, leiden wir mit ihm, sterben wir mit ihm und werden auch mit ihm verherrlicht!

Erbe

Was dieses Erbe bedeutet und worin es besteht, umschreibt Paulus mit dem schönen Wort Herrlichkeit. Alles, was wir Menschen und mit uns die gesamte Schöpfung an Leben in uns tragen und erleben möchten, ist in dieses Wort gefasst. Die Sehnsucht nach dem Leben hat als Kehrseite die Angst vor dem Tod. Diese Sehnsucht wird ihre Erfüllung erhalten in einer unvergleichlichen Art und in einem überschwänglichen Maß – in Herrlichkeit eben!

Sprache der Hoffnung

Jeder und jede von uns weiß, wie sehr sich das Fleisch um des Lebens willen verzehrt. Jedes andere Geschöpf trägt auch das Verlangen nach Leben in sich, ob es darum weiß oder nicht. Aber der Mensch, der vom Geist beseelt ist, findet für diese Sehnsucht das rechte Ziel und den wirklichen Namen. Er weiß sich als Kind Gottes, als Sohn und Tochter. Der Mensch allein weiß um das Stöhnen und Seufzen aller Kreatur, er kennt die Last und das Leiden und kann es benennen. Der ganzen Schöpfung entströmt eine laute oder verschwiegene Klage der Sehnsucht: Wann endlich wird die Herrlichkeit offenbar? Das Stöhnen und das Seufzen sind – so gesehen – die Sprache der Hoffnung! Die ganze Schöpfung wartet darauf, dass das zugesprochene Erbe endlich vollzogen wird. Die ganze Schöpfung wartet darauf, dass das Testament eröffnet wird und die Herrlichkeit Gottes in Erscheinung tritt. Der Mensch weiß darum, er allein kennt den Vater, er allein weiß um die noch ausstehende Herrlichkeit. Dieses Wissen trägt er um der ganzen Schöpfung willen in sich!
Die Gewissheit des Erbes, die wir dem Tod und der Angst davor entgegenhalten, und die Hoffnung auf die unausdenkbare Herrlichkeit, die über uns hereinbrechen wird, und das Vertrauen in den, der uns das Erbe vermacht – das alles soll uns an diesem Allerseelentag bewusst werden.

Fürbitten
Solange der Tod die Herrlichkeit des Lebens verdunkelt, solange stehen wir bittend für die Toten und für die Trauernden vor Gott und rufen:

– Väter und Mütter sterben – wie es dem Kreislauf des Lebens entspricht. Manchmal lassen sie Kinder oder Jugendliche zurück, die dringend auf Vater oder Mutter angewiesen sind. Manchmal ist ihr Tod wie der Verlust einer Stütze für ihre erwachsenen Töchter und Söhne. Gott, erbarme dich unserer verstorbenen Väter und Mütter und ihrer Kinder, die um sie trauern.
(Wir bitten dich, erhöre uns.)
– Kinder sterben – klein oder groß. Alle empfinden es als Ungerechtigkeit und als Zerstörung der natürlichen Lebensordnung. Oft hinterlässt das Sterben der Kinder in den Eltern einen Abgrund, der ihr Leben lang offen bleibt; und eine Wunde, die nie mehr heilt. Gott, erbarme dich der verstorbenen Kinder und der Eltern, die um sie trauern.
– Schwestern und Brüder sterben. Ihr Tod bringt das Lebensgefüge ihrer Geschwister völlig durcheinander. Manchmal trauern die Geschwister um sie wie um ein Stück eigenes Leben; oft fühlen sie ihr eigenes Leben hinterfragt. Gott, erbarme dich der verstorbenen Brüder und Schwestern und ihrer Geschwister, die um sie trauern.
– Ehemänner und Ehefrauen sterben. Der andere Ehegatte muss weiterleben, als ob er um die Hälfte des Lebens amputiert wäre. Wer zurückbleibt, muss lernen, wieder allein und für alles selbst verantwortlich zu sein. Gott, erbarme dich der verstorbenen Frauen und Männer und ihrer Ehegatten, die um sie trauern.
– Freunde, Nachbarn, Kameraden, Altersgenossen sterben. Den anderen wird ihre eigene Sterblichkeit bei jedem Mal aufs Neue bewusst. Wer jemanden verliert, fragt nach dem Grund des eigenen Lebens und wird vielleicht dankbarer. Gott, erbarme dich aller, die uns nahestanden, und bestärke die Trauernden mit deiner Kraft.
– Alle Geschöpfe sind dem Tod unterworfen. Alle sterben, oft zu früh, oft um ihr Leben betrogen. Warum so viele Tode? Warum so viel Angst? Warum so viele Verluste? Warum so viel ungelebtes, geschuldetes, zerstörtes, behindertes Leben? Gott, erbarme dich aller, denen das Leben vorenthalten wurde und sei uns nahe in unseren Fragen.

Gott, unser Vater. Höre unser Klagen und Bitten und das Seufzen der gesamten Schöpfung – durch Christus, unseren Herrn. Amen.

Anton Seeberger

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